Klima-Kolumne: Warum wir uns endlich vom CO2-Fußabdruck verabschieden sollten
Der Fußabdruck zeigt die eigene CO2-Bilanz auf und erzeugt vor allem eines: Frust. Warum wir mehr auf positive Handlungen setzen sollten und was der ökologische Handabdruck damit zu tun hat: die Klima-Kolumne.
Wie viel klimaschädliche Emissionen verursacht der eigene Lebensstil? Der Blick auf den eigenen CO2-Fußabdruck kann schnell frustrieren – das habe ich selbst erlebt. Nach längerer Zeit habe ich meine persönliche CO2-Bilanz mal wieder auf einer Seite des WWF berechnet – und es direkt bereut. Eigentlich hatte ich ein klimafreundliches Bild von mir: Ich bin Vegetarierin, lebe in einer gut gedämmten Wohnung und besitze kein Auto. Die Hälfte meiner Möbel stammen von meinen verstorbenen Großeltern, mein nicht gerade verlässlicher Dienstwagen ist die U7 in Berlin.
Und dann dieses Ergebnis: 9, 4 Tonnen CO2 pro Jahr. Wenn alle Menschen weltweit meinen CO2-Fußabdruck hätten, bräuchten wir nach Angaben des WWF-Rechners rund 2, 25 Planeten. Na toll, damit hätte ich nicht gerechnet! Zwar liege ich mit meinem Ergebnis besser als der Durchschnitt in Deutschland – der beträgt laut WWF 12, 37 Tonnen CO2 pro Person im Jahr – aber natürlich ist der Wert viel zu hoch.
CO2-Bilanz und das schlechte Gewissen
Bin ich also doch nicht so umweltbewusst? Vor meinem inneren Auge steigen Bilder auf von dem in Plastik verpackten Suppengemüse, das ich letztens im Supermarkt gekauft habe, von der Flugreise nach Vilnius vergangenes Jahr, weil ich dort zwei Monate gearbeitet habe, und von der Jeans, die ich mir der Bequemlichkeit halber online bestellt habe. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen.
Genau das soll der Rechner auch bewirken. Der Ölkonzern BP hat den ersten CO2-Fußabdruck-Rechner im Jahr 2004 als Marketingaktion eingeführt – mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit von der verheerenden CO2-Bilanz der Ölkonzerne auf uns Individuen zu lenken, uns die Verantwortung für die Klimakrise zuzuschieben, um die eigene Mitschuld daran zu verschleiern. Das zeigen verschiedene Recherchen. Wenn ich mir meine Reaktion auf das Ergebnis meiner CO2-Bilanz ansehe, würde ich sagen: Ziel erreicht!
Deutschland stößt zu viel CO2 aus
Die Frage ist nur: Was ist damit für das Klima gewonnen? Klar, unser Lebensstil, unser Konsumverhalten ist mitverantwortlich für die Erderwärmung. Wobei mit „uns“ vor allem die Bewohner:innen westlicher Industrienationen gemeint sind. Aber in dieser Verallgemeinerung liegt schon das Problem. Denn richtig ist auch: Bereits der Umstand, dass ich in Deutschland lebe, in einer hochindustrialisierten von fossilen Brennstoffen abhängigen Gesellschaft, hebt meinen CO2-Fußabdruck auf ein hohes Niveau. Allein durch die Infrastruktur, wie Straßen, Schulen, Verwaltung, entfallen automatisch auf jeden Menschen rund eine Tonne CO2 im Jahr. Einfluss habe ich darauf kaum.
Jetzt frustriert „Alles egal!“ zu schreien und mit dem Finger auf BP zu zeigen, ist natürlich auch keine Lösung. Was aber könnten wir stattdessen besser machen?
Handabdruck statt Fußabdruck
Eines ist klar: Der CO2-Fußabdruck hilft uns nicht weiter. Weil er Frust erzeugt, aber eben nicht zu klimawirksamem Handeln anregt. Das haben Wissenschaftler:innen aus Indien erkannt – und ein starkes Gegenkonzept entwickelt: den ökologischen Handabdruck. Dieser zeigt, welchen positiven Einfluss unser tägliches Verhalten für eine nachhaltige Entwicklung hat. Je mehr wir in unserer Umgebung bewegen, desto größer ist unser Handabdruck. Das soll uns motivieren.
Wir können unseren Handabdruck zum Beispiel verbessern, indem wir eine Tauschbörse in unserem Wohnviertel gründen, eine Biotonne für die Hausgemeinschaft aufstellen, mehr recyceln, Lebensmittel retten, Fahrgemeinschaften bilden oder indem wir uns dafür einsetzen, dass die Firmenkantine mehr saisonale Gerichte anbietet. Auch politisches Engagement zählt: ein Volksbegehren unterschreiben, auf eine Klimademo gehen. Mit all diesen Handlungen beeinflussen wir automatisch auch andere Menschen und können sogar festgefahrene Strukturen verändern. Wenn das nicht vielversprechend ist!
Allerdings ist es gar nicht so leicht, den ökologischen Handabdruck zu messen. Mithilfe eines Tests von Brot für die Welt und Germanwatch kann man immerhin herausfinden, welche konkreten Veränderungen man in seiner jeweiligen Umgebung am ehesten bewirken kann. Ich habe das direkt selbst ausprobiert. Mir wurde empfohlen, dass ich mich in meiner Stadt für einen attraktiven Nahverkehr einsetzen könnte – mit Handlungsplan inklusive. Ein guter erster Schritt – mit Luft nach oben. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich daraus mehr entwickeln wird. Und bis dahin werde ich vor allem eines definitiv sein lassen: meinen CO2-Fußabdruck berechnen.