Phosphormangel im Ökolandbau – können Recycling-Dünger eine Lösung sein?
Struvit ist ein Recyclingprodukt, das viele wichtige Kriterien des Ökolandbaus erfüllt. Doch noch ist es nicht zugelassen.
Auf einem Acker in Brandenburg sammeln drei junge Wissenschaftlerinnen Kartoffeln ein. Es ist heiß und staubig, Spätsommer 2020. Korb für Korb tragen sie zur Waage, sorgfältig dokumentieren sie den Ertrag für jede Parzelle. Ein paar Reihen weiter knien zwei Männer im Staub und suchen nach weißen Krümeln im Boden. Andreas Muskolus ist der Leiter der Versuchsstation des Instituts für Agrar- und Stadtökologische Projekte (IASP) in Berge bei Nauen. Sein Forschungspartner Joachim Clemens entwickelt bei der Firma Soepenberg neue Recycling-Dünger.
Nach einigem Wühlen in der trockenen Erde werden sie fündig. Längliche, etwas bröselige Körnchen, genau in der Reihe, wo der Düngerstreuer sie abgelegt hat. Und was noch wichtiger ist, mit Resten von feinen Wurzelhaaren, die an den Körnchen haften. „Das sind Dünger-Pellets, die haben wir im Frühjahr hier in Reihen ausgebracht, dann Kartoffeln draufgepflanzt. Als nächstes kommt Mais auf dieselben Reihen“, beschreibt Muskolus den Feldversuch. „Und hier an diesen Wurzelresten können wir sehen, dass die Pflanzen diese Düngerquellen auch finden und nutzen.“
Die Körnchen sind keine normalen Düngerpellets. Sie bestehen aus Struvit, einem Mineral, das in der Natur nur selten vorkommt und das die meisten Menschen, wenn überhaupt, am ehesten als schmerzhafte Nierensteine kennenlernen. Doch immer mehr Fachleute sehen in Struvit einen Weg, ein gravierendes Versorgungsproblem in der Landwirtschaft zu lösen – als Phosphordünger mit Langzeitwirkung.
Bei der sogenannten Unterfußdüngung, die die Wissenschaftlerïnnen des IASP in ihrem Feldversuch testen, wird der Dünger nicht breit auf dem Acker verstreut, sondern gezielt den Pflanzen „unter die Füße“ gelegt, satellitengesteuert, zentimetergenau. Die Methode soll helfen, den Dünger effizienter einzusetzen und das Auswaschen von Nährstoffen in Flüsse und Seen zu verringern. „Wir glauben, dass dies die beste Art und Weise wäre, das Struvit auszubringen“, sagt Muskolus. "Aber das wurde eben bisher noch nicht überprüft. Das machen wir in diesem Experiment." (Video)
Struvit als Recycling-Dünger hat großes Potenzial
Ursprünglich war Struvit nur ein Nebenprodukt aus dem Kläranlagenbetrieb. „Auf die Idee, dass man Struvit auch als Düngemittel einsetzen könnte, ist man eher zufällig gekommen“, erzählt Joachim Clemens. Struvitkristalle entstehen im Klärwerk wenn hohe Konzentrationen an Ammonium, Phosphat und Magnesium zusammenkommen.
„Das führt dann oft zu Verkrustungen an den Leitungen und Ventilen und kann den Betrieb der Anlage ziemlich beeinträchtigen.“ Deswegen sind einige Anlagenbetreiber schon vor Jahren dazu übergegangen, das Struvit gezielt durch chemische Fällungsreaktionen zu binden und so aus dem Anlagenbetrieb herauszuziehen. „An eine Nutzung als Dünger hat man dabei erstmal gar nicht gedacht“, sagt Clemens. Doch inzwischen ist die Düngewirkung von Struvitgut belegt.
