Insektenschwund – jetzt sprechen führende Expertinnen und Experten
Was Ökologen und Insektenforscher der Regierung und uns allen empfehlen
Das Bundesumweltministerium und das Bundeslandwirtschaftsministerium ringen in diesen Tagen um einen ersten Entwurf für ein gemeinsames „Aktionsprogramm Insektenschutz“. Am 20.6. sollen „Eckpunkte“ im Kabinett verabschiedet werden. Anlass sind Forschungsergebnisse, denen zufolge sowohl die Vielfalt als auch die Biomasse von Insektenpopulationen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten teils dramatisch abgenommen haben.
Wir „Flugbegleiter“ geben hier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Raum, die sich seit Langem intensiv mit dem Thema beschäftigen. Wir haben sie um eine Liste der dringlichsten Maßnahmen gebeten. Die Antworten:
Prof. Dr. Frank A. Ewert, Direktor, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Müncheberg
1. Entwicklung neuer Pflanzenschutzmittel
Die Umweltschädlichkeit von vielen der aktuell eingesetzten Pestizide ist bekannt. Ganz ohne Pflanzenschutzmittel geht es aber nicht. Neben einer generellen Reduktion gilt es daher weiterhin in die Entwicklung nützlingsschonender Einsatzstoffe zu investieren. Auch in der Züchtung sehe ich noch Potenziale, Ackerkulturen gegen Pathogene und Schädlinge resistenter zu machen.
2. Mehr Landschaftselemente wie Hecken und Blühstreifen
Unsere Forschung zeigt, dass Bestäuber wie Hummeln oder Honigbienen unterschiedliche Ansprüche an ihre Umgebung haben. Die eine Lösung für alle gibt es nicht. Um möglichst viele Arten zu schützen, müssen wir daher eine hohe Vielfalt an Lebensräumen im Einklang mit der Landwirtschaft gewährleisten.
3. Diversifizierung von Fruchtfolgen
Monokulturen auf großer Fläche und dichte Pflanzenbestände aufgrund starker Düngung – da bleibt kaum Platz für Ackerwildkräuter und andere Blühpflanzen. Nach der Ernte bleibt auf den Feldern nichts für die Bestäuber übrig und es entstehen teils wochenlange Nahrungslücken. Vielfältige Fruchtfolgen, Mischkulturen und die Nutzung von Zwischenfrüchten bieten das ganze Jahr über Nahrung für Blütenbesucher.
4. Honorierung ökologischer Leistungen
In der Landwirtschaft ist man sich der Bedeutung der Bestäuber sehr wohl bewusst, fast jede Schutzmaßnahme geht aber mit Ertragseinbußen einher. Ausgleichszahlungen sind an sehr strenge Richtlinien gekoppelt und mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden, was Betriebe abschrecken kann. Flexiblere Anreizsysteme, die dennoch positive Leistungen gezielt honorieren, können hier für Besserung sorgen.
5. Stärkere Förderung des ökologischen Landbaus
Die Liste der Bedrohungen für Insekten durch eine intensivierte Landwirtschaft ist lang, im Einzelnen jedoch schwer zu quantifizieren. Der Ökolandbau kann gleich in mehrfacher Hinsicht ihre Nahrungs- und Lebensgrundlage verbessern.
Prof. Dr. Anke Jentsch, Universität Bayreuth, Zentrum für Ökologie und Umweltforschung und Thomas Pickel, Geoökologie-Student und Vorstand Summer in der City e.V.
1. Reform der Agrarpolitik
Von intensiver zu extensiver Bewirtschaftung des Grünlands: Der Nährstoffeintrag auf Wiesen durch Düngung muss stark eingeschränkt werden und Mahden sollen nach dem 1. Juli nur zweimal erfolgen. Gemäß dem Leitgedanken „das Zehnt der Natur“ sollen Landwirte dafür kompensiert werden, zehn Prozent ihrer Fläche als dauerhafte Blühstreifen, Brachland oder Gebüschsäume zu erhalten. Die Schäden durch die Flurbereinigung müssen rückgängig gemacht werden. Eine stärkere Förderung kleinbäuerlicher Betriebe begünstigt solche heterogenen Landschaftsstrukturen.
