„Eine Epidemie, die sich so rasant ausbreitet wie diese, ist eine unglaubliche Herausforderung“

Der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt über die Corona-Virus-Epidemie, den Umgang mit Falschinformationen und die besten Vorkehrungen für jeden Einzelnen

10 Minuten
Zu sehen ist eine Nahaufnahme einer Gewebeprobe, in der kleine Kügelchen liegen. Dabei handelt es sich um die farblich hervorgehobenen Viren.

Kai Kupferschmidt hat molekulare Biomedizin studiert und arbeitet als Wissenschaftsjournalist und Buchautor. Bei RiffReporter leitet er ein Factchecking-Projekt. Seit Jahren berichtet Kai intensiv über Infektionskrankheiten für zahlreiche Medien in Deutschland und international, etwa „Science" und ZEIT. Das macht er auch an vorderster Front, etwa in Ebola-Gebieten oder aktuell bei der Corona-Epidemie. Hier berichtet der Journalist über seine Arbeit zur Corona-Virus-Erkrankung „Covid-19“ – und wie er mit den zahlreichen Falschinformationen umgeht, die im Netz kursieren.

Was kann jeder einzelne aktuell tun, um sich auf die weitere Ausbreitung des Corona-Virus vorzubereiten?

Es ist ein guter Zeitpunkt, um sich einmal ein paar Hygieneregeln anzugewöhnen, die in jeder Krankheitswelle hilfreich sind. Die Hände häufig waschen – und zwar richtig. Man kann auch versuchen, sich abzutrainieren, das Gesicht ständig anzufassen. Ich habe das vor meinem Einsatz in Liberia während des Ebola-Ausbruchs gemacht. Es ist erstaunlich, wenn man einmal darauf achtet, wie häufig man sich im Gesicht berührt.

Eine ganz einfache Sache, ist es, sich noch gegen die Grippe impfen zu lassen. Das ist ohnehin sinnvoll. Dieses Jahr könnte es helfen zu verhindern, dass Ärzte und Krankenschwestern zusätzlich zu Covid-19-Patienten auch noch viele Grippepatienten haben. Das habe ich auch meinem Vater gesagt – und er hat sogar auf mich gehört.

An was kann man noch denken?

Es ist sinnvoll, sich einfach einmal Gedanken darüber zu machen, was man bräuchte, wenn man zwei oder drei Wochen das Haus nicht verlassen könnte. Denn das könnte passieren. Anstatt dann in vier Wochen, wenn etwas passiert, den Supermarkt zu stürmen kann man jetzt einfach ein bisschen mehr Nudeln und Reis und so weiter einkaufen. Es gibt natürlich viel mehr, was man tun kann. Aber das wichtigste ist wirklich: Ruhe bewahren und Rücksicht nehmen. Wir sind alle im gleichen Boot.

„Ich spreche jeden Tag mit zehn verschiedenen Experten“

Du berichtest für „Science“, die ZEIT und andere Medien an vorderster Front über die Corona-Epidemie. Woher bekommst Du selbst Deine Informationen und wie filterst du diese und bereitest sie auf?

Die Weltgesundheitsorganisation hält fast jeden Nachmittag eine Pressekonferenz in Genf, in die ich mich telefonisch einwähle. Abends kommt eine Art Statusbericht heraus, „Situation Report“ oder kurz „sitrep“, der die weltweiten Zahlen an Infektionen und Todesfällen aufschlüsselt und häufig andere wichtige Informationen enthält. Hinzu kommen zahlreiche Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Journalen. Viele Arbeiten werden inzwischen auf sogenannten preprint-Servern wie biorXiv und medrXiv veröffentlicht, bevor sie in einem Journal publiziert werden. Das erlaubt Forschern, ihre Ergebnisse sehr schnell mit anderen Forschern und der Öffentlichkeit zu teilen. Aber weil sie noch nicht von anderen Wissenschaftlern begutachtet worden sind, muss man im Umgang mit ihnen besonders vorsichtig sein. Es kann leicht dazu führen, dass falsche Informationen verbreitet werden.

Wie nutzt Du speziell zur Corona-Epidemie soziale Medien?

Twitter ist inzwischen eine großartige Quelle, um die Einschätzung verschiedener Forscher und Gesundheitsexperten zu überblicken und auf bestimmte Dinge aufmerksam zu werden. Aber die wichtigste Quelle sind Interviews mit den Forschern selbst. Ich spreche jeden Tag mit vielleicht zehn verschiedenen Experten. Dabei hilft mir natürlich, dass ich jetzt seit 10 Jahren über Infektionskrankheiten berichte und mit vielen dieser Forscher schon häufig gesprochen habe. Je mehr solche Gespräche ich führe, umso klarer wird das Bild in der Regel. Es hilft, die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Ich kann die Situation nur klar beschreiben, wenn sie in meinem Kopf auch klar ist. Und ich bin natürlich nicht allein. Ich habe bei Science einen großartigen Redakteur in Amsterdam, Martin Enserink, und einen Kollegen in San Diego, Jon Cohen. Sechs Augen sehen mehr als zwei. Und ich lese natürlich auch, was Kollegen schreiben: Helen Branswell zum Beispiel bei Stat oder Julia Belluz bei Vox.

Ein Portrait von Kai Kupferschmidt
Der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt beschäftigt sich intensiv mit Infektionskrankheiten und arbeitet zur Corona-Epidemie für führende Medien wie „Science Magazine“.
Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!