Hörgerät, Ultraschall, Yoga-Kurs: Was zahlt meine Krankenkasse – und was nicht?
Für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es grundsätzliche Regeln. Was im Einzelfall gilt, ist für Versicherte aber oft nicht leicht herauszufinden.

„Leider bezahlt das Ihre Krankenkasse nicht.“ Den Satz haben wohl schon viele in der Arztpraxis gehört. Wer entscheidet eigentlich, welche Leistungen die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen? Welche Prinzipien gelten dabei? Und wie können sich Versicherte darüber informieren? Ann Marini, Sprecherin der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), erklärt die gesetzlichen Grundlagen und welche Rolle der G-BA und weitere Institutionen dabei spielen.
Frau Marini, wenn ich in der Arztpraxis bin, bezahlt meine Krankenkasse einige Untersuchungen und Behandlungen, andere dagegen nicht. Warum ist das eigentlich so?
Was die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen, ist grundsätzlich im Sozialgesetzbuch V geregelt, beispielsweise der Anspruch auf Krankenbehandlung, Heilmittel oder Arzneimittel. Nach Kriterien, die ebenfalls gesetzlich festgelegt sind, prüft der G-BA, welche ganz konkreten Leistungen von allen Kassen bezahlt werden müssen. Das tut er über Richtlinien. Und dann können die einzelnen Krankenkassen auch noch entscheiden, ob sie zusätzliche Leistungen übernehmen. Das sind die sogenannten Satzungsleistungen, die sich von Krankenkasse zu Krankenkasse unterscheiden können. Je nach Krankenkasse sind das etwa bestimmte Impfungen, Medikamente oder Untersuchungen, die nicht zum allgemeinen gesetzlichen Leistungskatalog gehören.
Nach welchen Kriterien entscheidet der G-BA über die gesetzlichen Leistungen?
Für uns gilt grundsätzlich das, was im Gesetz steht: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“. Konkret heißt das: Die Leistungen müssen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Da entscheiden wir nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin. So weit es geht, sichern wir unsere Entscheidungen also mit Studien von höchster Qualität ab, um Aussagen zu Nutzen und Risiken zu treffen.
Was bedeutet „wirtschaftlich“ – muss es immer das Billigste sein?
Manchmal gibt es mehrere Optionen, die im gleichen Maß ausreichend und zweckmäßig sind, also für die jeweilige Person und zum Behandlungsziel passen. Dann sollen Ärz:tinnen die preisgünstigste Variante wählen. Das kommt auch den Versicherten selbst zugute, denn die müssen die Leistungen mit ihren Krankenkassenbeiträgen finanzieren.
Was heißt das zum Beispiel bei neuen Arzneimitteln?
Wenn ein neues Arzneimittel für ein bestimmtes Anwendungsgebiet zugelassen wird und in Deutschland auf den Markt kommt, können Ärzt:innen es grundsätzlich sofort für gesetzlich Versicherte verordnen. Parallel prüft der G-BA in der frühen Nutzenbewertung den Zusatznutzen gegenüber der bisherigen Standardtherapie: Lässt sich mit dem neuen Medikament die Krankheit besser behandeln oder entstehen dadurch weniger Nebenwirkungen? Wenn das neue Arzneimittel keine wesentlichen Vorteile gegenüber älteren Medikamenten hat, ist es wirtschaftlicher, die bisherigen Mittel einzusetzen.
Legt der G-BA allein fest, was wirtschaftlich ist?
Neben dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot im Gesetz und unseren Richtlinien gibt es auch noch Verträge zwischen den Krankenkassen und den Kassenärzt:innen. Auf Bundesebene gelten Rahmenvorgaben. Was Wirtschaftlichkeit zum Beispiel für bestimmte Arzneimittelgruppen heißt und wie das geprüft wird, vereinbaren die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen für eine bestimmte Region. Diese Regeln gelten dann allerdings nur dort und können sich von Region zu Region unterscheiden.
Gibt es auch Leistungen, die die Krankenkassen grundsätzlich nicht bezahlen?
Ja, einige sind schon im Gesetz definiert. Dazu gehören zum Beispiel Arzneimittel bei geringfügigen und vorübergehenden Erkrankungen wie Erkältungen oder die sogenannten „Lifestyle“-Arzneimittel, etwa Mittel gegen Haarausfall. Welche Medikamente das konkret betrifft, kann man in der Arzneimittel-Richtlinie des G-BA nachlesen. Solche Leistungen dürfen die gesetzlichen Krankenkassen nicht übernehmen, auch nicht als Satzungsleistung.
Manchmal gibt es auch Sonderfälle: So sind zum Beispiel Arzneimittel für die Raucherentwöhnung eigentlich ausgeschlossen. Das Gesetz hat aber eine Ausnahme definiert: bei einer schweren Tabakabhängigkeit im Rahmen eines evidenzbasierten Programms zur Tabakentwöhnung.