Und es hat weitere Vorteile. Zum Beispiel löst es sich gut unter leicht sauren Bedingungen, also genau in dem Milieu, das die Pflanzen in ihrem Wurzelraum sowieso produzieren – nicht aber in Wasser. „Dass Struvit nicht wasserlöslich ist bedeutet vor allem, dass es nicht so leicht ausgewaschen werden kann“, erklärt Andreas Muskolus. „Das heißt, es bleibt länger im Boden und bei den Pflanzen, statt schnell in den Gewässern zu landen.“
Schon 2008 brachten die Berliner Wasserbetriebe den ersten Struvitdünger in Deutschland unter dem Namen „Berliner Pflanze“ auf den Markt. Doch Struvit als Düngemittel ist bis heute ein Nischenprodukt. „Es gibt einfach zu wenig davon“, sagt Joachim Clemens. „Ich würde mal schätzen, in Deutschland haben wir dreitausend bis vielleicht fünftausend Tonnen Struvit vorliegen. Das entspricht umgerechnet etwa 1400 Tonnen Phosphorpentoxid. Das ist sehr, sehr wenig.“ In der Konsequenz sei Struvit bei den Landwirten kaum bekannt.
„Wenn wir zu einem Landwirt kommen und sagen, ich habe hier einen prima Struvit-Dünger, dann sagt der: 'Struvit? Kenne ich nicht. Ich frag’ mal meinen Nachbarn.' Und wenn der Nachbar das auch nicht kennt dann war’s das meistens.“
Raus aus der Nische, rein in den Ökolandbau?
Während konventionelle Betriebe kaum Bedarf an neuartigen Phosphordüngern sehen, wächst im Ökolandbau das Interesse. Hier könnte Struvit helfen, ein ernstes Problem zu lösen.
„Unsere Nährstoffkreisläufe im Ökolandbau sind nicht geschlossen“, erklärte Stephanie Fischinger, Fachreferentin für Pflanzenbau beim Anbauverband Bioland, in ihrem Vortrag im vergangenen Herbst beim Forum der Deutschen Phosphorplattform, einem Netzwerk von Wissenschaftlern, Herstellern und Anlagenbetreibern, das sich für ein nachhaltiges Phosphormanagement in Deutschland einsetzt.
„Idealerweise gehen im Ökolandbau die Nährstoffe von den Feldern über die Fütterung wieder in den Betrieb zurück.“ Das heißt, die Tiere auf dem Hof fressen und verdauen das Gras oder Getreide und dann wird ein guter Teil der Nährstoffe in Form von Mist als Dünger wieder aufs Land gebracht. „Aber es gibt eben auch noch den durchaus erwünschten “Export" an die Verbraucher" sagte Fischinger weiter. „An dieser Stelle ist der Kreislauf offen und wir müssen Wege finden, diese Nährstoffe wieder zurückzuführen und den Kreislauf möglichst regional wieder zu schließen.“
Stickstoff wird im Ökolandbau vor allem durch den Anbau von Hülsenfrüchten zurückgeführt, die mithilfe von Mikroorganismen den Nährstoff aus der Luft binden können. Phosphor zurück auf den Acker zu bringen ist dagegen sehr viel schwieriger. Langfristig führt dies bei vielen Ökobetrieben zu einem Phosphor-Defizit im Boden. „Der Phosphormangel ist ein akutes Problem im Ökolandbau“, sagt Fischinger. Fehlt der Phosphor, sinken nicht nur die Erträge. Auch die anderen Düngepflanzen gedeihen schlechter und können weniger Nährstoffe binden. Aktuell schätzt Fischinger das Defizit in deutschen Ökobetrieben auf etwa 8.000 Tonnen Phosphor pro Jahr. Bei der angestrebten Ausweitung des Ökolandbaus auf zwanzig Prozent der Anbaufläche in Deutschland würden den Landwirtïnnen jährlich etwa 15.500 Tonnen Phosphor fehlen.
Bisher haben Ökobetriebe nur wenige Möglichkeiten, ihren Phosphor-Bedarf zu decken. Mineralischer Dünger ist nur in Form von rohem Phosphatgestein erlaubt. Doch je nach Bodenbeschaffenheit ist dessen Wirkung sehr dürftig, und wie alle Phosphatdünger muss auch das Rohphosphat importiert werden. Dem Kreislaufgedanken entspricht das nicht.
Gute Ökobilanz
Struvit und andere Rezyklate aus Klärschlamm könnten helfen diese Lücke zu schließen. Struvit ist gut pflanzenverfügbar und schneidet in der Ökobilanz deutlich besser ab als importierte Rohphosphate. Es ist arm an Schadstoffen und durch seine Langzeitwirkung besser mit den Prinzipien des Ökolandbaus zu vereinbaren als wasserlösliche Mineraldünger. Und es könnte statt über die internationalen Düngemittelmärkte in regionalen Kreisläufen geführt werden. Gegenüber phosphathaltigen Aschen aus der Klärschlammverbrennung hat es außerdem den Vorteil, dass es mit deutlich weniger Energie- und Chemikalieneinsatz gewonnen und verarbeitet werden kann.
