Elektronische Patientenakte: Dürfen Google, OpenAI und Meta den deutschen „Datenschatz“ nutzen?

Mehr Ordnung und Durchblick bei medizinischen Befunden und Laborergebnissen – das ist das Versprechen der ePA. Doch die Bundesregierung hat noch viel größere Ziele: Künftig sollen KI-Konzerne die Daten auswerten dürfen, um neue Produkte zu entwickeln. Nicht erst seit den jüngsten Datenlecks gibt es daran Kritik

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Bildmontage aus Patientenakten in Papier und komplexer digitaler Landschaft.

Befunde, OP-Berichte, Arztbriefe – im Laufe eines Patientenlebens sammeln sich viele medizinische Dokumente an. Bislang liegen all diese Ergebnisberichte in den Aktenschränken des jeweiligen behandelnden Arztes und in Kopie zuhause, nicht selten als lose Zettelwirtschaft. Ist eins der Dokumente erneut relevant, geht das Sucherei und – weil es der Datenschutz so vorgibt – zwischen Praxen sogar die Faxerei los. Da erscheint es sinnvoll, all diese Gesundheitsdaten in einem virtuellen Aktenordner an einem Ort zu sammeln und bei künftigen Arztbesuchen den Medizinern unkompliziert zur Verfügung stellen zu können.

Genau dort setzt das bundesweite Großprojekt der „elektronischen Patientenakte“ an, deren Einführung am 15. Januar 2025 mit regionalen Pilotprojekten begann. In der „ePA“ können Befunde, Laborwerte und Röntgenbilder zentral gespeichert werden. Die Patienten sollen entscheiden dürfen, welche Informationen sie mit welchen Ärzten teilen. So hat es der Bundestag 2023 beschlossen. Wenn man nicht explizit widerspricht, richtet die Krankenkasse die ePA automatisch ein.

Chaos Computer Club deckte gravierende Sicherheitslücke auf

Besonders stolz auf das Projekt ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er sieht die Einführung der elektronischen Patientenakte als einen der großen Erfolge seiner dreijährigen Amtszeit an.

Zwar gab es zum Jahreswechsel einen erheblichen Rückschlag, als IT-Experten bei der Jahrestagung des Chaos Computer Club in Hamburg zeigten, wie sie die Sicherheitsvorkehrungen der Nationalen Agentur für Digitale Medizin (gematik) aushebeln und unautorisiert Zugang zu riesigen Datenmengen bekommen konnten. Lauterbach musste die Verantwortlichen anweisen, die ePA erst in Betrieb zu nehmen, wenn der Datenschutz auch wirklich gewährleistet ist.

Doch der Schutz der gesammelten Patientendaten vor Hackern ist nicht der einzige umstrittene Aspekt bei der Einführung der Patientenakte. Ein weiterer Zweck ist mindestens so brisant wie der Datenschutz: Erstmals wird mit Lauterbachs Großprojekt von dem Grundprinzip abgewichen, dass Patientendaten nur zwischen Betroffenen, Ärzten und Krankenkassen kursieren dürfen. Es soll vielmehr nun möglich werden, dass auch Wissenschaft, Industrie und IT-Konzerne sie anonymisiert und unter Datenschutzauflagen auswerten und nutzen können, sofern sie ein gesetzlich erlaubtes Vorhaben verfolgen. Eine große Priorität dabei: Künstliche Intelligenz (KI) soll von den Patientendaten lernen, sie anonymisiert auswerten und dann in neuen Medizinprodukten zum Einsatz kommen.

Karl Lauterbach - Portrait
Karl Lauterbach
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