Klima-Kolumne: Warum reiche Menschen eine entscheidende Rolle im Klimaschutz spielen
Reiche leben deutlich klimaschädlicher als ärmere Bürger:innen. Doch sie können den Klimaschutz auch maßgeblich voranbringen, mit ihrem Geld, ihrer Macht, ihrem Einfluss – eine Kolumne.
Früher habe ich oft in 15-Bett-Hostelzimmern übernachtet, weil es günstig war. Heute buche ich Hotelzimmer oder Ferienwohnungen. Je mehr Geld man hat, desto mehr konsumiert man meistens, desto mehr „gönnt“ man sich – weil man es kann. Das bedeutet allerdings auch, dass sich die eigene Klimabilanz mit dem Reichtum verschlechtert.
Im Durchschnitt emittiert ein Mensch in Deutschland rund 11 Tonnen CO2 im Jahr – fast doppelt so viel wie der weltweite Durchschnitt. Die reichsten 10 Prozent kommen auf rund 34 Tonnen CO2 und das reichste 1 Prozent auf gut 117 Tonnen CO2 pro Kopf im Jahr. Zu den reichsten 10 Prozent gehört übrigens nach Angaben des World Inequality Reports, wer hierzulande ein Vermögen von rund 973.000 Euro besitzt. Mit 4, 8 Millionen Euro Vermögen gehört man zu den reichsten 1 Prozent.
Welche Verantwortung tragen reiche Menschen?
Zuallererst: Ich bin kein Fan der Individualisierung des Klimawandels. Sie lenkt von den großen, nötigen strukturellen Veränderungen ab. Es ist in erster Linie die Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu setzen, notwendige Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen und diese auch verständlich zu kommunizieren, zum Beispiel: Inlandsflüge zu verbieten, CO2 zu bepreisen, Kerosin zu versteuern, das Tempolimit einzuführen.
Dennoch trägt natürlich jede:r Einzelne mit seinen Emissionen individuell zur Klimakrise bei. Und je reicher man ist, desto mehr CO2 verursacht man tendenziell. Deswegen: Ja, gerade wohlhabende Menschen müssen sich die Frage der Verantwortung angesichts des voranschreitenden Klimawandels einmal mehr stellen.
Dadurch wäre auch viel gewonnen, wie unter anderem eine Studie unter der Leitung des Wissenschaftlers Kristian Steensen Nielsen von der Universität Cambridge zeigt.
Menschen beeinflussen den Erfolg von Klimaschutz
Demnach weisen Menschen mit einem hohen sozioökonomischen Status nicht nur eine hohe Klimabilanz auf. Sie können mit ihrem Geld, mit ihrer Macht auch überproportional den Erfolg von Klimaschutz beeinflussen.
Zu den Menschen mit einem hohen sozioökonomischen Status zählt man global gesehen bereits mit einem Jahreseinkommen von mehr als 38.000 US-Dollar, also 33.800 Euro. Allerdings gilt: Je mehr Geld man hat, desto höher ist auch der Einfluss, die Macht, die man besitzt, um Veränderungen voranzubringen. Daher konzentrieren sich die Wissenschaftler:innen in ihrer Studie auch eher auf die Superreichen: auf Millionäre, Milliardäre. Auch wer beispielsweise in der Öffentlichkeit präsent ist, wie Influencer:innen, Prominente, Politiker:innen, hat einen hohen sozioökonomischen Status.
Sie alle haben einen erheblichen Einfluss auf den Klimaschutz, in erster Linie natürlich in ihrer Rolle als Verbraucher:innen. Menschen mit einem Vermögen von über 50 Millionen US-Dollar haben nach Angaben der Studie allein durch ihren Konsum, den Besitz mehrerer Wohnungen und die Nutzung von Privatjets außergewöhnlich schlechte Klimabilanzen.
