Warum Männer, die am Patriarchat hängen, heute Trost brauchen.

Blick auf die Väter aus Sicht der Philosopie. Ein Gespräch mit Autor Björn Vedder zum Thema Vaterrolle, Patriarchat und die Erwartungen, die Kinder haben.

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Ein Vater erfreut sich an seinem Sohn, wirft ihn in die Höhe auf dem Marktplatz eines Dorfes in Spanien.

Interview mit dem Autor Björn Vedder, der am Ammersee wohnt, über sein Buch „Väter der Zunkunft: Ein philosophischer Essay.“

Frage: Warum benötigt man eine Definition für Väter der Zukunft?

Björn Vedder: Ich habe den Eindruck, dass nicht mehr so ganz klar ist, was die Väterrolle heute ausmacht. Und dass einem die Dinge nur gelingen können, wenn man weiß, womit man es zu tun hat. In unserem Verhalten richten wir uns sehr oft nach Vorbildern und versuchen, diese für uns zu adaptieren. Nicht nur was die Rolle des Vaters angeht. Auch was Liebe ist und was Liebhaber tun, lernen wir in Liebesfilmen, in Liedern, Gedichten und Büchern. Und ich habe den Eindruck, dass es mit der Rolle des Vaters problematisch ist, solange es einen Überhang an alten Rollenbildern gibt: der Vater als Ernährer, als Versorger, als Bestimmer. Als Vertreter von Recht und Ordnung, zuständig für Ökonomie und Geld.

Es ist ein Rollenbild, das nicht mit den Ansprüchen übereinstimmt, welches die Männer heute an ihre Vaterschaft haben. Genauso wenig wie es harmoniert mit dem Anspruch, den die Frauen haben, und die Kinder. Dadurch entsteht eine Schieflage. Die Sache läuft nicht mehr rund, alle Beteiligten sind unglücklich. Deswegen habe ich mich gefragt: Wie kann die Philosophie dazu beitragen, um eine Vaterrolle zu formulieren. Das Ganze als Einstieg in eine Diskussion, um sich zu überlegen, wie eine Vaterschaft heute aussehen kann, jenseits der traditionellen Rollen.

Frage: Welche Vorbilder oder Quellen haben Sie für Ihre Arbeit herangezogen?

Björn Vedder: Das Erste, was mir aufgefallen ist, war, dass sich die Philosophie mit der Rolle des Vaters gar nicht beschäftigt hat. [ubu1] Es gibt allerdings einiges an Literatur zum klassischen Vaterbild. Zum Patriarchen. Das ist gut erforscht. Ich fand es hilfreich, denn daran kann man gut zeigen, warum das Festhalten an diesem klassischen Vaterbild für das Glück, das heute in der Familie gesucht wird, schädlich ist. Es ist eine Rolle, in der der Vater etwas vertritt. Recht, Ordnung, Moral, Geld. Der Vater vertritt immer einen Dritten, so wie Josef in der Heiligen Familie. Damit steht der Vater immer etwas abseits, umkreist die Familie wie ein Mond die Erde.

Damit hängt dann zusammen, dass der Vater das klassische Verhältnis zwischen Mutter und Kind aufbricht und es in die Gesellschaft einführt, indem er diese kulturell vertritt. Im Französischen gibt es diesen schönen Begriff des Patrimoniums, also der väterlichen Erblande. Damit gemeint ist die gesamte kulturelle Überlieferung. So wie das eben läuft in der Welt. Die Rolle des Vaters wird auf etwas festgelegt, nämlich etwas zu repräsentieren und das Kind in die gegebene Ordnung einzuführen. Also ist die Rolle des Vaters nichts, das vom Kind oder von der Familie bestimmt wird, sondern von der Gesellschaft. Die Gesellschaft braucht jemanden, der die Kinder dahin bringt, in ihr zu funktionieren. Klassische Beispiele gab es genug.

Frage: Die Vaterrolle hatte also etwas mit dem herrschenden Weltbild zu tun?

