Erfolg bei UN-Biodiversitätskonferenz: Das Weltnaturabkommen „bekommt Beine, Arme und Muskeln“

In Rom verständigten sich die Vertreter von mehr als 190 Staaten auf einen Finanzierungsfahrplan zur Umsetzung des historischen Montreal-Abkommens. Neue Summen wurden nicht vereinbart, dennoch gelten die Beschlüsse als Durchbruch.

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Ein dunkler Fluss, eingerahmt von dichtem Regenwald.

Mehr als zwei Jahre nach Verabschiedung des Weltnaturabkommens haben die Staaten der Erde sich auf einen Finanzierungsfahrplan verständigt und damit die Chancen für eine wirkungsvolle Umsetzung der historischen Vereinbarung zur Bewahrung der Natur auf der Erde deutlich verbessert.

Die Delegierten der rund 190 Mitgliedstaaten der UN-Biodiversitätskonvention einigten sich zum Abschluss der Vertragsstaatenkonferenz COP16 in Rom auf eine Strategie, mit deren Hilfe bis zum Jahr 2030 jährlich mindestens 200 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stehen sollen, um insbesondere die Entwicklungsländer beim Schutz der Biodiversität zu unterstützen, die zugleich arm und sehr artenreichen sind. Zudem wurde die Forderung bekräftigt, naturschädliche Subventionen zurückzufahren oder in Anreize umzubauen, die den Schutz der Biodiversität fördern. Die Industriestaaten sagten größere Anstrengungen zu, um die von ihnen versprochene Unterstützung an die Entwicklungsländer einzuhalten.

Erstmals Finanzierungsstrategie für globale Naturschutzziele

Das im Dezember 2022 verabschiedete historische Weltnaturabkommen – genannt "Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, kurz GBF – ist der bislang ambitionierteste Versuch der Staatengemeinschaft, die biologische Vielfalt auf dem Planeten zu bewahren und die Volkswirtschaften der Erde auf den Pfad zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in Rahmen der planetaren Grenzen zu bringen. Das Abkommen enthält insgesamt 23 Einzelziele, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen. Die Umsetzung der einzelnen Ziele erfordert große Summen an Geld, weshalb die Frage der Finanzierung ähnlich wie bei den Verhandlungen zum Klimaschutz bei allen Biodiversitätskonferenzen im Mittelpunkt steht.

Naturschutz auf großer Fläche und eine nachhaltigere Nutzung der Naturschätze

Zu den Zielen zählt die Vorgabe, in den nächsten fünf Jahren ein Drittel des Planeten unter wirksamen Schutz zu stellen und eine ebenso große Fläche ökologisch zu sanieren. Fischerei und Jagd sollen besser kontrolliert und auf verträgliche Ausmaße reduziert werden. Das Vordringen invasiver Pflanzen und Tiere soll eingedämmt und für die am stärksten bedrohten Arten sollen Hilfsprogramme aufgelegt werden. All diese Maßnahmen sind kostspielig und beanspruchen große Flächen zur Umsetzung.

Das Abkommen beziffert die Finanzierungslücke für eine wirksame Umsetzung des Vertrags auf 700 Milliarden Dollar jährlich. Der Löwenanteil soll durch einen Abbau oder eine Umschichtung naturschädlicher Subventionen zugunsten von Anreizen zum Schutz der Biodiversität erreicht werden. Bis 2030 soll die Lücke so schrittweise um mindestens 500 Milliarden Dollar pro Jahr kleiner werden. Die übrigen 200 Milliarden Dollar sollen durch eine Allianz aus öffentlichen und privaten Mitteln generiert werden. Neben Regierungen sind Unternehmen, Banken und Mäzene aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Teil des nun beschlossenen Finanzierungsfahrplans ist die Bekräftigung der bereits zuvor beschlossenen direkten finanziellen Unterstützung reicher Staaten für Entwicklungsländer. Auf einen konkreten Finanzplan hatten sich die Staatenvertreter vor wenigen Monaten beim ersten Teil des Gipfels in Cali nicht verständigen können.

Susana Muhamad mit einem Verhandlungshammer
COP-Präsidentin Susana Muhamad wurde von den Delegierten für ihre kompetente Verhandlungsführung gefeiert. Nach der COP tritt sie als Umweltministerin Kolumbiens zurück.

Milliardenzusagen bekräftigt - aber die Weltlage lässt Regierungen Prioritäten ändern

Dazu sollen ab diesem Jahr aus den Industriestaaten jährlich mindestens 20 Milliarden Dollar an die armen Länder fließen und ab 2030 mindestens 30 Milliarden Dollar.

Ein zentraler Punkt der Einigung ist die Zusage, erstmals einen internationalen Dialog der Umwelt- und Finanzminister von Industrie- und Entwicklungsländern einzurichten. Ziel ist es, die Mobilisierung von Finanzmitteln zu beschleunigen. Beschlossen wurde auch, bis 2030 eine endgültige Einigung darüber zu erzielen, über welche Töpfe die Mittel zur Unterstützung des Naturschutzes im globalen Süden fließen.

