Warum die Bewertung der Corona-Maßnahmen schiefgegangen ist

Unwissenschaftliche Methoden und zweifelhafte Mitglieder – was beim Evaluationsbericht des Sachverständigen-Ausschusses zur Covid-Pandemie auffällt

vom Recherche-Kollektiv Corona: ,
16 Minuten
Jutta Allmendinger (l-r), Soziologin, Hendrik Streeck, Virologe, Harald Wilkoszewski, Abteilungsleiter Kommunikation und Pressesprecher des WZB, Helga Rübsamen-Schaeff, Virologin und Chemikerin, und Christoph Schmidt, Präsident, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, nehmen an einer Pressekonferenz des Sachverständigenausschuss zur Evaluation des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) teil. Der IfSG präsentiert die Ergebnisse des Evaluationsberichtes über die bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen.

Schon bald nachdem die erste Welle der Pandemie abgeklungen war, im Frühsommer 2020, wurde der Wunsch nach einem Pandemierat laut. Das sollte ein Gremium sein, in dem Wissenschaftlerïnnen verschiedener Disziplinen sitzen. Sie sollten die Politik beraten und Erkenntnisse aus ihrem jeweiligen Forschungsbereich einbringen, um das Virus so gut wie möglich in Schach zu halten, ohne dass dabei allzu viel Schaden an anderer Stelle entsteht.

Mit der ersten Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite im März 2020 hätte der Bundestag ein solches Gremium fordern können. Die Regierung hätte es einberufen können. Beides ist nicht passiert. Die zeitnahe Erforschung der Corona-Schutzmaßnahmen blieb aus.

Nun, zweieinhalb Jahre später gibt es einen Sachverständigenausschuss, der die bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen, wie sie im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben sind, wissenschaftlich evaluieren soll. Er wurde im Sommer 2021 einberufen und hat 18 Mitglieder. Die Sachverständigen wurden jeweils zur Hälfte vom Bundestag und der Bundesregierung benannt. Dabei fehlten Absprachen, die eine Interdisziplinarität des Gremiums sichergestellt hätten. Nur so lässt sich erklären, warum sechs Juristïnnen, jedoch nur drei Virologïnnen – aber nur einer mit epidemiologischen Kenntnissen – und null Statistikerïnnen dem Ausschuss angehören. Die Zusammensetzung ist nur einer der Gründe, warum es jetzt viel Wirbel um den am 1. Juli 2022 vorgelegten Abschlussbericht des Gremiums gibt.

Der Bericht selbst ist – diplomatisch ausgedrückt – eine Enttäuschung. Eine vertane Chance, wie die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt in der Süddeutschen Zeitung schreibt. Diesen Frust hätte man dem Gremium und uns allen ersparen können. Warum es trotzdem dazu kam, hat politische Gründe. Doch bevor es um diese geht, tut ein Blick in den Bericht not.

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Welche Verbindungen haben die Autorïnnen?

Dem Sachverständigenausschuss gehören 18 Sachverständige an. Der Berliner Virologe Christian Drosten verließ Ende April das Gremium. Es fehle sowohl an Zeit für eine wissenschaftliche Auswertung als auch an Personal, lautete seine Begründung. Für ihn rückte der Epidemiologe Klaus Stöhr nach, der in der Öffentlichkeit oft gegensätzliche Positionen von Drosten einnimmt. Mit ihm waren nur drei Virologïnnen vertreten, wobei Stöhr in dem Papier gar nicht als Virologe geführt wird, sondern als „unabhängiger Konsultant“. Was auch immer das heißen soll.

Sogar der Vorsitzende des Sachverständigenausschusses, Stefan Huster, kritisierte, Bundestag und Bundesregierung hätten das Gremium nach der anteilsmäßigen Beteiligung der Parteien (Parteienproporz) besetzt und nicht nach den nötigen Fachgebieten. Ein Wissenschaftler, der bei einer Sitzung des Ausschusses dabei war, berichtet, dass die Mitglieder selbst feststellen, in diesem Gremium keine wissenschaftliche Arbeit machen zu können.

Weitere Vertreterinnen von Epidemiologie, dem Fach über die Ausbreitung von Krankheiten, oder der Statistik, dem Fach zur systematischen Zusammenfassung der vorhandenen Daten, fehlten völlig. „Für die Evaluation der einzelnen Maßnahmen war der Ausschuss von Anfang an zu dünn aufgestellt“, sagte der Jurist Huster der Süddeutschen Zeitung.

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