Deutschland will Schutz für 30 Prozent der Erde

Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündet am Montag den Beitritt zur "High Ambition Coalition for Nature and People"

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
4 Minuten
Bundeskanzlerin Angela Merkel hinter einem Rednerpult. Im Hintergrund grüne Pflanzen.

Deutschland schließt sich der High-Ambition-Coalition for Nature and People“ (HAC) an und fordert, im Kampf gegen das Artensterben 30 Prozent der Erde unter Schutz zu stellen. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums bestätigte entsprechende Informationen der RiffReporter am Freitag auf Anfrage.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird den Beitritt Deutschlands zu der Staatengruppe in der kommenden Woche beim von Frankreich initiierten virtuellen Gipfeltreffen One-Planet Summit bekanntgeben.

Die HAC ist eine von Frankreich und Costa Rica ins Leben gerufene zwischenstaatliche „Koalition der Willigen“ für ambitionierten weltweiten Naturschutz. Ziel ist es, beim Gipfeltreffen der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) im Herbst zu erreichen, dass künftig jeweils 30 Prozent der gesamten Land- und Meeresfläche der Erde unter Schutz gestellt werden. Damit soll das Artensterben bekämpft und die Natur weltweit bis 2030 auf einen Pfad der Erholung gebracht werden.

Sprecher: „Einigkeit, dass Deutschland der Koalition beitreten wird“

Der Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte auf Anfrage, das Ministerium habe auf Bitten des Bundeskanzleramts im Vorfeld des One Planet Summit innerhalb der Bundesregierung den Beitritt zu der zwischenstaatlichen Initiative vorbereitet. „Im Ressortkreis besteht Einigkeit, dass Deutschland der Koalition beitreten wird“, sagte der Sprecher.

International seien mehr politische Initiative und eine stärkere Mobilisierung von Finanzmitteln für den Schutz der natürlichen Vielfalt, des Klimaschutzes und der Pandemievorsorge notwendig.

Deutschland hatte sich bereits am Rande des UN-Naturschutzgipfels im vergangenen Herbst im Rahmen einer von mehr als 70 Staaten unterzeichneten „Zusage an die Natur“ – dem Leaders Pledge for Nature – zu mehr Anstrengungen für die biologische Vielfalt verpflichtet. „Der Beitritt zur High Ambition Coalition ist somit ein konsequenter Schritt“, erklärte der Sprecher des Umweltministeriums am Freitag. Direkte zusätzliche finanzielle Verpflichtungen würden damit nicht eingegangen.

Schub für Weltbiodiversitätskonferenz ?

Der Beitritt Deutschlands zur HAC könnte dem Vorhaben zur Unterschutzstellung von 30 Prozent der Erde neuen Schub verleihen. Allerdings ist bislang noch nicht definiert, was genau als Schutzgebiet gelten soll. Strikte Vorgaben hier werden entscheidend für einen Erfolg der Initiative sein.

Die in der Koalition zusammengeschlossenen Staaten wollen neben ambitionierten Naturschutzzielen bei der Weltbiodiversitätskonferenz (CBD-COP15) im chinesischen Kunming auch für eine gerechtere Verteilung der wirtschaftlichen Vorteile eintreten, die die Nutzung der biologischen Vielfalt und ein stabiles Klima für Menschen mit sich bringen. Um dies zu erreichen setzt sich die Koalition für ein effektives Management von Schutzgebieten und eine verstärkte öffentliche und private Finanzierung ein, um eine langfristig nachhaltige Nutzung mit lokaler Selbstbestimmung zu erreichen.

Um zu vermeiden, dass die selbstgesteckten Ziele der Staatengemeinschaft wie bei Vorgänger-Gipfeln verfehlt werden, dringen die Mitglieder der Koalition in den gegenwärtig laufenden Verhandlungen über langfristige Ziele für den Weltbiodiversitätsgipfel auf klare Regeln und Ziele für die Umsetzung.

Ihre zuletzt vor mehr als zehn Jahren vereinbarten Ziele für die weltweite Bewahrung von Natur und Ökosystemen hatte die Weltgemeinschaft nach einer vor kurzem veröffentlichten Analyse der Vereinten Nationen komplett verfehlt. Kein einziges dieser nach dem Verhandlungsort des Gipfels als „Aichi-Ziele“ bezeichneten Vorgaben wurde erreicht.

Beim für den Herbst geplanten Weltbiodiversitätskonferenz sollen Nachfolgeziele beschlossen werden. Die Konferenz hätte eigentlich im vergangenen Herbst stattfinden sollen, war aber wie der „Schwestergipfel“ zum weltweiten Klimaschutz wegen der Corona-Pandemie verschoben worden.

Indigene Gruppen, denen weltweit 400 Millionen Menschen angehören, verlangen dabei mehr Mitsprache.

In Deutschland weniger als ein Prozent der Fläche Nationalparks

Die EU-Kommission hat in ihrer Biodiversitätsstrategie für die europäischen Staaten ebenfalls ein 30-Prozent-Ziel vorgesehen. Dieser Prozentsatz soll gemeinsam erbracht werden, das heißt, dass nicht zwingend in jedem Land genau diese Fläche unter Schutz gestellt werden muss.

EU-weit und auch in Deutschland muss noch definiert werden, welches Schutzniveau darunter gefasst wird. So haben etwa Landschaftsschutzgebiete einen wesentlich geringeren ökologischen Wert als strikt geschützte Nationalparks.

Dazu sagte der Ministeriumssprecher, es sei unstrittig, „dass auch eine nachhaltige Naturnutzung für den Erhalt der Biologischen Vielfalt in Deutschland eine wichtige Rolle spielt.“ Wie viel Fläche bereits derzeit in Deutschland geschützt ist, hängt von der zugrundegelegten Definition ab. Rund sechs Prozent der Landesfläche sind beispielsweise Naturschutzgebiete. Der Anteil der Nationalparke liegt unter einem Prozent.

Zu den Mitgliedern der HAC zählen bislang rund 30 Staaten. Auch die EU-Kommission ist beigetreten. Innerhalb Europas sind außer Frankreich und Großbritannien bislang nur kleine Länder dabei, darunter Belgien, Luxemburg und die Niederlande.

Im Projekt „Countdown Natur“ berichten wir mit Blick auf den UN-Naturschutzgipfel über die Gefahren für die biologische Vielfalt und Lösungen zu ihrem Schutz. Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden von der Hering Stiftung Natur und Mensch gefördert. Sie können weitere Recherchen mit einem Abonnement unterstützen.

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