2. Waldreform
Artenreiche Mischwälder mit Altbäumen und Totholz. Da über 30 Prozent der Fläche Deutschlands mit Wald bedeckt ist, kann hier durch nachhaltige Waldbewirtschaftung ein besonders großer Einfluss auf Biodiversität genommen werden. Monokulturen müssen der Vergangenheit angehören. Ein gesicherter Totholzanteil, ein vor dem Fällen geschützter Altbaumbestand und das Liegenlassen von Windwurfbäumen muss gesetzlich geregelt oder stärker gefördert werden.
3. Monitoring und Experimente
Um weitere verlässliche Aussagen bezüglich des Insektensterbens treffen zu können, ist es die Etablierung eines dauerhaften Monitoringnetzwerks erforderlich. Die zeitliche und geographische Entwicklung der Insektenbiodiversität kann in Verknüpfung mit Umweltvariablen Aufschluss über Gründe des Arten- und Biomasserückgangs geben. Zudem sollte durch Experimente der Einfluss anthropogener Schadstoffe auf die vom Rückgang betroffenen Arten geklärt werden.
4. Privatgärten
Vom eintönigen Rasen zum vielfältigen Naturgarten Gärten sind oft struktur- und artenarm. Mit Werbekampagnen und politischen Stellungnahmen sollte die Neuanlage wertvoller Naturgärten gefördert werden. Dazu müssen Informationen zur Schaffung von naturnahen Kleinlebensräumen bereitgestellt werden und heimische Wildblumen leicht erhältlich sein. Darüber hinaus soll ausschließlich regionales Saatgut gefördert und ausgebracht werden.
5. Naturerlebnis in Kommunen und Städte
Kommunen- und stadteigene Flächen sollen mindestens zu zehn Prozent aus extensivem Grünland, Auen mit Totholzbeständen, Brachflächen, Naturwälder oder Magerrasen bestehen. Solche Standorte sind gleichzeitig Flächen hoher Biodiversität und wertvolle Naherholungsgebiete. Das Erleben dieses Artenreichtums ist essentiell, um den Wert von Biodiversität zu vermitteln. Zusätzlich sollten Kommunen, Städte und Länder Wettbewerbe zu naturnaher Flächengestaltung ausrufen.
Prof. Dr. Klaus Schmieder, Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie, Universität Hohenheim
Die drei wesentlichen Probleme für die Artenvielfalt – auch die der Insekten – in der Kulturlandschaft sind seit 50 Jahren bekannt:
Eutrophierung: Auf jedem Hektar Ackerfläche werden in Deutschland jährlich rund 100 Kilogramm Stickstoff mehr ausgebracht als über die Ernte entnommen werden. Dadurch wurde seit dem Zweiten Weltkrieg ein Überschuss rund vier Tonnen Stickstoff pro Hektar abgelagert. Dieser belastet Böden, Grundwasser, Oberflächenwasser und Luft und damit benachbarte Lebensräume. Pflanzenarten, die an nährstoffarme Bedingungen angepasst sind und auf die wiederum viele Insektenarten angewiesen sind, wurde und wird dadurch der Lebensraum genommen.
Nivellierung der Kulturlandschaft: Die Vielfalt der traditionellen Kulturlandschaft wurde durch die Industrialisierung der Landwirtschaft vereinheitlicht. Das betrifft räumliche Vielfalt (Größe der Schläge, Randliniendichte, Kleinstrukturen), Vielfalt der Standorte (Feuchte-, Nährstoff- und Lichtgradienten) und zeitliche Vielfalt (Vielzahl der Akteure und zeitliche Staffelung der Kulturmaßnahmen). Ackerwildkrautgesellschaften und artenreiches Grünland sind selten geworden und akut durch laterale Einträge, Bebauung und Intensivierung bedroht. Das hat Lebensräume, Nisthabitate, Kontinuität des Blühangebots und Ausweichmöglichkeiten für Insekten stark eingeschränkt.
Chemische Bekämpfung von Insekten und Blühpflanzen: Hierdurch werden nicht nur direkt Unkräuter und Schädlinge bekämpft. Sie treffen auch Nutzinsekten und deren Nahrungspflanzen.
Durch diese Folgen der industrialisierten Landwirtschaft ist das Blühangebot für bestäubende Insekten extrem eingeschränkt. Massentrachten, wie Löwenzahn im Intensivgrünland und Raps auf Äckern, sind nur auf wenige Wochen im Frühjahr beschränkt. Für bestäubende Insekten beginnt unmittelbar danach die Hungersnot. Auch Kulturbienen werden deshalb bereits Ende Juli eingewintert.