Geprüft wird bis dahin auch, ob ein weiterer Fonds analog zur Klimafinanzierung eingerichtet werden soll. Bisher laufen die meisten Zahlungen über einen Fonds innerhalb der Global Environment Facility (GEF). Entwicklungsländer kritisieren diesen als zu stark westlich dominiert und fordern, ihn durch einen Fonds unter dem Dach der Biodiversitätskonvention zu ersetzen. Die nun erzielte Einigung sieht vor, dass die Länder prüfen, ob ein neuer, unabhängiger globaler Biodiversitätsfonds geschaffen werden soll, um den bestehenden Fonds innerhalb der Global Environment Facility (GEF) zu ersetzen. Die Entscheidung darüber soll bis 2028 fallen.

Morgenebel steigt aus dichtem Wald auf.
Bedrohter Lebensraum: Tropenwälder werden weltweit abgeholzt, um Holz zu gewinnen, Weide- und Anbauflächen zu schaffen oder Rohstoffe abzubauen.

Einhelliges Lob von Regierungen und Naturschützern

Die Einigung auf ein Finanzierungskonzept wurde sowohl von den beteiligten Regierungen als auch von Umweltorganisationen als Durchbruch für das Abkommen bewertet. COP16-Präsidentin Susana Muhamad, die scheidende Umweltministerin Kolumbiens, sagte: „Wir haben dem Kunming-Montreal-Abkommen Beine, Arme und Muskeln gegeben.“ Auch der Europavertreter des Naturschutzverbandes Campaign for Nature, Georg Schwede, zeigte sich zuversichtlich, mit der vereinbarten Strategie die nötigen 200 Milliarden Dollar pro Jahr mobilisieren zu können.

„Die Chancen, diese für den Planeten überlebensnotwendige Summe zu erreichen, sind mit Rom deutlich gestiegen“, sagte Schwede. Er forderte, dass die Weichen für die Einbindung der Finanzminister bereits beim bevorstehenden Frühjahresgipfel von Internationalem Währungsfonds und Weltbank gestellt werden müssten. Greenpeace-Experte Jannes Stoppel lobte, die Entscheidungen von Rom zeigen, dass die Weltgemeinschaft sich weiter den großen ökologischen Krisen stellen wolle. „Und das auch ohne die USA, die bei der Bekämpfung der Artenkrise nicht mitverhandelt haben und sich vom Pariser Klimaabkommen verabschiedet haben“, sagte Stoppel. Das gebe Hoffnung.

Trotz der gemachten Fortschritte ist das Erreichen der Montreal-Ziele alles andere als sicher. Eine Analyse zeigt, wie weit die Staaten noch von einem der wichtigsten Ziele des Vertrags entfernt sind, künftig 30 Prozent der Land- und Meeresfläche der Erde wirksam zu schützen.

Forderungen an neue Bundesregierung

Wie Greenpeace forderten auch andere Umweltverbände von der neuen Bundesregierung, international Verantwortung zu übernehmen und mehr Geld in den internationalen Klima- und Naturschutz stecken. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zugesagt, dass Deutschland die Entwicklungsländer auch künftig mit jährlich 1,5 Milliarden Euro für die Naturschutzfinanzierung unterstützen werden. Allerdings stehen die Etats der Entwicklungsministerien unter großem Druck.

Durch die Schließung der US-Entwicklungshilfeagentur USAID durch Präsident Donald Trump ist die weltweite humanitäre Hilfe in eine tiefe Krise gerutscht. Viele Länder sehen sich angesichts der Not gezwungen, ihre Mittel umzuschichten und die unmittelbare Notfallhilfe zu priorisieren. Auch die dramatisch gespannte weltpolitische Lage führt dazu, dass immer mehr Regierungen die Entwicklungsetats nutzen, um Gelder für eine Erhöhung der Verteidigungshaushalte freizumachen. So hatte Großbritannien in dieser Woche beschlossen, die Entwicklungsetat um 40 Prozent zusammenzustreichen, um künftig mehr für die Verteidigung auszugeben.

Auch die scheidende Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bewertete die Ergebnisse aus Rom als Auftrag an die neue Bundesregierung, in den Anstrengungen für den Biodiversitätsschutz nicht nachzulassen. Neben der Finanzstrategie beschlossen die Mitgliedstaaten der Biodiversitätskonvention auch Details dazu, wie die Umsetzung der 23 Ziele des Montreal-Abkommens kontrolliert werden soll. Der beschlossene sogenannte „Planungs-, Monitoring-, Berichts- und Überprüfungsmechanismus“ (PMRR) soll sicherstellen, dass Fortschritte, aber auch Probleme bei der Umsetzung des Abkommens einheitlich überprüft werden können. Die Vertragsstaaten sollen dazu regelmäßig über ihre Fortschritte berichten. Eine erste große gemeinsame Überprüfung ist für die 17. Weltnaturkonferenz im kommenden Jahr vorgesehen.

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