Folgen der Klimakrise: „Deutschland drohen im Jahr 2100 etwa 6 Grad Erwärmung“

Seit Jahren warnt der Weltklimarat IPCC eindringlich vor den unumkehrbaren Folgen der Klimakrise. Am kommenden Montag veröffentlicht das Gremium seine neuesten Prognosen. Professor Stefan Rahmstorf spricht im Interview mit RiffReporter darüber, wie die Welt bei einer vorhergesagten Erwärmung von etwa 3 Grad aussehen wird, warum in Deutschland sogar 6 Grad drohen und was ihm dennoch Hoffnung macht. Der Klimaforscher gehörte zu den Leitautoren des 2007 veröffentlichen Vierten Sachstandberichtes und gilt als einer der führenden Klimaforscher weltweit.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
6 Minuten
Professor Stefan Rahmstorf steht vor einem Bücherschrank. Er ist Klima- und Meeresforscher und leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Knapp drei Viertel der Deutschen glauben laut einer aktuellen Umfrage nicht, dass die Welt es in den nächsten Jahrzehnten schaffen wird, den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen. Teilen Sie diese Meinung?

Prof. Stefan Rahmstorf: Die Menschen sehen, dass die Politik bislang dem Klimawandel nicht wirksam entgegentritt. Das entscheidende Maß dafür sind die weltweiten Treibhausgase, insbesondere die CO2–Emissionen. Und die steigen bekanntlich immer weiter. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat gerade erst vermeldet, dass 2022 die weltweiten Subventionen für den Verbrauch fossiler Brennstoffe auf über 1 Billion US-Dollar angestiegen sind. Das zeigt, dass wir den Klimawandel finanzieren – und nicht etwa bekämpfen.

Wird aus Ihrer Sicht denn ansonsten genug getan, um die Klimakrise aufzuhalten?

In der Tat bewegt sich schon einiges. Ich bin da nicht vollkommen pessimistisch. Vor zehn Jahren, also vor dem Pariser Abkommen, hat die Wissenschaft auf Grundlage der damaligen Klimapolitik noch mit einer Erwärmung von etwa 4 Grad bis 2100 gerechnet. Inzwischen steuern wir mit der jetzigen Klimapolitik auf einen 2,7-Grad-Kurs.

Laut Weltklimarat hat sich die Erde bereits seit dem vorindustriellen Zeitalter um 1,1 Grad erwärmt. Wie sieht unsere Welt mit 3 Grad globaler Erwärmung aus?

Mit 3 Grad Erwärmung werden wir sehr weit aus der natürlichen Schwankungsbreite der letzten 100.000 Jahre hinauskatapultiert. Wir haben das Klima des Nacheiszeitalters Holozän, also die recht stabilen letzten 10.000 Jahre, inzwischen verlassen. Das bedeutet, dass die Ökosysteme sich weltweit zunehmend nicht mehr an das immer ungewohntere Klima anpassen können. Wir Menschen werden immer häufiger nie Dagewesenes, neue Extremwetter und weitere Veränderungen erleben.

Was bedeuten diese 3 Grad im globalen Mittel für Deutschland?

Wenn wir global tatsächlich bei 3 Grad landen werden, drohen Deutschland etwa 6 Grad Erwärmung.

Wenn wir global tatsächlich bei 3 Grad landen werden, drohen Deutschland etwa 6 Grad Erwärmung.

Stefan Rahmstorf, Klimaforscher

Woran liegt das?

Deutschland ist ein Landgebiet. Und Landgebiete erwärmen sich etwa doppelt so rasch wie der globale Mittelwert, der zu 70 Prozent aus Meerestemperaturen gebildet wird. Hierzulande ist in der Vergangenheit die Temperatur daher etwa doppelt so stark gestiegen wie im globalen Mittelwert von 1,1 Grad. Wir sind in Deutschland inzwischen bei rund 2,3 Grad Erwärmung angelangt.

Sie sind schon 30 Jahre aktiv in der Klimafolgenforschung. Ist das Thema mittlerweile in der Öffentlichkeit angekommen?

Man kann schon beobachten, dass die Leute heute den Klimawandel ernster nehmen als früher. Dass die Menschen gerade aufgrund der vielen Extremwetterereignisse zunehmend verstehen, dass wir da ein dringendes Problem haben. Wobei ich das, ehrlich gesagt, auch schon nach der Elbe-Flut 2002 und dem Hitze-Rekordjahr 2003 mit europaweit etwa 70.000 Hitze-Toten dachte.