Der Phosphorkreislauf – und wie er zur Sackgasse wird
Phosphor wandert in großen geologischen Zyklen um die Erde. Doch auch menschliche Aktivitäten spielen eine wichtige Rolle.
Ohne Phosphor kann niemand leben. Kein Tier, keine Pflanze, niemand auf der Erde und nichts. Phosphor bewegt sich auf der Erde in einem natürlichen Kreislauf. Die Menschen greifen in diesen Kreislauf ein, indem sie Phosphat abbauen und unter anderem als Düngemittel in der Landwirtschaft einsetzen. Der Phosphor gelangt so in unsere Nahrung und über unsere Ausscheidungen in die Kläranlagen.
Bisher wird ein großer Teil des Klärschlamms verbrannt und der Phosphor darin geht verloren – eine Sackgasse. Neue Gesetze sollen nun dafür sorgen, dass in Deutschland der Phosphor künftig aus Klärschlamm oder Klärschlammasche zurückgewonnen und erneut für die Landwirtschaft oder andere Zwecke genutzt wird.
Ein gutes Pfund Phosphor hat ein gesunder Erwachsener zu jedem Zeitpunkt im Körper (allerdings nicht in elementarer Form, sondern meist gebunden als Phosphat). Das klingt nach nicht viel. Doch dieser Phosphor sitzt an allen Schlüsselstellen des Lebens. In jeder Zelle als Energieträger ATP – kein Atemzug, kein Herzschlag, kein Gedanke ohne Phosphor. Im Erbgut – zusammen mit Zucker hält Phosphor die DNA zusammen. In Knochen und Zähnen – ohne Phosphor wären sie weich und nutzlos.
Für Pflanzen gilt das Gleiche. Sie haben zwar keine Knochen oder Zähne, aber auch sie können ohne Phosphor nicht atmen und nicht wachsen. Bei schwerem Mangel werden die Blätter lila, die Pflanze verkümmert, die Ernte ist hin. Jeder Bauer weiß das. Pflanzen ziehen sich den Phosphor aus dem Boden, meist mit Hilfe von Mikroorganismen wie Pilzen und Bakterien. Wenn die Pflanzen absterben, gelangt der Phosphor zurück in den Boden. Auch wenn Tiere die Pflanzen fressen kommt der Phosphor auf dem Umweg durch das Tier wieder in den Boden zurück. Langfristig wird jedoch ein Teil des Phosphors durch Erosion mit Wind und Wasser aus dem Boden in Flüsse und Seen und von dort weiter ins Meer getragen. Dort wird er von Wasserorganismen aufgenommen – auch sie können ohne Phosphor nicht leben.
Zusammen mit den Überresten von Algen und Meerestieren sinkt der Phosphor als Sediment auf den Boden, vor allem im Bereich flacher Küsten, wo der Mix aus Temperatur, Strömung und Biomasse am günstigsten für die Ablagerung ist. Und irgendwann werden einige dieser Sedimente als kompaktes Phosphatgestein wieder an die Oberfläche gehoben und der Kreislauf beginnt von neuem.
So sind etwa neunzig Prozent der heute bekannten Lagerstätten entstanden, der Rest ist meist Magmagestein und hier und da etwas Guano. Die sedimentären Lager liegen nahe der heutigen Küsten und in Regionen, in denen es zu Urzeiten flache Meere gab, in etwa zwischen den vierzigsten Breitengraden. Und sie sind alt, einige Zehnmillionen bis über 350 Millionen Jahre.
Das heißt: Phosphor wandert zwar in einem natürlichen Kreislauf, aber er tut das extrem langsam. Praktisch, auf die menschliche Lebenszeit bezogen heißt das: Phosphor ist eine endliche Ressource und nicht erneuerbar.
Ein ewiger Wechsel aus Konzentration und Verdünnung
Man kann den globalen Phosphorkreislauf auch als einen Wechsel aus Konzentration und Verdünnung sehen. Im Phosphaterz der Lagerstätten ist der Phosphor stark konzentriert. Dann verwittert das Gestein und der Phosphor verteilt sich in der Landschaft. Im natürlichen Kreislauf wird er immer weiter verdünnt und ist nicht mehr abbaubar bis er als Sediment im Ozean landet.
Die Menschen schließen diesen Kreislauf kurz indem sie einen großen Teil des Phosphors wieder aufkonzentrieren bevor er ins Meer gelangt, zunächst in der Nahrung und dann noch konzentrierter in Kot und Urin, denn einen Großteil des Phosphors, den wir aufnehmen, scheiden wir gleich wieder aus. Ein Teil wird mit dem Klärschlamm wieder aufs Feld gefahren. Das ist nicht unproblematisch, weil sich Stoffe im Boden ansammeln können, die langfristig schädlich sind. Aber zumindest gelangt so ein Teil des Phosphors wieder in den Kreislauf. Der Rest wird verbrannt, die Asche landet auf der Deponie und bleibt als Phosphorquelle ungenutzt – eine Sackgasse.