Warum bezahlt die Krankenkasse die gleiche Leistung in manchen Fällen, in anderen aber nicht?
Bei einer Untersuchung hängt das zum Beispiel davon ab, ob sie zur Früherkennung oder zur Abklärung dient. Zum Beispiel Ultraschall bei der Frauenärztin: Gibt es keinen konkreten Anlass, bezahlt die Krankenkasse das nicht. Wenn jemand aber Beschwerden hat, zum Beispiel unklare Blutungen, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Abklärung. Leider erklären Ärzt:innen diesen Unterschied nicht immer genau, weil dahinter auch finanzielle Interessen stehen und manche Praxen die Untersuchungen dann als Selbstzahlerleistung, also individuelle Gesundheitsleistungen verkaufen.
Unterschiede gibt es auch zwischen Arztpraxen, also der ambulanten Versorgung, und der stationären Versorgung in Krankenhäusern: Im ambulanten Bereich dürfen Ärzt:innen nur explizit erlaubte Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen abrechnen, Krankenhäuser können im Rahmen der Fallpauschalen alles machen, was nicht ausdrücklich verboten ist.
Neben Arzneimitteln und Untersuchungen gehören auch noch Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Rollstühle und Heilmittel wie Physiotherapie oder Ergotherapie zu den gesetzlichen Leistungen. Gelten dafür die gleichen Regeln?
Grundsätzlich ja, die Leistungen müssen genauso ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Im Gesetz gibt es auch hier wieder grundsätzliche Regelungen, für die genaue Umsetzung hat der G-BA Richtlinien erlassen. Aber im Detail gibt es doch Unterschiede und bei Hilfsmitteln ist es besonders kompliziert. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) erstellt ein Hilfsmittelverzeichnis, welche Produkte grundsätzlich bezahlt werden. Aber welches Hilfsmittel die Versicherten dann konkret erhalten, also zum Beispiel welches Inkontinenz-Produkt, hängt von den Verträgen ab, die die einzelnen Krankenkassen zum Beispiel mit Sanitätshäusern abschließen.
In anderen Bereichen ist es noch komplexer. Bei Zahnersatz zum Beispiel bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen nur einen Festzuschuss, Mehrkosten müssen die Versicherten selbst tragen.
In welchen Fällen können Arzt oder Ärztin eine bestimmte Leistung nicht einfach verschreiben, weil die Krankenkasse das vorher genehmigen muss?
Insgesamt gibt es nur wenige genehmigungspflichtige Leistungen, da der Grundgedanke der gesetzlichen Krankenversicherung auf das sogenannte Sachleistungsprinzip abstellt: Über die Monatsbeiträge haben Versicherte den Anspruch, konkrete Gesundheitsleistungen zu erhalten. Eine Ausnahme von diesem Prinzip greift zum Beispiel bei der Psychotherapie. Wenn zum Beispiel über die Hausärztin oder eine psychotherapeutische Sprechstunde klar ist, dass Versicherte eine Psychotherapie brauchen, müssen sie einen Antrag bei ihrer Krankenkasse stellen.
Ein weiteres Beispiel sind Hilfsmittel, die in der Regel von einer Ärztin oder einem Arzt verordnet werden. Danach können Versicherte das Hilfsmittel bei ihrer Krankenkasse beantragen. Wenn das Hilfsmittel medizinisch notwendig ist, werden die Kosten grundsätzlich übernommen. Weitere Beispiele, bei denen die Krankenkasse die Leistung zuerst genehmigen muss, wären der Einsatz von Cannabis zu medizinischen Zwecken oder wenn Zahnersatz notwendig wird. Heilmittel wie Physiotherapie oder Arzneimittel können Arzt oder Ärztin dagegen ohne Genehmigung verordnen.
Wie können sich Versicherte über diese komplizierten Regeln informieren?
Auf der Website des G-BA kann man viele grundsätzlichen Regelungen nachlesen, zum Beispiel die verschiedenen Richtlinien. Das hilft im Einzelfall aber nicht unbedingt weiter. Dann ist es am einfachsten, direkt mit der eigenen Krankenkasse zu sprechen. Die können auch direkt Auskunft über eventuelle zusätzliche Leistungen geben. Oft finden sich auf den Websites der Krankenkassen schon entsprechende Hinweise.
Wenn man damit nicht weiterkommt, können oft die Unabhängige Patientenberatung oder andere Organisationen für den Verbraucherschutz helfen. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen beraten Patient:innen. Bei Fragen zu Selbstzahlerleistungen können die Informationen des IGeL-Monitors hilfreich sein, wenn das Gespräch mit Arzt oder Ärztin zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis führt.