Björn Vedder: Ja. Man sagte, Gott ist der Vater aller Menschen, die Könige sind die Väter ihrer Landeskinder und die Väter sind kleine Könige innerhalb der Familie. So vertritt einer den anderen. Das Ganze funktioniert nur in einer hierarchischen Weltordnung, in der Gott an der Spitze steht und in der es eine Monarchie gibt. Beides haben wir überwunden, es gibt keine Grundlage mehr dafür, vom Patriarchat zu sprechen. Wenn also heute jemand sagt, er würde in einem Patriachat leben, der bezieht sich auf etwas, das historisch ungenau ist.

Mein Gedanke war es nun, die Sache andersherum zu denken – von der Familie, vom Kind her betrachtet. Von der Idee, dass niemand von vorneherein Vater ist, sondern erst durch ein Kind zum Vater gemacht wird. Das Kind ist da und spricht mich an, hat bestimmte Anforderungen. Ich antworte darauf. Es ist ein Frage- und Antwort-Spiel. Daraus ergibt sich Vaterschaft. Auch in der Beziehung zur Mutter. Mit der Fragestellung: Welche Anforderungen hat das Kind an mich und welche hat die Person, mit der ich das Kind in die Welt gesetzt habe. Und beim Kind geht es darum, ihm zu helfen, dass ihm sein Leben gelingt. Ich muss meinen Teil dazu beitragen, dass mein Kind sein eigenes und vielleicht sogar ein glückliches Leben führen kann. Ich muss ihm ein Rüstzeug dafür mitgeben. Und ich setze es zu anderen Menschen in die Welt, für die muss mein Kind eben halbwegs erträglich sein. Wir sehen heute viele Formen asozialen Verhaltens, die ihre Grundlage in einer gestörten Vaterbeziehung haben.

Frage: Bedeutet die Vaterrolle etwas, das man perfektioniert? Ist es etwas, in dem man durch Erfahrung besser wird?

Björn Vedder: Die Frage ist für mich: Was erwarten meine Kinder von mir? Welche Ansprüche haben sie an mich? Welche kann ich erfüllen und welche auch nicht? Manchmal muss ich auch sagen, dass ich das, was mein Kind gerade von mir braucht, ihm nicht geben kann. Manchmal interessiert es sich für Dinge, die ich ihm nicht vermitteln kann. Dann muss ich schauen, dass es das woanders findet. Ich glaube, es ist wichtig, das eigene Tun als eine Rolle aufzufassen. Und das eben nicht von sich aus, sondern von den Ansprüchen des Kindes aus zu sehen. Als ein Antworten an die Fragen, die das Kind an mich stellt.

Frage: Ist das Rollenverständnis heute ein anderes?

Björn Vedder: Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Ich beobachte mit einigem Erschrecken zeitgenössischen Formulierungen, wo Eltern sagen: „Vater-Mutter-Rolle, damit will ich gar nichts zu tun haben. Ich bin ganz authentisch so wie ich bin.“ Das finde ich eine Unverschämtheit. Man tut so, als wäre die Tatsache, wie man ist, perfekt. Weil man gar nicht darauf schaut, was denn das Kind braucht. Das Kind fungiert als Spiegel der eigenen Großartigkeit.

Die Rolle des Vaters hatte in früheren Zeiten immer mit dem herrschenden Weltbild zu tun.

Portrait eines Grossvaters mit seinem Enkel. Daneben ein Portrait eines Grossvaters mit seinem Enkel.
Zur Vaterrolle gehört dazu, dass man das generationenübergreifende Modell wachhält. Großvater, Vater und Sohn in einer Linie. Selber Ort, andere Zeit.
Vater und Mutter fotografieren ihr kleines Kind in einem Rahmen an der Atlantikkueste auf Teneriffa mit einer Kamera.
Viele Eltern haben idealisierte Vorstellungen von ihren Kindern. Doch diese haben eigene Wünsche und Anforderungen an ihre Eltern.
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