Klima-Kolumne: Kultur stärkt uns in der Klimakrise – jetzt mehr denn je

Kultur hilft, die Krisen dieser Zeit zu ertragen. Doch von Berlin bis Sachsen sind Kürzungen ausgerechnet bei Konzerten, Theater, Literatur und sozialen Projekten geplant. Warum der Rotstift falsch angesetzt wird. Eine Kolumne.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
4 Minuten
Die Illustration zeigt einen bunten Theatersaal, in dem das Publikum eine Bühnenaufführung beobachtet.

Die Klima-Kolumne erscheint alle zwei Wochen - kritisch, nahbar, lösungsorientiert!

Wenn mich jemand fragt, wie ich es schaffe, mich fast täglich mit der Klimakrise zu befassen und trotzdem optimistisch zu bleiben, antworte ich: Familie und Freunde, die immer hinter mir stehen. Und dann gibt es da noch die Musik und Bücher. Beim Musikhören, auf Konzerten oder beim Feiern finde ich Ruhe, tanke Kraft und kläre meinen Kopf. In Romanen tauche ich in andere Welten ein, nehme Abstand von unserer eigenen. Diese kleinen Auszeiten wirken wie Mini-Therapien und geben mir die Kraft, mich danach wieder den großen Problemen zu stellen.

Umso bestürzter war ich, als ich von den geplanten Kürzungen des schwarz-roten Berliner Senats hörte. Drei Milliarden Euro sollen insgesamt eingespart werden. Das trifft nicht nur Verkehr und Umwelt, sondern auch soziale Programme, Bildung – und die Kultur.

„Kultur ist nicht die Feuerwehr“

130 Millionen Euro sollen im Kulturbereich in Berlin gekürzt werden, rund 12 Prozent des Kulturetats. Zwar wurden die Sparpläne nach Protesten aus der Kulturszene in einigen Bereichen gelockert, doch an der Gesamtsumme, die eingespart werden muss, hat sich dennoch nichts geändert. Und Berlin ist nicht allein davon betroffen, auch Sachsen, Köln und weitere Regionen, Städte und Gemeinden haben massive Kürzungen im Kulturbereich angekündigt.

„Kultur ist nicht die Feuerwehr“, schrieb Der SPIEGEL vergangene Woche zu den geplanten Kürzungen. Und genau hier liegt das Problem: Kultur wird leider zu oft als „Nice to have“ angesehen, als netter Zusatz, mehr aber auch nicht. Ganz nach dem Motto: Da können wir ruhig den Rotstift ansetzen. Ja, Kultur löscht keine Feuer. Aber das heißt nicht, dass wir sie deswegen nicht brauchen. Gerade in Krisenzeiten ist Kultur wichtiger denn je – sie gibt Kraft, verbindet und bietet Orientierung.

Joana Mallwitz, die künstlerische Leiterin des Konzerthausorchesters Berlin, brachte es kürzlich in einem Reel auf Instagram gut auf den Punkt: „Jetzt ist die Zeit für mehr Musik, nicht weniger. Wir werden die vielen Krisen der heutigen Welt nicht bezwingen, wenn wir nicht diese Orte haben, an denen wir im Zuhören vereint sind.“

Musik macht Klimakrise greifbarer

Gerade Musik schafft es immer wieder, die Krisen unserer Zeit, wie die Klimakrise, greifbar zu machen und Menschen auf eine Weise zu berühren, die keine Grafik je erreichen könnte. Mehrere Musiker:innen haben beispielsweise deutschlandweit die Initiative „Orchester des Wandels“ ins Leben gerufen. In kreativen Konzertformaten setzen sie sich mit der Klimakrise auseinander, spielen für den Klima-, Natur- und Artenschutz. Bei diesen Klimakonzerten werden regelmäßig auch Spenden für Naturschutzprojekte gesammelt.

