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Auf dem Weg zur Rückkehr des Mammuts: Gentechnisch veränderten Mäuse wächst Fell der Eiszeitriesen
Forschungsteam züchtet Mäuse mit dem Fell eines Mammuts
Mammuts sind vor mehr als 3000 Jahren ausgestorben. Doch die Tierart ist sehr beliebt. Nun soll sie mit Hilfe der Gentechnik wiederbelebt werden. In einem US-Labor wurden Mäuse mit einem wolligen Fell gezüchtet. Ist das ein Durchbruch oder der falsche Weg? Eine kritische Analyse.

Der Zoo, der im Labor erstellten Gentechnik-Tiere, hat Zuwachs bekommen. Diesmal sind es Mäuse, die ein goldgelbes flauschiges Fell tragen. Die langen Haare erinnern an eine ausgestorbene Tierart, an das Wollhaarmammut, einen frühen Verwandten des heutigen Elefanten. Die Mammutmäuse wurden in den Laboren der US-Firma „Colossal Laboratories & Biosciences“ geboren. Und die Firmengründer sind geschickt darin, die menschliche Phantasie beim Anblick der Mäuse auf die Reise zu schicken.
Sie bezeichnen die Nager als einen wichtigen Schritt zur Wiederbelebung der Mammuts. Die Mäuse sollen helfen, bei Säugetieren die genetischen Grundlagen für die Entwicklung von Haaren und für die Anpassung an Kälte zu erforschen. Colossal will nämlich „die verlorene Wildnis der Erde wiedererwecken“. Das eiszeitliche Mammut könnte wieder durch die Steppen toben und auch das Erbgut des Riesenvogels Dodo soll in den Genlaboren zusammengebaut werden. Diese Idee scheint Investierende zu überzeugen. Seit der Gründung im September 2021 hat Colossal nach eigenen Angaben 435 Millionen US-Dollar Forschungsgelder gesammelt.
Mammutfunde auf dem Permafrost
Der Erfolg mit den für Kälte gewappneten Mammutmäusen passt gut in diese medientaugliche Erzählung. Gründer von Colossal ist Gentechnik-Pionier George Church. Der Professor an der Harvard Universität und am MIT in Boston hat viele der heute modernen Methoden zur Entschlüsselung des Erbguts von Mensch und Tier mitentwickelt.
Sein Team untersucht auch das Erbgut von Elefanten und vergleicht es mit der DNA aus Überresten der Mammuts, die konserviert durch die Kälte im Permafrost Sibiriens gefunden wurden. Seine Firma verfügt über 121 Datensätze – genug um einige der genetischen Unterschiede zwischen den verwandten Tierarten herauszuarbeiten. Es sollen noch mehr werden. Denn eines Tages möchten die Forschenden Elefanten durch gezielte Rückumwandlung der Gene schrittweise in Mammuts verwandeln.
Genschere Crispr/Cas verändert Mäuse-DNA
Die Forschung an Mäusen ist der erste Schritt auf diesem langen Weg. Das Fell oder die Behaarung sind generell beliebte Themen bei Genforschenden, bei vielen Tierarten haben sie die genetische Basis identifiziert. Colossal hat zehn Gene aus der Mammut-DNA ausgewählt, die für die Haarlänge, -dicke, -textur und -farbe sowie den Fettstoffwechsel codieren und in einer ähnlichen Form auch bei Mäusen vorkommen.
Mit der Genschere Crispr/Cas haben die US-Forschenden das Mäusegenom in Eizellen während einer künstlichen Befruchtung an diesen Stellen bearbeitet oder embryonale Stammzellen entsprechend manipuliert. Dabei konnten sie bis zu sieben Gene gleichzeitig verändern. Die Maus hat aber nicht die Gene des Mammuts bekommen. Stattdessen wurden in der Maus-DNA lediglich einzelne Elemente ergänzt oder Gene abgeschaltet. Diese Veränderungen reichten offenbar aus, den Mäusen die Haarpracht eines Mammuts zu schenken.