Daraus ergeben sich folgende 5 Maßnahmen:
1. Reduktion des Stickstoffüberschusses/Eutrophierung durch massive Steuererhebung auf synthetische Dünger, vor allem auf Stickstoff sowie auf synthetische Pestizide.
2. Jeder Bauernhof sollte stickstoffneutral sein. Dazu sollten Stoffbilanzen eingeführt und auch kontrolliert werden.
3. Auf landwirtschaftliche Maschinen sollte es eine massive Steuer geben, die sich nach der Leistung richtet.
4. Die biologische Landwirtschaft und die Agrarökologie sollten massiv gefördert werden.
5. Gesetzliche Festlegung von mindestens 20% extensiv bewirtschafteten, artenreichen Flächen auf Betriebsebene als Voraussetzung jeglicher landwirtschaftlicher Förderung.
Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein, Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie, Universität Freiburg
1. Ein flächendeckender Biotopverbund
In der Agrar- und Kulturlandschaft sowie in Städten und Dörfern sollten dauerhafte, vielfältige Strukturen für den Biotopverbund mit Hecken und blühenden, heimischen Pflanzen gefördert werden, die keinen Pestiziden und Düngungen ausgesetzt werden dürfen. In Städten und Dörfern sollten zusätzlich Dach- und Fassadenbegrünung gefördert werden und weitere vielfältige Strukturen für die Abgrenzung von Grundstücken z.B. Trockenmauern. Für Bauvorhaben muss ein echter Ausgleich geschaffen werden.
2. Insektenfreundliche Landwirtschaft
Förderung von Vielfalt auf den Äckern mit mehr Fruchtfolgen, Polykulturen und Untersaaten. Verbot von Pestizidbehandlungen und Mulchen am Tage, wenn Insekten aktiv sind. Kein Präventiveinsatz von Pflanzenschutzmitteln, Wurmmitteln und Antibiotika in der Tierhaltung. Einschränkungen in der Menge von Pflanzenschutzmitteln und Strafen, wenn Mengen überschritten werden. Große Wiesen und Weiden sollten sukzessive gemäht oder beweidet werden, damit immer Ressourcen für die Insekten zur Verfügung stehen.
3. Anreize für nachhaltigen Konsum
Anreize und gegebenenfalls Verbote, um das Wegwerfen von Lebensmitteln zu reduzieren. Lebensmittel wie Fleisch müssen teurer werden. Es braucht Belohnungen für Menschen, die ohne Auto zum Arbeitsplatz fahren sowie Belohnungen für die Reduzierung von Licht und Plastik- und Elektronikmüll.
4. Bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln
Es braucht eine bessere Kennzeichnung, wie Lebensmittel produziert werden. Das Label Bio/Öko ist zu einfach und bietet dem Verbraucher zu wenig Informationen.
5. Monitoring von Pestiziden – und von Insekten
Es braucht eine viel intensivere Datenerhebung zu landwirtschaftlichen und gärtnerischen Praktiken (inklusive Datum, Menge, Art und Weise der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln), um eine gute Datengrundlage zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf der Fläche zu bekommen. Zudem braucht es ein standardisiertes Monitoring von Insekten in Deutschland und der EU und eine bessere Ausbildung in der Taxonomie, also der Artkenntnis.
Prof. Robert Paxton, Leiter der AG Allgemeine Zoologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
1. Ökologische Intensivierung
Die Bauernhöfe brauchen eine ökologische Intensivierung. Das bedeutet, dass all das gestärkt wird, was zum Beispiel biologisches Schädlingsmanagement, Nährstoffkreisläufe und Bestäuberleistungen sichert und ausbaut. Es braucht Forschung und Lösungen, wie eine solche Strategie auch die Profitabilität der Höfe stärkt.
2. Vielfalt in der Landschaft erhöhen
Es gibt zahlreiche Ansätze, um die Vielfalt in unserer Landschaft wieder zu erhöhen: Fruchtfolge mit Blütenpflanzen; Agroforstwirtschaft, bei der Bäume auf Äckern angepflanzt werden; Biotopschutz für Wildpflanzen; naturnahe Gärten. All das wird auch die Vielfalt der Insekten wieder vergrößern.
