Landung auf dem Mars
Was während der "sieben Minuten des Schreckens" passiert
Der Mars ist der einzige Planet unseres Sonnensystems, der ausschließlich von Robotern besiedelt ist. Im Lauf der letzten Jahrzehnte haben mehrere Raumfahrtnationen Sonden oder kleine Fahrzeuge auf seiner staubigen und trockenen Oberfläche abgesetzt, die nach Spuren von Leben suchen und andere wissenschaftliche Untersuchungen durchführen. Für Astronauten ist der Rote Planet bislang unerreichbar. Ganz abgesehen davon, dass der Mars ähnlich lebensfeindlich ist wie der atmosphärenlose Mond: Noch ist die Technik nicht ausgereift genug, um Menschen heil hin- und auch wieder zurückzubringen. Selbst für die relativ kleinen und leichten automatischen Sonden ist die Landung riskant: Im Mittel glückte bisher nur jeder zweite Landeversuch. Zuletzt zerschellte im Oktober 2016 das Landemodul Schiaparelli, mit dem die Europäische Raumfahrtbehörde ESA alle Technologien erproben wollte, die für das erfolgreiche Absetzen eines Rovers auf dem Mars nötig sind. Mehr Glück hatten die Kollegen der US-Raumfahrtbehörde NASA: Ihr jüngster Marsrover Perseverance landete am 18. Februar 2021 erfolgreich im vorgesehenen Zielgebiet.
Offenbar ist es deutlich schwieriger, auf dem Mars zu landen als auf unserem Mond, wo das Absetzen von Sonden inzwischen fast zur Routine geworden ist und auf dem bereits vor fünfzig Jahren die ersten Astronauten landeten. Was also ist beim Mars anders?
Herkömmliche Landeverfahren reichen nicht aus
Es sind vor allem zwei große technische Herausforderungen: Erstens ist die Geschwindigkeit, mit der ein Raumfahrzeug beim Mars eintrifft, weit höher, als wenn es zum Mond flöge. Diese Geschwindigkeit muss dann innerhalb einer relativ kurzen Strecke auf null reduziert werden. Zweitens hat der Mars eine Atmosphäre, deren Dichte nur sehr gering ist. Deshalb reichen herkömmliche Landeverfahren, wie sie sich zum Beispiel beim Wiedereintritt von Raumkapseln in die Erdatmosphäre bewährt haben, nicht aus. Hinzu kommt noch, dass die Laufzeit von Funksignalen wegen der großen Entfernung zwischen Mars und Erde zwischen zehn und elf Minuten beträgt. Eine Steuerung der Landeeinheit vom irdischen Kontrollzentrum ist also nicht möglich; die Marssonde muss daher völlig autonom agieren und alle komplizierten Manöver fehlerfrei durchführen.
Um zum Mars zu kommen, ist eine Fluggeschwindigkeit erforderlich, die in etwa der Geschwindigkeit des Planeten auf seiner Umlaufbahn um die Sonne entspricht. Das sind rund 25 Kilometer pro Sekunde (gemessen relativ zur Sonne, nicht zur Erde). In vertrautere Einheiten umgerechnet entspricht das 90 000 Kilometer pro Stunde. Mit diesem Tempo ließe sich die Entfernung von der Erde zum Mond in wenig mehr als vier Stunden zurücklegen.
Die Geschwindigkeit, mit der die Sonde den Mars erreicht, ist jedoch deutlich geringer. Denn die Flugbahn ist so gewählt, dass sie von innen kommend die Umlaufbahn des Planeten unter einem flachen Winkel berührt und dabei die Sonde vom Planeten eingeholt wird. Dennoch ist die Relativgeschwindigkeit zwischen beiden Körpern beachtlich groß, wie die nachfolgende Animation zeigt (blau: Erde, grün: Mars, violett: Mars-2020-Sonde. Quelle, Lizenz CC BY-SA 4.0).
Um eine Sonde schließlich auf dem Mars abzusetzen, gibt es nun zwei Optionen. Zum einen kann die Landeeinheit zunächst gemeinsam mit dem Mutterschiff in eine Umlaufbahn um den Planeten einschwenken. Dies geschieht durch Zünden eines Raketenmotors entgegen der Flugrichtung, um die Geschwindigkeit zu reduzieren. Aus dem Orbit heraus lässt sich dann die Landeeinheit zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt absetzen. Dieses Verfahren nutzte die NASA für die beiden Viking-Lander in den 1970er Jahren, weil die Mutterschiffe erst noch geeignete Landeplätze ausfindig machen mussten. Auch die chinesische Marssonde Tianwen-1, die einen Rover absetzen soll, schwenkte am 10. Februar 2021 zunächst in eine Umlaufbahn um den Planeten ein, um die vorgesehenen Landegebiete zu erkunden. Alle anderen Missionen nutzten die zweite Option: Kurz vor Ankunft am Mars trennt sich die Landeeinheit von der Transferstufe und dringt dann auf einer ballistischen Bahn in die Atmosphäre des Planeten ein.
Die „sieben Minuten des Schreckens“
Damit der Eintritt in die Atmosphäre gelingt, ist der Winkel zur Horizontalen entscheidend. Erfolgt der Eintritt zu steil, ist die thermische und mechanische Belastung zu stark, und die Landeeinheit verglüht. Ist der Eintrittswinkel zu flach, kann das Raumfahrzeug das vorgesehene Landegebiet weit verfehlen oder sogar von der Atmosphäre abprallen und wieder in den Weltraum geschleudert werden. Stimmen hingegen alle Eintrittsparameter, dann dauert der rasante Abstieg bis zum Erreichen der Marsoberfläche knapp sieben Minuten. Techniker der NASA bezeichnen diese Zeit gerne als „seven minutes of terror“, also als „sieben Minuten des Schreckens“. Denn diese kritischste Phase der gesamten Mission muss die Landeeinheit völlig autonom über ihren Bordcomputer steuern. Funksignale von und zur Erde wären wegen der großen Entfernung länger unterwegs, als die Landephase dauert. Die Kontrolleure auf der Erde hätten also gar keine Chance, aktiv in diesen Vorgang einzugreifen. Ihnen bleibt nichts als Warten und nervöses Nägelkauen.