Auch Bücher und Theaterstücke können die Klimakrise und das Artensterben greifbarer machen und Menschen emotional berühren. Ein Beispiel dafür ist das dokumentarische Theaterstück Klima Monologe von Michael Ruf, in dem Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt erzählen, wie der Klimawandel ihr Leben beeinflusst.

Kürzungen gefährden Diversität, Inklusion, kulturelle Teilhabe

Die Kürzungen in der Kulturszene bedrohen nicht nur Arbeitsplätze, Programme und große Institutionen wie Konzerthäuser. Besonders hart trifft es gerade auch in Berlin Projekte, die kulturelle Bildung, Diversität, Inklusion fördern und die niedrigschwellige Teilhabe an Kultur ermöglichen. Eintrittsfreie Museumstage, günstige Konzerte, Lesungen oder Workshops sind essenziell für soziale Teilhabe. Wenn diese Angebote verschwinden, trifft das vor allem jene, die ohnehin wenig haben: Familien, Kinder, Menschen mit geringem Einkommen.

Ein Beispiel: Der Berliner Diversitätsfonds, der Künstler:innen mit Behinderung fördert, steht vor dem Aus. Auch der Open Mike Wettbewerb im Haus der Poesie, der literarischen Nachwuchstalenten eine Bühne bietet, steht auf der Kippe. Ohne solche Plattformen verlieren wir mehr als Programme – wir verlieren Perspektiven.

Freie Kulturszene gefährdet

Viele Künstler:innen arbeiten freiberuflich, oft mit geringen, unregelmäßigem Einkommen. Wenn Programme gestrichen werden, fehlen ihnen nicht nur Auftrittsmöglichkeiten, sondern auch die finanzielle Grundlage, um weiter Kunst zu machen, Romane zu schreiben, Musik aufzunehmen – all das, wovon ich und viele Menschen besonders in Krisenzeiten zehren.

Die Kürzungen ziehen sich in Berlin auch durch den gesamten Sozialbereich, die Jugendhilfe, Schulen und Kitas. Auch der öffentliche Nahverkehr wird beschnitten. Wichtige Straßenbahnprojekte werden gestrichen, Klimaschutzprogramme gekürzt. Ein Abgesang für die Verkehrswende in Berlin, die allen Menschen zugutekommen würde. Man könnte sagen: Die Verlierer der Kürzungen sind in erster Linie die Menschen.

Millionenschwere Auto-Projekte

Gleichzeitig fließt das Geld anderswo weiterhin in Strömen – zum Beispiel in Berlins Straßenbauprojekte. Die vierspurige Schnellstraße Tangentialverbindung Ost (TVO) im Berliner Osten soll bis zu 800 Millionen Euro und 22 Hektar Wald kosten. Und der Ausbau der Berliner Stadtautobahn A100 gilt mit 1,8 Milliarden Euro bereits als das teuerste Autobahn-Projekt Deutschlands. Für den Ausbau müssen auch mehrere Clubs im Berliner Osten weichen.

Höhere Parkgebühren oder eine Citymaut könnten Millionen in die Kassen spülen. Allein höhere Parkgebühren könnten bis zu 500 Millionen Euro pro Jahr einbringen. Wien zeigt, wie das funktionieren kann: Dort fließen die Einnahmen aus Parkgebühren etwa in den Ausbau des Nahverkehrs. Warum geht das nicht auch in Berlin? Seit fast 20 Jahren kostet das Anwohnerparken hier lediglich 10,20 Euro im Jahr – das entspricht gerade einmal 85 Cent im Monat. Zum Vergleich: In Köln zahlen Anwohner:innen 100 Euro.

Stattdessen spart der schwarz-rote Senat weiter bei Umwelt, Sozialem und Kultur. Ja, Jugendhäuser, Kitas, Clubs, Konzert- und Literaturhäuser sind keine Autos und auch nicht die Feuerwehr. Aber vielleicht sind es genau diese Angebote, die verhindern, dass das Feuer – auch im übertragenen Sinn für unsere Gesellschaft – überhaupt erst ausbricht.

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