In den Ökolandbau-Verbänden gibt es daher viel Zustimmung für Struvit. „Wir könnten uns vorstellen, dass Struvit zugelassen wird“, sagt zum Beispiel Werner Vogt-Kaute vom Anbauverband Naturland e.V.. Auch andere Recyclingverfahren oder -produkte seien grundsätzlich denkbar, wenn sie die Anforderungen des Verbandes erfüllten. “Warum soll man sich dem verschließen", sagt auch Delia Micklich von Biopark e.V.. „Die Phosphorbestände sind endlich und die schonende Nutzung von Ressourcen entspricht den Zielen des Ökolandbaus. Wichtig ist die Reinheit des Produkts und dass die Verfahren, mit denen es gewonnen wird, ökologisch vertretbar sind.“
In einer Studie zur Akzeptanz von recycelten Phosphatdüngern* stellten Fischinger und ihre Kollegen ebenfalls eine generelle Offenheit unter den Ökolandwirtïnnen fest, solange bestimmte Kriterien erfüllt werden. An oberster Stelle steht natürlich die Wirksamkeit der Düngemittel, gefolgt von Produktqualität und Schadstoffgehalten sowie dem ökologischen „Fußabdruck“ der Produkte. Wichtig ist außerdem Transparenz über die Herkunft und am Ende natürlich auch der Preis. Vor allem aber müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, denn bisher ist Struvit als Düngemittel im Ökolandbau nicht zugelassen.
Noch fehlt die Zulassung
Damit ein Stoff in Europa als Düngemittel eingesetzt werden kann, muss er zunächst in der EU-Düngemittelverordnung zugelassen werden. Für Struvit ist dieser Prozess bereits seit einigen Jahren in Gang und steht nun kurz vor dem Abschluss. Im konventionellen Anbau soll Struvit mit der neuen Verordnung ab 2022 zugelassen werden.
Für den Einsatz im Ökolandbau muss der Stoff außerdem in der EU-Öko-Verordnung gelistet sein. Dieser Zulassungsprozess ist ebenfalls in Gang, aber noch nicht so weit fortgeschritten. „2015 gab es schon einmal einen Vorstoß aus Großbritannien“, berichtet Joelle Katto-Andrighetto von IFOAM-Organics International, der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen, „aber der ist dann zunächst nicht weiter verfolgt worden.“
Doch nun gibt es neue Bewegung. Im Sommer 2020 sandte die europäische Sektion von IFOAM gemeinsam mit der Europäischen Plattform für nachhaltige Phosphornutzung (ESPP) einen öffentlichen Brief an die EU-Kommission mit der Empfehlung, Struvit für den Ökolandbau zuzulassen. Und auch andere Akteure setzen sich für die Zulassung ein. „Es gibt eine Notwendigkeit, unsere Nährstoffkreisläufe zu schließen“, sagt Katto-Andrighetto, „und wir halten Struvit für eines der interessantesten Produkte, um dieses Problem im Ökolandbau zu lösen.“
In einem letzten Schritt müssten dann noch die einzelnen Anbau-Verbände in Deutschland entscheiden, ob sie Struvit als Düngemittel für ihre Mitgliedsbetriebe zulassen wollen.
Struvit droht beim Recycling abgehängt zu werden
In Deutschland gewinnt die Frage der Struvitzulassung durch die neue Recyclingpflicht für Klärschlamm besondere Dringlichkeit. Bis 2023 müssen Kommunen und Anlagenbetreiber ihre Konzepte vorlegen, mit welchen Verfahren sie künftig das Phosphor-Recycling sicherstellen wollen. Trotz der guten Düngeeigenschaften von Struvit neigen im Moment viele Betreiber dazu, den Klärschlamm komplett zu verbrennen und den Phosphor im Anschluss aus der Asche herauszulösen. Wegen des hohen Energie- und Chemikalienaufwands ist dieser Weg für viele Ökoverbände jedoch nicht akzeptabel.
„Wir haben im Ökolandbau einen sehr großen Bedarf an diesen Rezyklaten und sind langfristig auf sie angewiesen“, machte Stephanie Fischinger beim DPP-Forum gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern der Phosphorbranche deutlich. Es gebe jedoch noch wichtige Fragen zu klären.
