Wie kommen wir in der Klimakrise zurecht? 9 Punkte, zu denen uns die Wissenschaft jetzt rät

Bei 3 Grad globaler Erwärmung wird es in Deutschland im Mittel um 6 Grad heißer. Wie wir uns jetzt schon in den Städten und auf dem Land an Hitze und Dürre, Starkregen und Fluten anpassen können, zeigt der aktuelle Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats IPCC.

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Begrünte Fassaden, entsiegelte Flächen, grüne Dächer: Städte nach dem „Schwammstadt“-Prinzip nehmen Starkregen leichter auf.

Am 20. März stellt der Weltklimarat (IPCC) den abschließenden Synthesebericht zum Sechsten Sachstandbericht vor. Fast 800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dazu in den letzten Jahren den aktuellen Stand der Forschung ausgewertet und ihn in drei Berichten veröffentlicht: in einem Bericht zum Stand der Klimakrise (Arbeitsgruppe I), einem dazu, was die Erderwärmung anrichtet und wie wir uns anpassen können (Arbeitsgruppe II) und einem, der sich damit befasst, welche Klimaschutz-Maßnahmen wir jetzt ergreifen müssen (Arbeitsgruppe III), um die drohende Klimakatastrophe einzudämmen. In einer dreiteiligen Serie stellen wir die Ergebnisse kurz vor. Wir berichteten bereits über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe I, folgend die Ergebnisse der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats:

1. Wie wir besser in den Städten leben

Schon jetzt lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, bis 2050 werden es fast 70 Prozent sein. In urbanen Räumen geht es nicht nur darum, Gebäude zu begrünen, sondern auch um eine zuverlässige Versorgung mit sauberem Wasser und mit erneuerbaren Energien. Damit bestimmt vor allem die städtische Klimapolitik darüber, wie gut die Einwohnerinnen und Bürger nicht nur mit Hitze und Starkregen zurechtkommen, sondern auch, wie klimafreundlich sie heizen und sich fortbewegen.

2. Wie wir besser mit Hitzestress zurechtkommen

Um Hitzestress zu verringern, müssen Menschen ihren Tagesablauf an die Hitze anpassen – egal ob zuhause oder im beruflichen Umfeld. Auch bauliche Veränderungen gehören dazu: Kühle Räume, begrünte Straßen und Plätze, aber auch Wärmeinseln in städtischen Räumen mit Kaltluftschneisen über einzelne Gemarkungen hinweg aufzulösen, reduzieren den Hitzestress. Gleichzeitig müssen wir Ökosysteme wiederherstellen, ausweiten und schützen.

3. Kommunen: Besser miteinander planen

Die Wissenschaftler:innen betonen, dass es wichtiger wird, dass Kommunen gut zusammenarbeiten: Wenn eine Stadt neue Kaltluftschneisen plant, sollten die Verantwortlichen diese Planungen mit den Kommunen im Umland abstimmen. Damit nachhaltige Verkehrssysteme gelingen, müssen wir Gemeinden auf dem Land besser mit der Stadt verbinden. Auch für den Hochwasserschutz müssen sich die Kommunen zusammensetzen, um gemeinsam Dämme und natürliche Rückhalteräume an Bächen und Flüssen zu planen.

4. Wie unsere Landwirtschaft besser mit Dürre und Starkregen zurechtkommt

Die heutige Landwirtschaft lässt sich nicht dauerhaft über mehr Bewässerung aufrechterhalten, daher gilt es schon heute, die Bewässerungsmethoden anzupassen. Landwirte müssen den Boden mit Vegetation vor Ausschwemmungen und Verwehungen schützen. Auch müssen sie die Tierhaltung anpassen und den Nutztierbestand abbauen. Neben anderen Nutzpflanzen sind auch die Anbaumethoden – beispielsweise mit einer wechselnden Bepflanzung – sinnvoll.

5. Wie wir anders mit Wasser umgehen

Um der Wasserknappheit zu begegnen, muss unser Wasserverbrauch effizienter sein: Wir müssen Wasser speichern und wiederverwenden. Eine veränderte Bodennutzung ist notwendig. Frühwarnsysteme sind sowohl für Dürre als auch für Überschwemmungen einzurichten. Für Extremregen und Hochwasser muss mehr Raum gegeben werden, damit das Wasser nicht zu schnell abfließt, sondern im Boden versickert und die Grundwasservorräte auffüllt. Am nachhaltigsten gelingt dies über die Wiederherstellung von Ökosystemen in Flussauen und einer Entsiegelung in Städten („Schwammstadt“). Aus stark überschwemmungsgefährdeten Gebieten müssen sich Menschen kontrolliert zurückziehen, also in andere Teile des Landes umziehen können.

6. Wie wir uns auf den steigenden Meeresspiegel einstellen

Die Erhöhung des Meeresspiegels betrifft alle küstennahen Regionen. Die Wissenschaft empfiehlt, sich an den Niederlanden zu orientierten: Das Land schottet sich nicht länger vom Meer ab, sondern versucht das Meer willkommen zu heißen. Dazu gehört das Konzept, auf dem Wasser zu leben. In Amsterdam gibt es bereits zwei Stadtviertel, wo so gebaut wird.

7. Wie wir alle besser zusammenarbeiten

Der IPCC-Bericht betont, dass Regierungen, der private Sektor und die Zivilgesellschaft dafür eng kooperieren müssen, um bei Entscheidungen und Investitionen für Klimagerechtigkeit zu sorgen. Das Augenmerk auf Werte wie Gleichheit und Gerechtigkeit sind wichtig, um unterschiedliche Interesse und Haltungen in Einklang zu bringen, sagten die Wissenschaftler. Das gelte insbesondere bei Klima-Anpassungsmaßnahmen wie Dämmen, die mit großen Eingriffen in natürliche Habitate einhergehen.

8. Wie die Natur uns hilft

Zu den wichtigsten Anpassungsmaßnahmen zählt die Wissenschaft die sogenannten natur-basierten Lösungen. Noch speichern Ökosysteme mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre als sie ausstoßen. Doch mit zunehmendem Hitzestress geht diese Fähigkeit verloren. Weitere Stressfaktoren wie Abholzung und Umweltverschmutzung beschleunigen die negative Entwicklung. Der Weltklimarat IPCC und der Weltbiodiversitätsrat IPBES fordern daher, 30 bis 50 Prozent der Land-, Süßwasser- und Meereslebensräume der Erde wirksam zu schützen – verbunden mit einem weltweiten Abholzungsstopp für Wälder. Insgesamt ist das Zeitfenster für wirksamen Klimaschutz und Klimaanpassung sehr klein, warnt der Weltklimarat.

9. Wie wir Katastrophen besser bewältigen

Die Grenzen der Anpassung bemessen sich nicht an der Schwere des Extremwetters oder der Höhe des Schadens, sondern an der sozioökonomischen Belastbarkeit eines Landes. Das zeigt sich am Zugang zu sauberem Trinkwasser, einer funktionierenden Verkehrsinfrastruktur und Telekommunikation sowie einem handlungsfähigen Gesundheitswesen.

Wichtig ist, die Anpassungsfähigkeit einer Gesellschaft nicht zu überfordern. Damit meint die Wissenschaft, dass man aus den Schäden lernen und den Wiederaufbau an die künftigen Verhältnisse ausrichten sollte. Wenn wir Wohngebiete entwerfen oder nach Flutkatastrophen Häuser und Straßen aufbauen oder sogar neu bauen, sollten wir die Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden 50 Jahren in die aktuelle Planungen miteinbeziehen.

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