Eben diese Menschen könnten eine Vorreiterrolle bei der Eindämmung von Treibhausgasemissionen spielen, indem sie ihre Verhaltensweisen ändern, klimafreundlicher leben und zum Beispiel auch die Nachfrage für klimafreundliche Technologien ankurbeln.
Grüne Investitionen für den Strukturwandel
Wohlhabende können ihr Geld mehr in emissionsarme Firmen und Fonds anlegen, Druck auf Unternehmen ausüben, damit diese ihre Treibhausgasemissionen senken und so den Strukturwandel vorantreiben.
Sie können außerdem andere mit ihren klimafreundlichen Entscheidungen beeinflussen. Ein Beispiel: Wenn ein Influencer öffentlich zeigt, dass er vegan lebt, beeinflusst er automatisch viele Menschen, in erster Linie seine Follower. Und wenn eine Chefin entscheidet, nicht den Privatjet für die Geschäftsreise zu nehmen, sondern ein Online-Meeting zu halten, beeinflusst das wiederum andere Menschen in ihrem Umfeld, die sie nachahmen. Das Ergebnis: Soziale Normen verschieben sich. Und vielleicht wird ja irgendwann auf diese Weise der Privatjet selbst in den Kreisen reicher Menschen verpönt. Das wäre doch was.
Übrigens: Man muss nicht wohlhabend sein, um Einfluss auf andere Menschen auszuüben. Studien zeigen, dass wir alle durch Verhaltensänderungen andere zu umweltbewusstem Handeln motivieren können, einfach, indem wir es tun, Vorbilder sind.
Einfluss auf Treibhausgasemissionen von Organisationen
Nielsen und seine Kolleg:innen sehen noch mehr Bereiche der Einflussnahme von Menschen mit hohem Wohlstand. Zum Beispiel könnten sie den Diskurs über den Klimawandel durch ihre finanzielle und soziale Unterstützung für politische Kampagnen, Think-Tanks, Forschungsinstitute und ihre Verbindungen zu Vorständen von Unternehmen beeinflussen.
Oft haben sie auch selbst aufgrund ihres beruflichen Status eine überproportionale Einwirkung auf die Treibhausgasemissionen von Organisationen, da sie Positionen als Manager:in, Vorstandsmitglied oder Berater:in innehaben und so indirekt die Emissionen ihrer Lieferant:innen, Kund:innen und Konkurrent:innen steuern könnten.
Und dann gibt es noch den Einfluss auf die öffentliche Politik durch Abstimmungen, Lobbyarbeit und die Teilnahme an sozialen Bewegungen. In den meisten Ländern bilden die sozialen Netzwerke der oberen 0, 1 Prozent laut des Wissenschaftsteams den Kern der politischen und wirtschaftlichen Macht. Menschen mit hohem Einkommen hätten oft einen besseren Zugang zu Entscheidungsträger:innen in privaten Organisationen und im öffentlichen Sektor und damit auch eine große Einflussnahme.
Politische Maßnahmen: Vielfliegerabgabe und Vermögenssteuer
Reiche Menschen können das Klima nicht retten, aber den Klimaschutz enorm voranbringen. Es wird immer Menschen geben – ob reich oder nicht reich – denen das egal sein wird. Daher ist auch weiterhin die Politik an erster Stelle gefragt. Eine Vielfliegerabgabe wäre zum Beispiel eine gute Möglichkeit, sagen auch Nielsen und seine Kolleg:innen in der Studie. Auch eine Besteuerung des Vermögens könnte dem Klima helfen und die Ungleichheit verringern.
Einige wohlhabende Menschen haben ihre Verantwortung in der Klimakrise bereits erkannt. Das beste Beispiel: Der Patagonia-Gründer Yvon Chouinard. Er hat sein milliardenschweres Bekleidungsunternehmen vergangenes Jahr an eine gemeinnützige Stiftung übertragen. Alle Gewinne sollen in den Kampf gegen den Klimawandel fließen.