„Werden sich die Recycling-Verfahren etablieren können, die für den Ökolandbau Vorzüglichkeit haben, oder können Verfahren entsprechend modifiziert werden, dass sie im Ökolandbau eine Akzeptanz finden? Und: Kriegen wir es hin – und das ist glaube ich eine echte Herausforderung – die rechtlichen Rahmenbedingungen rechtzeitig so anzupassen, dass wir tatsächlich real als Abnehmer zur Verfügung stehen, so dass man mit uns auch kalkulieren und rechnen kann?“
Struvitgewinnung auf den Kläranlagen muss effizienter werden
Um die Recycling-Route über Struvit für Kommunen und Anlagenbetreiber attraktiver zu machen ist eine Anpassung der technischen Verfahren notwendig. Bisher lösen sie einfach nicht genug Phosphor aus dem Klärschlamm heraus. Je nach Verfahren und Klärschlammbeschaffenheit liegen die Rückgewinnungsraten derzeit bei fünf bis dreißig Prozent. Das ist in der Regel zu wenig, um den künftigen gesetzlichen Grenzwert von weniger als zwei Prozent Phosphorgehalt in der Klärschlamm-Trockenmasse einzuhalten.
„Aber da ist noch viel mehr drin“, sagt Professor Thomas Dockhorn. Er leitet den Forschungsverbund P-Net, der das Ziel hat, im östlichen Niedersachsen ein Netzwerk zum ressourceneffizienten Phosphor-Recycling aufzubauen.
„Die Monoverbrennung erscheint vielen Kläranlagenbetreibern alternativlos. Aber wir sagen, das ist ein Kurzschluss im Denken.“
„Wir haben ein technisches Verfahren entwickelt, mit dem man je nach Anlagenbetrieb bis zu siebzig Prozent des Phosphats aus dem Klärschlamm herauslösen und als Struvit gewinnen kann.“ In den kommenden fünf Jahren wollen Dockhorn und sein Team dieses Verfahren zur großtechnischen Anwendungsreife bringen. „Wir wollen die Struvitschiene so weit ertüchtigen, dass die Klärwerke, die sowas jetzt schon haben, damit in Zukunft auch weiter fahren können und sich nicht eine neue Technik hinstellen oder zusätzlich auf die Monoverbrennung gehen müssen.“
So könne man den Phosphor gleich auf der Kläranlage zurückgewinnen, statt ihn mit viel Aufwand aus der Verbrennungsasche herauszulösen, und hätte damit direkt ein gut charakterisiertes Produkt mit hoher Düngewirkung. Der verbleibende Klärschlamm habe einen so niedrigen Phosphorgehalt, dass er wie bisher in Zementwerken, Kohlekraftwerken oder Müllverbrennungsanlagen mit verbrannt werden könne. „Die Monoverbrennung erscheint vielen Kläranlagenbetreibern alternativlos“, sagt Dockhorn. „Aber wir sagen, das ist ein Kurzschluss im Denken.“ Die Struvitfällung sei durchaus eine Alternative.
Wichtig ist, dass es für das Produkt, das dann entsteht, auch einen Markt gibt. Das ist bisher nicht der Fall. „Bisher müssen die Anlagenbetreiber froh sein, wenn ihnen überhaupt ein Entsorger das Struvit abnimmt“, sagt Thomas Dockhorn. Damit sich das ändert, müssen nicht nur ausreichende Mengen produziert und die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden, sondern auch das Produkt selbst muss noch verbessert werden.
Struvit ist nicht gleich Struvit
Die Struvitkristalle, die auf der Kläranlage ausgefällt werden, können sich je nach Betriebsmodus der Kläranlage und Zusammensetzung des Klärschlamms stark unterscheiden und gröber oder feiner ausfallen. Struvit ist ein Sammelbegriff für eine ganze Gruppe von Magnesium-Ammonium-Phosphaten (MgAP), auch in der chemischen Zusammensetzung kann es also Schwankungen geben, etwa beim Kaliumgehalt.
Für die Landwirte ist aber wichtig, dass sie ein gleichbleibendes, genau definiertes Düngemittel bekommen. Auch die pulvrige Beschaffenheit des Struvits ist für die Landwirte ein Problem. Damit sie ihre vorhandene Ausbringetechnik verwenden können, muss der Dünger so konfektioniert sein, dass die Körnchen oder Pellets mit dem Düngerstreuer eine definierte Wurfweite erreichen.
