Naturschutz ist Klimaschutz: Ohne den Schutz von Wäldern und Mooren ist das 1,5-Grad-Ziel verloren
Naturbasierte Lösungen spielen eine entscheidende Rolle für den globalen Klimaschutz. 12 Fragen und Antworten zur klimapolitischen Bedeutung von Wäldern und Mooren sowie zu neuen Klimaschutz-Initiativen anlässlich des Welttags der Feuchtgebiete am 2. Februar.
Naturbasierte Lösungen spielen künftig eine zentrale Rolle nicht nur im Klimaschutz, sondern auch in der Klimapolitik. So wird es ab 2023 auf jeder Weltklimakonferenz einen Jahresbericht zum Stand der naturbasierten Lösungen geben. Dazu wurde auf dem Weltklimagipfel im ägyptischen Scharm asch-Schaich die Koalition ENACT (Enhancing Nature-based Solutions for an Accelerated Climate Transformation) gegründet.
Welche Rolle spielt der Naturschutz für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels?
Ohne einen wirksamen Schutz der Natur wird das 1,5°C-Ziel verfehlt. Das unterstreicht auch der Weltklimarat IPCC in seinem Sachstandbericht zum Klimaschutz, den er 2022 veröffentlichte. Wenn Meere, Wälder, Moore und Böden gefährdet oder zerstört sind, können sie zu Quellen von Treibhausgasemissionen werden.
Wie kann das Artensterben gestoppt und das Klima gerettet werden?
Noch in diesem Jahrhundert könnten 1 Million Tier-, Pflanzen- und Pilzarten aussterben. Gemeinsam mit dem Weltbiodiversitätsrat IPBES fordert der IPCC, 30 bis 50 Prozent der Lebensräume auf Land und im Meer unter Schutz zu stellen. Damit müsste künftig nahezu jeder weitere Flächenbedarf, der diese Lebensräume einschränken würde, aufgegeben werden.
Zusätzlich müssen die Staaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent reduzieren: Je höher das Emissionsniveau in einem Land, desto stärker muss es reduziert werden. Das heißt höhere Minderungsraten in den Industrieländern, niedrigere in den Entwicklungsländern.
Warum ist der Schutz von Lebensräumen für den Klimaschutz wichtig?
Wenn Wälder abgeholzt werden und absterben, Moore trockenfallen und die Tundra auftaut, verwandeln sich diese Gebiete natürliche CO2-Senken in CO2-Emittenten und beschleunigen die Erderwärmung. Beim „naturbasierten“ Klimaschutz geht es um Renaturierungs- und Aufforstungsprogramme, um natürliche CO2-Senken wie Moore, Auen und Wälder sowie Mangrovenwälder, Algenwälder und Seegraswiesen zu bewahren und vergrößern.
Wie wichtig sind natürliche CO2-Senken?
Derzeit entfernen und speichern natürliche CO2-Senken wie Wälder, Moore, Böden und Meere mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre, als sie emittieren. Laut IPCC speichern sie weltweit zwischen 3.000 und 4.000 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid (GtC). Landgebundene Ökosysteme entfernen jährlich 3,4 GtC (mit einer Unschärfe von ± 0,9 GtC) aus der Atmosphäre und emittieren 1,6 GtC (Unschärfe ± 0,7 Gt). Daraus ergibt sich netto eine globale CO2-Senke von –1,9 GTC (Unschärfe ± 1,1 GtC).
Was tut Deutschland für naturbasierte Lösungen?
Im Vorfeld der UN-Biodiversitätskonferenz COP15, die Anfang Dezember im kanadischen Montreal stattfinden soll, wurden einige Fortschritte beim „naturbasierten Klimaschutz“ erzielt. Deutschland will dafür rund vier Milliarden Euro in den Jahren 2022 bis 2026 bereitstellen. Das Bundesumweltministerium entwickelt derzeit ein Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, das die verschiedenen Aktivitätsbereiche von Böden bis zum urbanen Raum im Blick hat. Es soll Anfang 2023 im Bundeskabinett beschlossen werden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte an, sich auf dem Weltnaturgipfel COP15 im Dezember in Montreal mit weiteren Staaten für den Schutz von 30 Prozent der globalen Landes- und Meereshabitate einzusetzen – auch bekannt unter dem Kürzel 30×30. Dazu schloss sich Deutschland der High Ambition Coalition for People and Nature (HAC) an, die von Frankreich und Costa Rica gegründet wurde. Ihr gehören inzwischen über hundert Länder an. Die HAC-Staaten unterstützen die 30-Prozent-Forderung.
