Die Freiheit des Abenteurers – Ein Mann geht seinen Weg alleine. Doch die Liebe kommt ihm dazwischen
Abenteurer Matias Miño lebt auf einem Segelboot, das er geschenkt bekommen hat. Sein Leben dreht sich um die Freiheit, mit dem Fahrrad oder einem Kanu unterwegs zu sein. Doch als die Liebe in sein Leben kommt, wird vieles anders.
Das Wetter im Bremer Hafen zeigt sich von seiner widerspenstigen Seite, als Matias auf der Bildfläche erscheint. Mit nacktem Oberkörper setzt sich der junge Mann auf das Deck seines Schiffes. Ein echter Abenteurer, wie es scheint. Fasziniert betrachte ich die Tätowierungen auf seinem nackten Oberkörper, die kalte Brise vom Meer scheint ihm nichts auszumachen. „Willkommen auf meinem Boot“, präsentiert der Bärtige sein Heim, „das habe ich geschenkt bekommen.“ In seinem Grinsen liegt eine Spur Stolz.
Matias Miño stammt aus Argentinien, die Vorfahren kommen aus der Grenzregion zwischen Portugal und Spanien, der dortige Grenzfluss Rio Miño prägte seine Familie bis hin zum Namen. Er ist Reisender, seit er denken kann, war 15 Jahre nur mit dem Nötigsten unterwegs, und doch hat es ihn nach Deutschland verschlagen. Schuld ist die Liebe. Die Bürokratie in diesem Land behagt ihm nicht, er nimmt sie in Kauf, um seiner Familie nahe zu sein, wenn auch nur zeitweise. In Indien hat er eine Deutsche kennengelernt, mit der ihn nun zwei kleine Töchter verbinden. Nachdem sie ein Jahr gemeinsam durch Indien gereist waren, wollte sie nach Bremen zurück. In der Heimat fand sie schnell wieder in ihr gewohntes Leben, das anders aussah als seins. Der ewige Vagabund wusste, er würde seiner Lebensweise treu bleiben. Das bedeutete schwierige Aussichten für ein Familienleben.
Im Sommer zu den Kindern
„Das Wichtigste sind mir die Kinder“, sagt Matias, während er sich an einem Tatoo auf seinem Arm kratzt. „Sie sollen wissen, was ihr Vater macht.“ Er berichtet, dass er seine fünf und sechs Jahre alten Töchter immer im Sommer um sich schart und ihnen sogar hinterher reist, wenn ihre Mutter in den Süden zieht. Sie wohnt in Basel, er plant, dann mit dem Schiff hinterherzufahren. Das stellt ihn bei seinem Segelboot vor die Herausforderung, es winterfest zu machen. Der Hafenmeister hatte ihm das halbverrottete Gefährt geschenkt, zum Dank für eine Gefälligkeit. Jetzt müssen Schweißarbeiten gemacht und kaputte Teile ausgetauscht werden, zur Isolierung ist die Verwendung von Schafwolle geplant, die sich Matias auf einem Bauernhof besorgen will. Fünfzig Kilo davon werden gerade verschenkt. Bleibt nur die Frage, wie er ohne Auto dorthin kommt. Dafür verfügt das Boot über einen Dieselmotor und hat außerdem den Vorteil, dass er sein ganzes Hab und Gut darin unterbringen kann. Viel ist es nicht.
In Europa reist der Argentinier sonst immer mit dem Fahrrad, schafft dabei an die 150 Kilometer am Tag und schläft unterwegs in einer Hängematte mit einer Plane als Dach gegen den Regen. „Jetzt kann ich auf dem Boot sogar selber kochen und alles, was ich habe, immer dabei haben“, sagt Matias, der unter anderem fließend Deutsch, Englisch und Französisch spricht. „Trotzdem bin ich auf dem Boot vom Papierkram, der hier im Land herrscht, weitgehend befreit. So kann ich in Bewegung bleiben.“ Immer klarer sieht er trotz aller Ungebundenheit die Herausforderungen vor sich, die das Leben für ihn vorgesehen hat. Verpflichtungen sind nun ein Teil davon. Wie kann man es schaffen, den kaum zu bändigenden Drang nach Freiheit zu verbinden mit der Verantwortung, welche die Vaterrolle mit sich bringt? Er sagt, es gehe ihm darum, hier eine Ausgewogenheit zu finden.
Das versuchen sicher die meisten Menschen, doch die wenigsten kommen mit so wenig aus wie der Argentinier. Als wir unser Gespräch beenden, erzählt er mir vom Abenteuer der großen Fahrt. Damit meint er eine Reise flußabwärts in einem Kanu auf dem großen Strom Frankreichs, der Rhone und darüber hinaus. „Ich bin alleine von Genf bis nach Barcelona gefahren, auf dem Wasserweg. Ich kenne da jedes Teilstück. Frag mich, was du möchtest.“ Mir fällt keine passende Frage dazu ein. Beeindruckt stelle ich mir im Geiste die Route vor. Mit dem Auto brauchst du für die knapp 800 Kilometer etwa einen Tag, soviel weiss ich. Wie lange Matias, der Abenteurer, dafür brauchte, vergesse ich zu fragen. Ebenso, wie viele unvergeßliche Sonnenauf- und Untergänge er dabei gesehen hat. Als ich wieder zum Wagen laufe, spüre ich, wie ich ihn für diese Freiheit beneide. Doch ich finde, auch die Verantwortung gehört dazu. Die darf er in meinen Augen nie vergessen.