„Das lässt sich aber machen“, sagt Joachim Clemens von der Firma Soepenberg. Er ist zuversichtlich, dass sich für Struvit ein Markt finden wird, wenn es erst genug davon gibt und es als Düngemittel bekannter ist. Im Forschungsverbund P-Net ist er für den sogenannten „Struvit-Hub“ verantwortlich. Dort sollen die Struvite aus den einzelnen Kläranlagen genau analysiert und zu einem einheitlichen, marktfähigen Dünger konfektioniert werden.
Bisher ist die Herstellung von Düngemitteln aus Sekundärrohstoffen noch eine Nische, in der spezialisierte Firmen wie Soepenberg eine wichtige Rolle spielen. Doch auch die großen Düngemittelproduzenten nehmen die Recyclingdünger inzwischen in den Blick.
Der norwegische Konzern Yara zum Beispiel, einer der größten Düngemittelproduzenten der Welt, führt in Dülmen in Westfalen eigene Testreihen mit verschiedenen Rezyklaten durch, bei denen sich gezeigt hat, dass manche Struvit-Produkte die gleiche Düngewirkung haben wie Triple-Super-Phosphat, ein gängiger Mineraldünger.
„Das hat auch intern bei uns in der Firma einiges Erstaunen hervorgebracht und war dann auch das grüne Licht dafür, dass wir in diese Richtung weitergehen“, sagte Marina Ettl, die bei Yara Deutschland unter anderem für den Bereich „Climate Smart and Circular Offerings“ verantwortlich ist, beim 6. Kongress „Phosphor – Ein kritischer Rohstoff mit Zukunft“. „Das bedeutet allerdings nicht, dass Struvit grundsätzlich das Mittel der Wahl ist“ sagte sie weiter. „Man muss das fallspezifisch betrachten und verschiedene Faktoren im Blick behalten.“ Auch die Verwendung anderer Rezyklate als Rohmaterialien für die Düngemittelproduktion oder für die direkte Anwendung auf dem Feld würden in Betracht gezogen.
Im Jahr 2020 produzierte Yara 29 Millionen Tonnen Düngemittel und machte einen Umsatz von 11,7 Milliarden US-Dollar. Etwa zwanzig Millionen Landwirte sind Kunden des Konzerns, mit Betrieben in 60 Ländern. Das erste Düngemittel, in dem auch Sekundärrohstoffe verarbeitet wurden, vermarktet Yara seit 2019 in Finnland.
Auch eine Frage der Akzeptanz
„Die Akzeptanz für Düngemittel aus Sekundärrohstoffen bei den Landwirten unterscheidet sich in aktuellen Umfragen deutlich nach dem Alter der Befragten“, sagte Ettl. „Jüngere Landwirte sind gegenüber den Rezyklaten aufgeschlossener.“ Angesichts der globalen Herausforderungen, vor denen die Menschheit stehe, führe am Recycling langfristig gar kein Weg vorbei, so Ettl weiter. „Im allgemeinen wird damit gerechnet, dass Rohphosphor noch für etwa 300 Jahre vorrätig ist. Es wird dann aber immer aufwändiger, den Phosphor abzubauen. Gleichzeitig steigt das Risiko, dass das Gestein verunreinigt ist. Es gibt also einen offensichtlichen Bedarf, sich auch Alternativen anzuschauen.“
Struvit ist also sowohl für konventionelle Hersteller als auch für den Ökolandbau ein geeigneter Dünger, für den ein Bedarf vorhanden ist. Auf dem Weg in die Anwendung muss es allerdings noch einige Hürden überwinden. Falls das gelingt, wäre Struvit das erste Phosphor-Recycling-Produkt, das den Namen auch verdient. Denn mit dem Struvit wird der Phosphor nicht nur aus dem Klärschlamm zurückgewonnen, sondern er gelangt auch zurück aufs Feld. Und nur dann ist der Kreislauf geschlossen.
Das Rechercheprojekt Phosphorama wird durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert. Die DBU nimmt keinerlei Einfluss auf die Inhalte unserer Berichterstattung. Nähere Informationen finden Sie hier.
*Transparenzhinweis: Die verlinkte Studie wurde von der DBU gefördert (Laufzeit 2016–2019).