Gehypter Wirkstoff für Long Covid und ME/CFS: Die BC 007-Story – Hoffnung kann nicht heilen

Viele Long-Covid- und ME/CFS-Patient:innen setzten große Erwartungen in den Wirkstoff BC 007 eines Berliner Start-Ups. Nun scheiterte er auf dem Weg zur Medikamentenzulassung – doch woran eigentlich? RiffReporter ging auf Spurensuche.

vom Recherche-Kollektiv Postviral:
18 Minuten
Fotos von zwei Scheckübergaben an die Erlanger Augenärztin Bettina Hohberger, darüber Ausrisse aus Pressemitteilungen der Uniklinik Erlangen sowie des Unternehmens Berlin Cures.

Die Hoffnung starb am 13. November – in dem Moment, in dem das Unternehmen Berlin Cures eine knappe, englischsprachige Mitteilung auf seine Website stellte.

In seiner klinischen Studie habe der Wirkstoff BC 007 nicht besser gegen Long Covid geholfen als ein Placebo, hieß es darin. Bereits am Vortag hatte das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg unter dem Aktenzeichen 36b IN 7367/24 einen vorläufigen Insolvenzverwalter für die Berlin Cures GmbH bestellt. In den sozialen Medien schwankten Long-Covid-Betroffene und andere postviral Erkrankte zwischen ungläubiger Enttäuschung und grenzenloser Wut. Vom einem „Desaster“ war die Rede. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach von einer „bitteren Nachricht“.

The analyses of the main endpoints did not show evidence of superior efficacy of the BC 007 treatment arms over the placebo arm.

Aus der Mitteilung von Berlin Cures vom 13.11.2024 (zu Deutsch: „Die Analysen der wichtigsten Endpunkte ergaben keine Hinweise auf eine überlegene Wirksamkeit der BC 007-Behandlung gegenüber dem Placebo-Arm der Studie.“)

Bis zu jenem Mittwoch war BC 007 eine Art Sehnsuchtsmittel. Vielen schien es nur eine Frage der Zeit, bis es als Medikament zugelassen und Patient:innen Heilung bringen würde, für die es bislang keine Heilung gibt. Bei Demonstrationen hatten Erkrankte oder ihre Angehörigen vor dem Bundestag und Ministerien Schilder in den Himmel gereckt, auf denen „BC 007 jetzt!“ stand. Die Politik, forderten sie, solle Berlin Cures mit Geld unterstützen, damit die Sehnsucht sich schnell erfüllen möge. Nun ist da nur noch Leere.

Man könnte, was geschah, kurzfassen: Forschende testen ein Medikament, bei ihren Studien fällt es durch – Ende der Erzählung. Das würde der Geschichte von BC 007 nicht gerecht. Es ist die Geschichte von Wissenschaftler:innen, die das Gute wollen und wohl genau deshalb über das Ziel hinausschießen. Von schwerkranken Menschen, die abertausende Euro an Spenden für Studien sammeln, von denen keiner weiß, ob sie jemals stattfinden werden. Von einem Wirkstoff, bei dem niemand sagen kann, ob er es einfach nicht bringt – oder ob er an den schweren Mängeln der wichtigsten Studie scheitert. Und vielleicht auch an der Hoffnung, die er geweckt hat.

Es könnte, Stand heute, auch eine Geschichte mit ungewissem Ausgang sein. Denn: Noch ist nicht einmal klar, ob BC 007 endgültig oder nur vorerst gescheitert ist.

Screenshot eines Tweets von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – auf einem Foto steht er neben Berlin-Cures-Gründer Johannes Müller und der Patientenvertreterin Ricarda Piepenhagen, die Lauterbach das Foto eines erkrankten Jungen mit Schlafmaske über den Augen übergibt.
Überraschendes Treffen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach twittert nach einem Gespräch mit Berlin-Cures-Gründer Johannes Müller.
Screenshot eines Tweets des Accounts „@MECfsFundraiser“, in dem es zum Start der Spendenaktion für eine Studie heißt: heißt: „Wir sind schwer krank und wir brauchen 800.000 €“
Start der Spendenaktion: Anfang Januar 2022 starteten ME/CFS-Betroffene das Crowdfunding für eine BC 007-Studie an der Uniklinik Erlangen.
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