3. Ökologische Infrastruktur
Diese Infrastruktur besteht aus kleinen bis mittelgroßen Habitaten von weniger als zehn Hektar Größe, die in regelmäßigen Abständen engmaschig über die Landschaft verteilt sind. Der Ansatz ist für Land und Stadt gleichermaßen geeignet. Diese Flächen können durch lineare Elemente wie Straßenböschungen, Bahndämme und Flächen unter Stromleitungen verbunden werden – vorausgesetzt, diese werden insektenfreundlich bewirtschaftet.
4. Ein Appell an Verbraucher: Weniger Fleisch essen, um Wildbienen zu retten
Der beste und direkteste Weg dazu beizutragen, dass es in unserer Landschaft wieder mehr Vielfalt etwa an Wildblumen, Insekten und Vögeln gibt, besteht darin, weniger Fleisch zu essen. Riesige Flächen sind nötig, um ausreichend Tierfutter für die Massenproduktion von Fleisch zu erzeugen. Bei einem geringerem Fleischkonsum würden wir viel weniger Land benötigen, um unsere Nahrung herzustellen. Weniger Fleisch zu essen wäre zum einen gesund. Zum anderen würde es der Biodiversität, vor allem den Wildbienen, massiv helfen.
Prof. Dr. Wolfgang Wägele, Direktor des Zoologischen Forschungsmuseums König und Professor für Spezielle Zoologie an der Universität Bonn
1. Schädliche Wirkstoff verbieten
Verbot von Pestiziden und Applikationsverfahren, die Fauna und Flora jenseits der Äcker nachweislich schädigen, sowie Verbot für Substanzen, deren Schadwirkung im Rahmen der geplanten Anwendung an Arten außerhalb landwirtschaftlicher Flächen nicht untersucht worden ist. Bei Zulassungsverfahren müssen die Effekte in der Landschaft berücksichtigt werden.
2. Unser Wissen über die Landschaft verbessern
Es muss bundesweit erfasst und kontrolliert werden, wie sich die Landnutzung verändert. Die Daten sollten der Forschung frei zur Verfügung stehen. Dazu gehören regional genaue Angaben über Grünlandumbruch, Bestand an Hecken und Feuchtgebieten, Angaben über Gülleausbringung und Renaturierungsmaßnahmen.
3. Wirkung von Ausgleichsmaßnahmen beweisen
Es ist nötig, die Wirkung von Ausgleichsmaßnahmen (wie die Anlage von Blühstreifen) in Hinblick auf den Nutzen für landschaftstypische Insekten und andere Arten wissenschaftliche zu überprüfen. Das reine Angebot von Pollen und Nektar reicht nicht aus, Raupen benötigen ebenfalls Futter, und Entwicklungsstadien von Insekten brauchen geeignete Verstecke zum Überwintern. Daraus müssen Empfehlungen für das Management von Ausgleichsflächen erstellt werden.
4. Über Bienen und ihre Biotope aufklären
Viele Menschen kennen den Unterschied zwischen blütenreiche Magerrasen und gelben Löwenzahnwiesen nicht. Es braucht deshalb Aufklärungskampagnen von Bundesumweltministerium und Landesministerien, mit Empfehlungen für Grundstücksbesitzer etwa zur insektenfreundlichen Gartengestaltung.
5. Wissenschaftliches Monitoring der Artenvielfalt
Forschung und Behörden haben wenig Beiträge zur Aufdeckung der negativen Trends und zur Aufklärung von Ursachen des Insektenschwunds geleistet. Überzeugende Analysen erfordern Langzeitdaten wie in der Klimaforschung, Daten, die für ökologische Forschung und Naturschutz wichtig sind. Dazu muss die Bundesregierung unabhängige, methodisch gut gerüstete Forschungsinstitute aufbauen.
Dr. Lars Krogmann, Entomologe und Kurator für Hymenoptera, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart
1. Agrarwende
Die meisten der vielschichtigen Ursachen des Insektensterbens lassen sich direkt auf die Intensivierung der Landwirtschaft zurückführen. Langfristig muss der Flächenanteil des ökologischen Landbaus auf mindestens fünfzig Prozent steigen. Zurzeit liegt der Anteil bei nur 7,5 Prozent. Das mittelfristige Ziel der Bundesregierung, 2030 auf einen Anteil von 20 Prozent zu kommen, ist anerkennenswert, kann aber ohne eine radikale Abkehr von der bisherigen Agrarpolitik nicht erreicht werden.