Die Koalition ist eine wichtige Hoffnungsträgerin, denn bei ihrem Treffen in Bali konnten sich die G20-Staaten noch nicht darauf einigen, 30 Prozent von Land und Meer zu schützen.
Was tun die USA und China für naturbasierten Klimaschutz?
Wichtige Emissionsländer wie die USA und China halten sich bei naturbasierten Lösungen allerdings noch zurück. Während US-Präsident Joe Biden auf der COP27 fast ausschließlich einen technologie-getriebenen Klimaschutz vertrat, ließ sich Chinas Präsident Xi Jinping erst gar nicht sehen. Beide Länder haben jedoch ihre bilaterale Klimadiplomatie auf dem Weltgipfel wieder intensiviert, nachdem sie unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs offiziell eingefroren worden waren.
Welche Rolle spielen tropische Regenwälder als CO2-Senke?
Wald spielt als CO2-Senke eine wichtige Rolle, doch es steht nicht gut um ihn. Ein Kubikmeter Holz enthält im Schnitt etwa 0,3 Tonnen Kohlenstoff. Das entspricht rund einer Tonne Kohlenstoffdioxid. Länger werdende Hitze- und Trockenperioden setzen den Wäldern zu. Weltweit schrumpfen die Waldflächen: Laut dem Globalen Waldzustandsbericht 2020 der Vereinten Nationen verschwinden jedes Jahr rund zehn Millionen Hektar, vor allem weil sie wie im Amazonas-Gebiet in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt werden.
Wie steht es um den Amazonas-Regenwald?
Auf globaler Ebene nimmt die Fähigkeit tropischer Regenwälder Kohlendioxid zu speichern bereits seit den 1990er Jahren ab. Der Amazonas-Regenwald wird bereits teilweise als CO2-Emittent eingestuft, da Abholzung und Brände dem Biom zusetzen und sich sein allgemeiner Zustand verschlechtert. Im Zeitraum von 2010 bis 2019 minderte sich seine CO2-Speicherfähigkeit um 0,5 GtC/Jahr. Das entspricht einem Siebtel der aktuellen weltweiten natürlichen CO2-Speicherkapazität, hält der IPCC in seinem aktuellen Sachstandbericht fest.
Auf dem Weltklimagipfel in Ägypten stellte die Naturschutzorganisation WWF eine Studie vor, wonach der Amazonas-Wald bereits bis 2030 großflächig absterben könnte. Damit wäre das 1,5°C-Ziel nicht mehr zu erreichen. Im Amazon sind zehn Prozent der weltweit vorkommenden Arten beheimatet. Zu den Gründen für den Niedergang zählen die globale Erderwärmung, aber auch die fortschreitende Entwaldung. So wurden in den letzten 50 Jahren 17 Prozent der ursprünglichen Fläche abgeholzt.
Wie soll die Entwaldung weltweit gestoppt werden?
Auf dem Klimagipfel in Glasgow waren im vergangenen Jahr ein Entwaldungsstopp und die Aufforstung bis 2030, sowie eine Verbesserung der Bodenqualität vereinbart worden. Die Erklärung hatten 140 Länder auf der COP26 unterzeichnet. Im Rahmen des dort angekündigten Global Forest Finance Pledge (GFFP) sollen zwischen 2021 und 2025 12 Mrd. $ für forstbezogene Klimafinanzierung bereitgestellt werden.
Auf der COP27 in Ägypten trafen sich zum ersten Mal Regierungschefs im Rahmen des Forest Climate Leaders Partnership. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte an, dass Deutschland bis 2025 2 Mrd. € zum Schutz der Biodiversität im Rahmen der Internationalen Klimafinanzierung beitragen werde. Deutschland werde hierzu mit den Partnerländern wie Brasilien Ecuador, Madagaskar und Pakistan sowie in multilateralen Initiativen zusammenarbeiten. Pakistan selbst will bis 2023 mit zehn Milliarden Bäumen aufforsten.