Wissenschaft kritisch zu Colossal
Deshalb bewerten viele andere Forschende die Ergebnisse der Biotechfirma vorsichtig. Die Strategie, die zur Verfeinerung der Liste der relevanten Gene bis zur Anwendung bei der Maus verwendet wurde, sei ein bemerkenswerter Meilenstein, sagt Dusko Ilic, Wissenschaftler am King’s College in London. Doch weiteres Lob gibt es nicht. „Sobald diese Gen-Liste erstellt wurde, ist die Erzeugung von Mutationen bei Mäusen, auch wenn sie sieben Gene betreffen, ein etabliertes Verfahren und stellt keine besondere Herausforderung mehr dar“, sagte Ilic auf Anfrage des Science Media Centers.
Auch Tori Herridge, Evolutionsbiologe an der University of Sheffield, ist skeptisch. „Das Team von Colossal hat eine Reihe von genetischen Veränderungen an Labormäusen vorgenommen, von denen bereits bekannt ist, dass sie bei Mäusen zu längerem, dickerem, welligerem – oder wolligerem – Fell führen“, sagt er. Die gezeigten Wollmäuse seien daher keine Überraschung. Herridge hätte es mehr überzeugt, wenn sich das Fell gebildet hätte, nachdem vollständige Gene des Mammuts in das Mauserbgut eingesetzt wurden.
Ist die Mammutmaus ein Etikettenschwindel?
Ist die Mammutmaus also nur ein Etikettenschwindel oder Mittel zum Zweck? Das wollbehaarte Tier wird der Forschung helfen, weiteres Geld für ihre Arbeit zu bekommen. Aber die Rückkehr der ausgestorbenen Tierart steht vor ganz anderen Problemen. Ein Mammut ist viel mehr als nur ein Elefant im üppigen Pelzmantel. „Wir wissen viel über die Genetik von Mäusen, aber nur wenig über die Genetik bei Mammuts und Elefanten“, sagt Herridge. Es sei überhaupt nicht bekannt, welche Abschnitte des Genoms einen Elefanten für das Leben am Polarkreis fit machen würden. Der Teufel stecke dabei im Detail, zum Beispiel in der Frage, wie Mammuts es geschafft haben, sich dem kargen Nahrungsangebot der eiszeitlichen Landschaft anzupassen.
Bei Colossal sind sie diesbezüglich zuversichtlich: „Wir hatten anfangs etwa 65 Gen-Targets und haben sie auf 85 erweitert“, berichtet CEO Ben Lamm. Diese Zahl könne sich durch weitere Analysen nach oben oder unten verschieben, aber für Lamm ist das bereits eine erste Einschätzung der Größenordnung der Anzahl jener Gene, die beim Wandel eines Elefanten in ein Mammut im ersten Schritt zu bearbeiten seien.
Mammutgene müssen aktiviert werden
Selbst wenn es gelänge, ein Tier mit einem Mammutgenom auszustatten, ist der Weg zu einem überlebensfähigen Mammut noch weit. Es gebe keine Garantie, dass die genetischen Schalter im Erbgut korrekt aktiviert würden, erklärt Konrad Fischer, Leiter des Forschungsbereichs für Xenotransplantation an der Technischen Universität München. „Wann und wie bestimmte Gene aktiviert oder stillgelegt werden, ist bei ausgestorbenen Arten weitgehend unbekannt“, sagt Fischer. So könnte es sein, dass überlebenswichtige Prozesse nicht ordnungsgemäß ablaufen.
Hinzu kommt: Die Mammut-DNA aus dem Permafrost sei zwar gut erhalten, aber alles andere als vollständig. Die Lücken im Erbgut des Mammuts wollen die Forschenden bei Colossal durch die vorhandenen Gene bei den nah verwandten Elefanten schließen. Früher oder später werden die GentechnikerInnen also vom kleinen Säugetier Maus zum großen Elefanten wechseln müssen und dessen Erbgut während einer künstlichen Befruchtung beeinflussen wollen. Doch dabei stoßen sie an die Grenzen der Biologie.
Mäuse sind keine Elefanten
Mäuse sind evolutionär zu weit von Elefanten entfernt. „Die beschriebenen Genomveränderungen sind mausspezifisch und haben nichts mit Elefanten oder gar mit Mammuts zu tun“, stellt Sergiy Velychko von der Harvard Medical School fest. Aus dem Jahr 1989 stammen die ersten Erfolge in der Mausgentechnik. „Seitdem wurden zehntausende verschiedene gentechnisch veränderte Mausrassen geschaffen“, sagt Velychko 35 Jahre später.
