RiffReporter diese Woche: Krise bei VW

Ein Mann sitzt lächelnd auf einem roten Tesla, daneben der Text: Was in dieser Woche wichtig ist - der Newsletter der RiffReporter-AutorInnen. Diesmal von Steve Przybilla, Schwerpunkt Elektromobilität.
Autor Steve Przybilla ist unser Experte für Elektromobilität.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

lange kannte die deutsche Autoindustrie nur den Weg nach oben: mehr Verkäufe, mehr Umsatz, mehr Autos. Als Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Jahr 2011 sagte „Weniger Autos sind natürlich besser als mehr“, war die motorisierte Bundesrepublik entsetzt. Gerade bei VW zeigte sich wenige Jahre später, dass ein großer Teil des Erfolgs auf Betrug gegründet war – Stichwort Diesel-Skandal. Der neue VW-Chef Herbert Diess steuerte daraufhin um, setzte voll und ganz auf E-Autos, um das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Und nun? Steckt VW in der Krise.

Welche Frage sich nun ganz akut stellt

Tarifverträge wurden gekündigt, Entlassungen und Werksschließungen stehen im Raum. Auf einer Betriebsversammlung sagte Finanzchef Arno Antlitz unlängst, man verkaufe in Europa pro Jahr 500.000 Fahrzeuge weniger als vor der Pandemie. Prompt meldete sich CDU-Chef Friedrich Merz zu Wort, um die vermeintliche Ursache auszumachen: VW habe sich „einseitig auf E-Mobilität festgelegt“. Sollte man trotz Klimakrise, Verbrennerverbot und möglicher CO₂-Strafen also wieder auf Benzin und Diesel setzen? Bloß nicht!

Warum wir uns dafür interessieren müssen

Knapp 300.000 Personen arbeiten allein an deutschen VW-Standorten. Hinzu kommen Hunderttausende bei Zulieferern. Auch die Konkurrenz wird sich daher sehr genau ansehen, wie VW nun agiert. Dabei steht fest: Wir brauchen zwar insgesamt weniger Autos. Aber die, die gebaut werden, sollten elektrisch fahren – nicht nur fürs Klima, sondern auch aus wirtschaftlichem Eigeninteresse.

In China verkaufen sich schon heute mehr Stromer als Benziner. Wenn die exportorientierte deutsche Autoindustrie den Anschluss verliert, kann sie einpacken. Doch gerade VW hat die Eigenheiten des riesigen Absatzmarktes in Fernost lange verkannt. Computerspiele und Karaoke-Funktionen, wie sie die Chinesen so lieben? Für Tesla kein Problem, für VW offenbar schon. In Deutschland wiederum, wo der Absatz von E-Autos stagniert, fehlt immer noch ein bezahlbares Einstiegsmodell.

Was mich dabei persönlich beschäftigt

Das Verrückte ist: Die E-Autos, die VW baut, sind wesentlich besser als ihr Ruf. Es stimmt, dass der als „Volksstromer“ erwartete VW ID.3 bei seiner Auslieferung im Jahr 2020 mit massiven Software-Problemen zu kämpfen hatte. Ich selbst erlebte einen Horrortrip, der mit dem Abschleppdienst endete. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. VW hat die Software verbessert, die Produktpalette erweitert. Die Elektro-Limousine ID.7 ist so gut, dass der ADAC ihr eine seltene Einser-Note ausstellt.

Was als Nächstes passieren muss

VW sollte sich davor hüten, die Merz’sche Rolle rückwärts einzuleiten. Stattdessen umso entschlossener in E-Autos investieren und den für 2026 angekündigten Elektro-Kleinwagen ID.2 endlich vorantreiben. Noch hat VW die Mittel dazu. Denn trotz aller Lamenti sollte man nicht vergessen, dass der Konzern im vergangenen Jahr über 22 Milliarden Euro Gewinn gemacht hat.

Um die Zukunft der deutschen Autoindustrie steht es gar nicht so schlecht – wenn sie ihre Chancen nutzt.

Herzliche Grüße

Steve Przybilla, Riffreporter

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Steve Przybilla schreibt seit Jahren über Mobilitätsthemen und testet für uns die neuesten Entwicklungen bei den Elektroautos.

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Steve Przybilla

Freier Journalist

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