Phosphatdünger aus uralten Lagerstätten
Gleichzeitig ist die Landwirtschaft mit Abstand der größte Verbraucher von mineralischem Phosphor, vor allem als Dünger und als Zusatz im Tierfutter. Das heißt ein großer Teil des Phosphors in unserer Nahrung stammt aus den uralten Lagerstätten, die sich über Jahrmillionen aufgebaut haben und die so schnell nicht „nachwachsen“. Wir graben uns also auf der einen Seite den Phosphor ab, geben ihn aber auf der anderen Seite nicht oder nur teilweise in den Kreislauf zurück.
Historisch hat man mit Mist und Gülle, mit Knochenmehl oder Kompost gedüngt, später auch mit Guano. Aber nach dem rasanten Anstieg der landwirtschaftlichen Produktion im zwanzigsten Jahrhundert konnte die Phosphordüngung nur durch den Abbau von Apatit und anderen Phosphatgesteinen mithalten. Bis heute ist man für Phosphor auf natürliche Lagerstätten angewiesen. Und die sind endlich.
Darüber, wie lange die Phosphat-Vorräte in den Lagerstätten noch reichen werden, gehen die Prognosen weit auseinander, vor allem, weil sich die Annahmen über den künftigen Verbrauch und die Entwicklung neuartiger Abbautechnologien stark unterscheiden. In frühen Studien ging man davon aus, dass der Höhepunkt des Abbaus („peak phosphorus“) noch in diesem Jahrhundert erreicht werden würde. Inzwischen wurden die Schätzungen über die Reserven aktualisiert. Insbesondere für die Vorkommen in Marokko wurden die Zahlen deutlich nach oben korrigiert (von knapp 6 auf 50 Milliarden Tonnen Rohphosphat), so dass man im Moment davon ausgeht, dass die Reserven weltweit noch mindestens dreihundert Jahre reichen werden, möglicherweise auch länger, wenn man bisher unbekannte oder noch nicht wirtschaftliche Lager mit einbezieht.
Doch das ist kein Grund, sich zurückzulehnen. Einen Vorgeschmack darauf, welche Risiken die globalen Abhängigkeiten auf dem Weltmarkt und die geopolitische Konzentration der Reserven bergen, gab es im Jahr 2008, als der Preis für Phosphat plötzlich um 800 Prozent anstieg, von etwa 50 US$ pro Tonne auf 430 US$.
Phosphorrecycling aus Klärschlamm
Bis dahin galt das Recycling von Phosphor lange Zeit als unrentabel, in Forschung und Entwicklung wurde kaum investiert. Doch nun ist der Druck offenbar da. In vielen Teilen der Welt haben sich Forschungs- und Entwicklungsverbünde gebildet, um die nachhaltige Nutzung des unersetzlichen Nährstoffs voranzutreiben.
In Deutschland ist es die Deutsche Phosphor-Plattform, ein Zusammenschluss von Akteuren aus der Industrie, öffentlichen und privaten Organisationen und verschiedenen Forschungseinrichtungen, gegründet 2015. Auf europäischer Ebene gibt es seit 2013 die European Sustainable Phosphorus Platform, 2014 nahm die Europäische Union Phosphatgestein in ihre Liste kritischer Rohstoffe auf. Und seit Herbst 2017 ist in Deutschland die neue Klärschlammverordnung in Kraft, die unter anderem vorschreibt, dass große Kläranlagen von 2029, kleinere von 2032 an den Phosphor aus ihren Klärschlämmen zurückgewinnen müssen. Mit dem könnte man theoretisch um die vierzig Prozent des deutschen Gesamtverbrauchs an mineralischem Phosphatdünger abdecken. Vor allem für den Ökolandbau sind einige der Recyclingphosphate interessant. (Video)
Das vielfältige Engagement zeigt Wirkung. Nach jahrelangem „Dahindümpeln“ haben inzwischen die ersten Technologien zur Rückgewinnung das Labor verlassen und werden in großtechnischen Pilotanlagen umgesetzt. Doch Rückgewinnung alleine reicht nicht. Um den Kreislauf zu schließen, muss der rückgewonnene Phosphor auch aufs Feld. Und hier hapert es noch, vor allem auch an der Akzeptanz für die Recyclingprodukte. Wann genau aus dem „Abfall“ wieder ein „Rohstoff“ wird, ist oft noch sehr umstritten. Doch daran hängt am Ende nicht nur die Wirtschaftlichkeit des Phosphorrecyclings, sondern die gesamte Idee der Kreislaufwirtschaft.
Das Rechercheprojekt Phosphorama wird durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert. Die DBU nimmt keinerlei Einfluss auf die Inhalte unserer Berichterstattung. Nähere Informationen finden Sie hier.