„Aber die meisten Techniken lassen sich nicht auf andere Arten anwenden, nicht einmal auf Ratten, obwohl sie enge Verwandte der Maus sind – und schon gar nicht auf Elefanten“, so der Forscher. Bei Elefanten scheitern gängige Hilfen zur Fortpflanzung wie künstliche Befruchtung regelmäßig. Bisher war nur der Zoo in Indianapolis mit dieser Strategie erfolgreich, damit die Weibchen Nachwuchs bekamen. Aber Elefanten sind etwa zwei Jahre trächtig und gebären dann meist nur ein Junges.
Schwangerschaft mit Mammutbaby
Die Wissenschaft muss also lange Wartezeiten akzeptieren, bis sie den Erfolg ihrer Genveränderungen sehen kann. Bei Mäusen geht das alles sehr viel schneller. Die Weibchen sind nur etwa 22 Tage trächtig und sie bringen oft zehn oder mehr Tiere mit einem Wurf zur Welt. Diesen Zahlen sind sehr wichtig. Das Mammutforscherteam erreicht selbst bei den erprobten Mäusetechniken nur eine Erfolgsquote von 38 Geburten bei 250 bearbeiteten Embryos. Rein statistisch befindet sich damit in jedem Wurf eines Mäuseweibchens wenigstens ein gentechnisch verändertes Tier mit wolligem Fell.
Niemand weiß, wie viele Elefanten für ein einziges überlebensfähiges Mammut nötig wären. Zumal die Erfahrung zeigt: Je mehr Gene verändert werden, desto geringer werden die Erfolgsraten sein. Der Aufwand für die Produktion einer ganzen Mammutherde, die durch die arktische Steppe toben könnte, lässt sich nicht ermessen. Er wird auf jeden Fall sehr groß sein. Denn damit die Herde sich erfolgreich fortpflanzen kann und nicht an den Folgen von Inzucht scheitert, müsste es Tiere verschiedener genetischer Herkunft geben. Es ist fraglich, ob sich diese Forschung noch ethisch rechtfertigen lässt, wenn für die Rückkehr des Mammuts tausende gescheiterte Elefanten-Schwangerschaften nötig sein sollten.
Gentechnik-Tiere für Landwirtschaft
Doch ganz sinnlos ist die Forschung zu gentechnisch veränderten Tieren nicht. Sie kann als Grundlagenforschung wichtige Erkenntnisse zum Einfluss der Gene auf die Entwicklung von Tieren und für das Verständnis der Evolution liefern. Und neu entwickelte Methoden könnten der Züchtung von Nutztieren im Allgemeinen helfen. „Die erfolgreiche gleichzeitige Modifikation mehrerer Gene zeigt das Potenzial für eine präzisere genetische Anpassung von Nutztieren an sich verändernde Umweltbedingungen“, sagt Konrad Fischer. Die Genschere CRISPR/Cas9 wurde bereits bei verschiedenen Nutztieren eingesetzt. Schweine wurden genetisch so verändert, dass sie resistent gegen das PRRS-Virus sind. Schafe und andere Tiere mit erhöhter Muskelmasse sollen die Fleischproduktion steigern. In den USA wurden hitzeresistente Rinder zugelassen, in Neuseeland wird daran geforscht. In Japan sind gentechnisch veränderte Fische im Handel. Gentechnisch veränderter Lachs konnte sich dagegen bei Verbrauchern nicht durchsetzen.
Die Forschung an der verlorenen Wildnis, den Mammuts und anderen ausgestorbenen Tieren wird angesichts der zur Verfügung stehenden Finanzmittel weitergehen. Und die Mäuse mit der Mammutfrisur dürfen weiterleben. Denn die Forschenden wollen wissen, ob der Eingriff Folgen für ihre Gesundheit, ihre Überlebens- und Zeugungsfähigkeit hatte. Zudem werden die Tiere einige Zeit in einer kälteren Umgebung leben. Vielleicht gewöhnen sie sich besser daran als ihre Artgenossen.