Walfang auf Island: Kommt nun das endgültige Aus?

In Island ist nach einem kurzen Fangstopp die Jagd auf den Finnwal wieder erlaubt. Das mag aussehen wie ein Rückschritt im Tierschutz, könnte den Walfang aber tatsächlich zu Fall bringen. Das ist die Überzeugung von Patrick Ramage, Experte für Walfang bei der Tierschutzorganisation IFAW. Was macht ihn so zuversichtlich?

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
7 Minuten
Ein schlanker Finnwal taucht aus dem Ozean auf und zerschneidet mit seinem langen Leib die Wasseroberfläche. Sein Blasloch ist zu sehen. die

Im Sommer dieses Jahres schien es schon vorbei zu sein mit dem Walfang auf Island. Das Fischereiministerium stoppte am 20. Juni, kurz vor Beginn der Fangsaison, die Jagd auf den Finnwal. Das ist die einzige Walart, die in Islands Gewässern noch getötet wird. Um das Jagdverbot zu begründen, berief sich Svandís Svavarsdóttir, die Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Fischerei, auf einen von ihr in Auftrag gegebenen Bericht. Der war am 8. Mai erschienen, und seine Autorïnnen hatten untersucht, ob der isländische Walfang die Tierschutzgesetze einhält oder nicht.

Dem war nicht so. Zwischen August und September 2022 hatte die Veterinäraufsichtsbehörde Videos auf den Walfängerbooten gemacht. Die Filme zeigten, wie qualvoll die Jagd auf den Finnwal abläuft. Ein knappes Viertel der erlegten Tiere musste mehrfach harpuniert werden, sie hatten die erste Sprengladung überlebt. Der Todeskampf zweier Finnwale zog sich über ein bis zwei Stunden hin. Einem anderen Tier wurde fünf Stunden lang nachgejagt. Die Leine der Harpune war gerissen, die in seinem Rücken steckte.

Der isländische Fachrat für Tierwohl, der den Bericht begutachtete, kam zu dem Schluss: Dieser Walfang ist mit den Tierschutzgesetzen nicht vereinbar – und wird es vermutlich niemals sein. Svavarsdóttir reagierte umgehend mit dem Verbot der Jagd, Tierschutzorganisationen in aller Welt brachen in Jubel aus.

Doch das war voreilig. Am 31. August endete der Fangstopp, die Fischereiministerin verlängerte ihn nicht. Die Jagd auf den Finnwal geht also bis Saisonschluss Ende September weiter, die Boote sind bereits in den Fanggründen. Die Besatzungen müssen nun neue, verschärfte Regeln einhalten und überdies nachweisen, dass sie im Einklang mit den Tierschutzgesetzen arbeiten.

Keine Lizenz, kein Walfang

Dabei ist das Walfang-Business auf Island das Geschäft eines einzigen Mannes: Kristján Loftsson führt das Unternehmen Hvalur hf – hval ist das isländische Wort für Wal. Mittlerweile ist er 80 Jahre alt und sehr vermögend, will aber von der Jagd auf den Finnwal nicht lassen. Im Dezember dieses Jahres endet allerdings seine Fünfjahreslizenz. Ob er eine neue erhält, die bis 2028 gilt, ist offen. Wird ihm die Jagderlaubnis verweigert, wäre dies das Aus für den isländischen Walfang.

Einer, der den alten Mann und die Waljagd auf Island gut kennt, ist Patrick Ramage. Bis 2020 leitete er das Meeresschutzprogramm der Tierschutzorganisation IFAW (International Fund for Animal Welfare) und ist heute Senior Director für Internationale Beziehungen. Ramage ist zuversichtlich, dass die Entscheidung der Fischereiministerin, die Jagd wieder freizugeben, nichts anderes bedeutet als das letzte Halali für Loftsson.

Das Foto eines mittelalten Mannes mit kurzen dunklen Haaren und Brille. Er hat große blaue Augen und lächelt.
Patrick Ramage engagiert sich seit Jahrzehnten für den Schutz der Wale.
Ein toter Finnwal wird zerlegt. Man sieht die Barten und das Fleisch des Tieres.
Blutiges Geschäft: Ein Finnwal wird in der Walfangstation von Hvalfjordur, Island, zerlegt.
Ein Walfangboot im Meer. An der Bordseite schleift es zwei tote Finnwale mit sich.
Die Hvalur 9, Walfangboot von Kristján Loftsson, fährt in isländischen Gewässern. An der Bordseite: zwei erlegte Finnwale.
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