Zweiräder im Trend: immer mehr Tunesierïnnen schwingen sich aufs Fahrrad

Fahrradfahren ist in Tunesien keine ganz ungefährliche Angelegenheit. Trotzdem steigen immer mehr Menschen aufs Rad um. Sie wollen das Transportmittel wieder populär machen.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
7 Minuten
Mehrere Fahrräder im Lokal des Vereins Solibikes auf der südtunesischen Insel Djerba

„Wir hatten einfach genug“, fasst Stéphanie Pouessel zusammen, was den Ausschlag dafür gab, in Tunesien eine richtiggehende Fahrradbewegung anzustoßen. Genug von schlechter Verkehrsinfrastruktur, überfüllten Straßen und einem öffentlichen Nahverkehr, der nicht annähernd in der Lage ist, die Bewohner der tunesischen Hauptstadt einigermaßen pünktlich von A nach B zu transportieren. Deshalb wollen die Fahrradaktivisten das Radfahren demokratisieren.

Angefangen hatte alles mit einer abendlichen Fahrradtour durch Tunis, organisiert von Pouessel und einigen tunesischen Mitstreitern im April 2017. „Wir hatten damit gerechnet, dass vielleicht vier, fünf Leute kommen. Es waren einhundert“, erzählt sie, und staunt bis heute ein bisschen darüber, wie schnell damals alles ging. Das Interesse war so groß, dass aus der Fahrradtour durch die Hauptstadt ein monatliches Happening und aus der spontanen Bewegung der Verein Vélorution wurde.

Mit der monatlichen Rundfahrt wollen die Fahrradaktivisten auf sich aufmerksam machen.

Tunis ist mit dem Fahrrad besser“ – und gefährlich

Ein klein bisschen aus der Puste ist Oussama Tangara schon, als er bei Vélorution ankommt. 17 Kilometer ist er gerade von sich zu Hause zum Verein geradelt, über eine vierspurige Schnellstraße. „Das dauert eine gute halbe Stunde. Sonst müsste ich einen Bus nehmen, dann die Straßenbahn, nochmal umsteigen und dann noch einen Kilometer zu Fuß gehen.“ Das würden den 24-jährigen Studenten im besten Fall anderthalb Stunden Zeit kosten. Doch er ist fahrradverrückt, sagt er. Drei Räder hat im Wechsel im Gebrauch, mehr als zwei Dutzend weitere alte Sammlerstücke stehen bei ihm zu Hause in der Garage. Radfahren hat er als Kind gelernt, „quasi gleichzeitig mit dem Laufen.“ Am Wochenende gibt er beim Verein kostenlose Kurse in Fahrradreparatur. Er erklärt, wie man Probleme erkennt, Bremsen einstellt, Reifen oder die Kette wechselt oder sich selbst ein Schutzblech baut.

Oussama Tangara in der Fahrradwerkstatt des Vereins Vélorution in Tunis, Tunesien.
In seiner Freizeit erklärt Oussama Tangara, wie man Fahrräder repariert.
Oussama Tangara vor einer Pinnwand mit Bildern der verschiedenen Aktionen des Vereins
Seit drei Jahren will Vélorution das Fahrradfahren in Tunesien demokratisieren
Banderole am Lokal des Vereins
Tunesien ist auf dem Fahrrad besser, so der Slogan des Vereins.
Schutzhelme und reflektierende Westen
Ohne Helm und Weste fährt keiner los.
Anis Mchaya im Lokal von Solibikes auf Djerba, Tunesien.
Sein erstes Geburtstagsgeschenk, an das sich Anis Mchaya erinnert, ist ein Fahrrad.
Verwaschenes Fahrradweg-Zeichen auf überwuchertem Weg
Auch der einzige Fahrradweg der Hauptstadt Tunis hat schon bessere Zeiten gesehen.
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