2. Taxonomie-Offensive
Kenntnisse über Insektenarten und ihre ökologische Funktion in den Lebensräumen werden in Deutschland kaum noch an Schulen und Universitäten vermittelt. Eine Taxonomie-Initiative zur Förderung der biologischen Grundlagenforschung würde dies beheben. Neue Dauerstellen an Naturkundemuseen und Universitäten zur Erforschung und Dokumentation der Artenvielfalt würden zudem Daten für den angewandten Naturschutz liefern.
3. Langzeit-Monitoring
Ein langfristiges Biodiversitäts-Monitoring muss Hoheitsaufgabe der Bundesländer werden und als Grundlage für zukünftige Naturschutzmaßnahmen dienen. Standardmonitoring mit einzelnen Indikatorgruppen, wie zum Beispiel Tagfaltern, sollte ergänzt werden durch die Erfassung unterschiedlicher ökologischer Gruppen (z.B. Insekten als Bestäuber, Gegenspieler und Nahrung). Naturkundliche Sammlungen müssen personell verstärkt werden, um für die Präparation und langfristige Dokumentation der anfallenden Belegexemplare gerüstet zu sein.
4. Strukturvielfalt in der Landschaft
Zur Erhöhung der Strukturvielfalt in der Landschaft sollten Blühstreifen und Wildbienenweiden mit regionalem Saatgut, Hecken und Brachflächen gefördert werden. So könnten auch Naturschutzgebiete besser vernetzt werden. Kleine landwirtschaftliche Betriebe mit kleineren Anbauflächen sollten stärker als große gefördert werden.
5. Keine Förderung von Honigbienen als vermeintlichen Insektenschutz
Die Politik hat die positive Öffentlichkeitswirkung von Honigbienen erkannt und trägt zur Vermischung der Diskussion von Honigbienen- und Wildbienenschutz bei. Die Honigbiene ist ein landwirtschaftliches Nutztier und der aktuelle Trend zur Hobbyimkerei (vor allem in Städten) verschärft die Konkurrenz von Honigbienen und Wildbestäubern um das begrenzte Blütenangebot. Die Anzahl von Honigbienenvölkern sollte nicht weiter gesteigert, sondern je nach Lebensraumtyp und Blütenangebot auf eine ökologisch vertretbare Höchstzahl reduziert werden.
Prof. Dr. Josef Settele, Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig; Co-Chair des Globalen Assessments des Weltbiodiversitätsrates IPBES, Professor für Ökologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
1. Miteinander sprechen statt nur übereinander
Ich bin dafür, alle relevanten Akteure an der Findung von Lösungen zu beteiligen und vor allem Landwirte nicht pauschal zu verurteilen.
2. Genutzte Natur schützen
Es gilt, den Verlust seltener Lebensräume wie Halbtrockenrasen zu stoppen. In unserer Kulturlandschaft sind solche Lebensräume von Nutzung abhängig, wie Halbtrockenrasen durch Weide oder Mahd. Der Hauptgrund für den Verlust an Arten ist hier zu suchen. Im Grünland sollte seltener gemäht werden, das würde dazu beitragen, die Biomasse an Insekten wieder zu erhöhen.
3. Produzieren in strukturreichen Landschaften
Wir sollten strukturreiche Landschaften bewahren oder wiederherstellen. Das dient den Insekten, aber hilft mitunter auch beim Schutz vor Wind- und Wassererosion. Wichtig ist, dabei an der Produktionsfunktion der landwirtschaftlichen Flächen festzuhalten. Verstärkt Nahrungsmittel zu importieren kann keine Lösung sein – denn das exportiert das Problem mitunter nur in oft noch sensiblere Regionen.
4. Keine künstlichen Widersprüche verstärken
Für den Schutz der Insekten wie der Biodiversität insgesamt muß „an allen Fronten“ gearbeitet werden und es darf beispielsweise nicht Klimawandel gegen Landnutzungswandel ausgespielt werden.
5. Auf den Weltbiodiversitätsrat hören
Der Weltbiodiversitätsrat liefert zahlreiche konkrete Empfehlungen zum Schutz von Biodiversität und speziell auch Bestäubern. Deutschland, das die Empfehlungen mit verabschiedet hat, muss ihne nur noch folgen.