Reha bei Long Covid: Deutsche Rentenversicherung betont Nutzen, verschweigt aber Risiken

Der Nutzen einer psychosomatischen Reha bei Long Covid sei belegt, verkündet die Deutsche Rentenversicherung. Nun zeigt sich: Die Studie, auf die sie sich beruft, gibt diese Aussage gar nicht her – Patientenschützer sprechen von grober Irreführung.

vom Recherche-Kollektiv Postviral:
7 Minuten
Junger Mann liegt erschöpft auf dem Boden vor einer Trainingsmatte, die Arme von sich gestreckt. Neben den Händen liegen zwei kleine Hanteln auf dem Boden.

Mehrere hunderttausend Menschen leiden allein in Deutschland an den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Eine heilende Therapie fehlt, weshalb unter Patient:innen und in der Ärzteschaft viel Ratlosigkeit herrscht. Geht es nach der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Braunschweig-Hannover, ist eines jedoch ganz einfach. „Studie belegt: Bei Long Covid hilft eine psychosomatische Rehabilitation“, verkündete sie per Pressemitteilung.

Man muss die kontroverse Debatte über Reha-Programme für Long-Covid-Erkrankte kennen, um die Tragweite dieser Aussage zu erfassen. Seit langem nämlich weisen Selbsthilfegruppen eindringlich auf mögliche Risiken einer Fehlbehandlung in Reha-Kliniken hin. Auch die Immunologin Carmen Scheibenbogen, Long-Covid-Expertin an der Berliner Charité, warnt davor, dass vereinzelt sogar Betroffene „im Rollstuhl aus der Reha kommen“ – und eine Teilnahme ist aus Sicht der Betroffenen nicht immer ganz freiwillig, sondern Voraussetzung etwa zum Durchsetzen von Rentenansprüchen. Entsprechend groß ist die Verunsicherung unter Betroffenen. Mit der frohen Botschaft der DRV schien sich dies in Wohlwollen aufzulösen.

Der Studien-„Beleg“ blieb in der Schublade

Im Juni 2023 verschickte sie ihre Erklärung, vor mehr als einem Jahr also. Das Problem schon damals: Den vermeintlichen „Beleg“ lieferte sie nicht mit, wie RiffReporter berichtete.

Bei der „Studie“, so erfuhr man, handele es sich um die Masterarbeit einer namentlich nicht genannten Studentin. Eine „Freigabe“, die unveröffentlichte Arbeit herauszugeben, liege nicht vor, erklärte eine SRV-Sprecherin damals. Der „Urheberschutz“ verbiete zudem weitere Auskünfte.

Der Öffentlichkeit warf der niedersächsische Versicherungsträger nur ein paar Brocken hin. Etwa, dass für die Studie im Jahr 2022 insgesamt 413 Rehabilitanden des Rehazentrums Oberharz in Clausthal-Zellerfeld untersucht worden seien – in einer Einrichtung also, die die DRV Braunschweig-Hannover selbst betreibt. Bei den 187 Long-Covid-Erkrankten unter den Probanden habe sich die Gesundheit in der Reha „deutlich“ verbessert, hieß es, bezogen auf „depressive Störungen und Erschöpfungssymptome“.

Inzwischen gibt es eine Publikation

Überprüfen lassen sich die Angaben nicht. Bis heute ist die Masterarbeit öffentlich nicht zugänglich. Auf Nachfrage weist die DRV mittlerweile jedoch auf einen Fachjournal-Artikel hin, die die Studienergebnisse zusammenfasse. Verfasst haben ihn die Masterandin, ihr Professor – der Psychologe Christoph Kröger von der Uni Hildesheim – und ein Mitarbeiter der DRV.