RiffReporter diese Woche: Was irreführende Etiketten auf Elektrogeräten mit der Tiefsee zu tun haben
Liebe Leserinnen und Leser,
waren Sie im Urlaub Tauchen oder Schnorcheln? Wenn ja, wissen Sie selbst, wie faszinierend die Welt unter Wasser ist. Dabei kennen wir bis heute nur einen Bruchteil der Ökosysteme in den Weltmeeren. Besonders in der Tiefsee ist vieles noch ein Rätsel. Wissenschaftlerïnnen suchen dort sogar nach der Antwort auf die Frage, woher das Leben eigentlich stammt. Interessant ist die Tiefsee allerdings nicht nur für die Grundlagenforschung. Auch die Wirtschaft beansprucht sie für sich. Bergbaufirmen zum Beispiel sind hinter dem Gestein her, das seit Jahrtausenden am Grund der Ozeane lagert. Mit mächtigen High-Tech-Saugrobotern fördern sie nach Gesteinsbrocken in der Hoffnung, an Mineralien zu kommen, die für die Herstellung technischer Geräte wie Smartphones nötig sind. Der Druck aus der Wirtschaft ist enorm.
In dieser Woche ist das wichtig, weil…
… vor ein paar Tagen in Jamaika der Chefposten der UN-Meeresbodenbehörde ISA neu besetzt wurde, und zwar mit der brasilianischen Ozeanografin Leticia Carvalho. Die Personalie ist in doppelter Hinsicht eine Sensation. So nimmt Carvalho den Schlüsselposten nicht nur als erste Frau aus dem globalen Süden ein. Sie steht auch für einen grundsätzlichen Wandel im Umgang mit der Tiefsee. Die UN-Behörde ist nämlich so etwas wie die Wächterin der Tiefsee. Wer am Grund der Meere schürfen will, muss an der ISA – und nun eben an Carvalho vorbei. Während der bisherige Behördenchef Michael Lodge auf eine rasche Lizenzvergabe für die Wirtschaft drängte, will seine Nachfolgerin nun sehr genau hinsehen. Ihre Wahl ist für die Tiefsee und die gesamte Menschheit insofern eine gute Nachricht. Denn die Tiefsee – also das Meer jenseits der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone eines jeden Staates – gehört uns allen. Juristïnnen nennen das „Gemeingut“.
Warum wir uns damit beschäftigen müssen
Schon der Bergbau an Land hat Ökosysteme und die Lebensgrundlagen zehntausender Menschen – vor allem im globalen Süden – unwiederbringlich zerstört. Er schadet vor allem dem Wasserhaushalt. Er benötigt enorme Mengen an Süßwasser. Ein weiterer Kollateralschaden: Beim Bergen der Mineralien setzt der Bergbau giftige Chemikalien wie Quecksilber und Blausäure ein. Umweltschützerïnnen sind deshalb alarmiert und warnen: Wir dürfen diese Fehler bei der Energiewende nicht wiederholen.
Was mich dabei persönlich umtreibt
Schon heute gibt es Alternativen zum Bergbau an Land und in der Tiefsee. Recycling zum Beispiel, das Verbot von geplantem Verschleiß, eine längere Vorhaltepflicht von Ersatzteilen oder Dinge reparieren statt wegwerfen. Dafür braucht es zweierlei Dinge: Unser Bewusstsein, welche Folgen unser Konsumverhalten für die Welt und die nachfolgenden Generationen hat. Und Gesetze, die die Ökonomie raus aus der Wegwerfgesellschaft und mehr in Richtung Kreislaufwirtschaft bugsieren. Und zwar idealerweise auf supranationaler Ebene, um möglichst große Wirtschaftsräume zu erfassen.
Was als nächstes passieren muss
Seit Ende März gilt in der EU ein stärkerer Verbraucherschutz. Geplanter Verschleiß und Greenwashing sind nun verboten. Hersteller dürfen dann keine vagen Umweltversprechen mehr auf die Etiketten kleben und müssen die Lebensdauer und Reparaturfähigkeit ihrer Produkte ausweisen. Achten Sie doch beim nächsten Kauf eines Elektrogerätes darauf. Die Mitgliedsstaaten müssen die Vorschrift bis 2026 umsetzen.
Es grüßt Sie herzlich
Sandra Weiss, Riffreporterin, Lateinamerika
Mehr zur Autorin
Sandra Weiss schreibt für uns seit Jahren als Lateinamerika-Korrespondentin über Politik, Umwelt und Klima und andere gesellschaftliche Themen.