Einen Tag später unterzeichnete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Waldpartnerschaften mit der Republik Kongo, Uganda, Sambia, Guyana und der Mongolei. Damit soll die Entwaldung in diesen Ländern umgekehrt werden. Die EU ihrerseits stellt 1 Mrd. Euro bereit, die von der Leyen dem Green Deal zurechnet. Begleitend dazu laufen aktuell die abschließenden Verhandlungen zu einer Regelung zur Kontrolle der globalen Lieferketten für Produkte wie Holz, Palmöl, Kaffee, Rindfleisch und Sojabohnen, womit ein Entwaldungsstopp erreicht werden soll.
Wie kooperieren die Länder des tropischen Regenwalds?
Nach diesen Ankündigungen der Europäer schlossen sich auf der COP27 Brasilien, Indonesien sowie die Demokratische Republik Kongo, die gemeinsam über 52 Prozent Anteil des Regenwaldes weltweit verfügen, zu einer Partnerschaft zusammen.
Die Initiative dafür ging von dem frisch gewählten brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva aus, der auf dem Weltklimagipfel unterstrich: „Ohne einen geschützten Amazonas gibt es keine Klimasicherheit für die Welt“. Seine Regierung wolle „alles tun, um die Entwaldung auf Null zu bringen.“ Die drei Staaten wollen dafür bezahlt werden, dass sie die Entwaldung eindämmen und die Wälder als CO2-Senken erhalten. Dies soll unter anderem über das REDD+-Programm der Vereinten Nationen erfolgen.
Sind Moore noch CO2-Senken oder bereits CO2-Emittenten?
Intakte Moore speichern mehr Kohlendioxid als andere Landschaftsformen, auch leben dort viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Trocknen Moore aus, entweicht das hoch klimaschädliche Treibhausgas Methan. Moore haben sich auf globaler Ebene bereits von CO2-Senken in CO2-Emittenten gewandelt.
In Indonesien und Malaysia beispielsweise wurden Moore für Palmöl-Plantagen entwässert. Dadurch wurden sie zu CO2-Emittenten in einer Größenordnung von bis zu 260 Megatonnen CO2/jährlich. Wenn die arktischen Tundra auftaut, werden Massen des hochwirksamen Treibhausgases Methan frei. Dies stellt einen Kipppunkt dar, der die Erderwärmung deutlich beschleunigen kann.
Nur noch 10 Prozent der deutschen Moore sind intakt. Die entwässerten Moore verursachen jedes Jahre rund 53 Mio. Tonnen CO2-Emissionen – das entspricht 7,5 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Bei nur 5 Prozent der deutschen Landfläche speichern die Moore so viel CO2 wie alle deutschen Wälder zusammen.
Was wird in Deutschland für die Wiedervernässung der Moore unternommen?
Am zweiten Tag der COP27 beschloss das Bundeskabinett eine Nationale Moorschutzstrategie. So sollen bis 2030 die CO2-Emissionen aus Moorböden pro Jahr um 5 Mio. Tonnen reduziert werden. Dies kann durch die Wiedervernässung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Moorböden erfolgen.
Parallel sollen angepasste Bewirtschaftungsformen, zum Beispiel Paludikulturen, entwickelt werden. Die Paludikultur ist Landwirtschaft auf nassen Flächen. Für Substrate und Erden soll kein Torf mehr genutzt werden dürfen – der Torfabbau bleibt gleichwohl erlaubt.
Bis 2030 könnten rund 250.000 Hektar wiedervernässt werden. Nutzungskonflikte mit der Landwirtschaft sind vorprogrammiert, weshalb unter der Vorgängerregierung die Moorstrategie am Widerstand des Landwirtschaftsministeriums noch gescheitert war. Die Wiedervernässung soll auf freiwilliger Basis erfolgen, weshalb für Pilotprojekte und Modellvorhaben bis 2032 rund 150 Mio. € bereitstehen.