Mit typischerweise 20 000 Kilometer pro Stunde dringt die Landeeinheit in die Atmosphäre des Mars ein. Das entspricht der etwa achtfachen Geschwindigkeit eines Gewehrprojektils. Ein solches Geschoss innerhalb von sieben Minuten bis zum Stillstand abzubremsen, ohne dass die Landekapsel oder ihr kostbarer Inhalt Schaden nimmt, ist nur mit einer ausgeklügelten Abfolge von mehreren technisch sehr anspruchsvollen Schritten möglich.
Am konkreten Beispiel der NASA-Mission Mars 2020, die am 18. Februar 2021 den Rover namens Perseverance (englisch: Beharrlichkeit) im Marskrater Jezero absetzte, sei dieses mehrstufige Verfahren erläutert:
Während die Landeeinheit mit dem Hitzeschutzschild voran in die Atmosphäre eintaucht, wird zunächst ein Großteil der Bewegungsenergie durch Reibung an den Molekülen der Atmosphäre in Wärme umgewandelt. Eine geeignete Formgebung der Schutzhülle sorgt für eine aerodynamisch stabile Lage, während das Material des Schutzschilds so gewählt sein muss, dass es den enormen Temperaturen bis zu 1300°C und der extremen mechanischen Belastung standhält.
Ein solcher Atmosphäreneintritt ist für die Rückkehr irdischer Raumschiffe ein erprobtes Verfahren, das seit den Anfängen der astronautischen Raumfahrt eingesetzt wird. Auf dem Mars sind jedoch die Eintrittsgeschwindigkeiten höher, und zudem beträgt die Dichte der Marsatmosphäre nur etwa ein Prozent des irdischen Werts. Infolgedessen ist die Bremswirkung der Marsatmosphäre deutlich geringer. Nach vier Minuten dieser Eintrittsphase hat sich die Geschwindigkeit der Landeeinheit auf rund 1500 Kilometer pro Stunde oder 420 Meter pro Sekunde reduziert. Nun übernimmt ein Bremsfallschirm die weitere Abbremsung von Überschall- auf Unterschallgeschwindigkeit. Danach wird der vordere Hitzeschutzschild, der den Lander bisher vor allen Belastungen geschützt hat, abgeworfen.
Doch wegen der geringen Dichte der Marsatmosphäre ist die Geschwindigkeit der Landeeinheit für ein weiches Aufsetzen immer noch zu hoch. Deshalb übernehmen nun Raketentriebwerke das weitere Abbremsen, die von einem Bordcomputer geregelt werden. Ein Landeradar erfasst dabei die erforderlichen Höhen- und Geschwindigkeitsinformationen. Perseverance nutzte ein solches Radar bereits in der Fallschirmphase und setzte als erster Marslander überhaupt auch eine Feinsteuerung ein, die das Terrain der Marsoberfläche abtastet und mit einer gespeicherten Karte des Landegebiets vergleicht. So konnte Perseverance seine Lage fortlaufend korrigieren und das vorgesehene Ziel treffsicherer erreichen als frühere Lander.
Für die letzte Phase der Landung nutzte man in der Vergangenheit verschiedene Techniken, die hauptsächlich von der Größe und der Komplexität des Landemoduls bestimmt wurden. Neben Bremsraketen oder Schubtriebwerken waren kleinere Rover auch mit Airbags versehen, die den Aufprall abfederten. Allerdings ist beim Einsatz von Prallsäcken, die sich kurz vor der Landung aufblasen, der Landeort durch den Zufall mitbestimmt. Die erste erfolgreich mit diesem Verfahren gelandete Sonde Mars Pathfinder, die rundum durch Airbags geschützt war, kam erst nach mehreren Hüpfern einen Kilometer von der ursprünglichen Aufprallstelle zur Ruhe.
Der Marsrover Perseverance war jedoch mit einer Masse von 1025 Kilogramm zu schwer, um seinen Aufprall mit Airbags mildern zu können. Er war mit einem speziellen Sky Crane (englisch: Himmelskran) versehen, dessen Prototyp den fast baugleichen Rover Curiosity im Jahr 2012 sicher auf dem Mars landen ließ. Kurz vor Erreichen der Marsoberfläche lässt der Sky Crane den Rover an langen Nylonseilen herab. Sobald der Rover den Boden berührt, werden die Seile gekappt; der Sky Crane fliegt mit Hilfe seiner Raketentriebwerke davon, um in sicherer Entfernung vom Rover schließlich auf dem Boden zu zerschellen.
Der Mission Trailer der Mars-2020-Mission fasst die Landung des Marsrovers in einer einminütigen Animation zusammen:
Wie die Landung tatsächlich ablief, zeigt ein weiteres Video, das die NASA am Abend des 22. Februar veröffentlichte. Erstmals bei einer Marslandung hatten mehrere Bordkameras das Geschehen in allen Einzelheiten gefilmt. Die Aufnahmen belegen nicht nur die Zuverlässigkeit der einzelnen Manöver und die Genauigkeit der vorherigen Simulationen, sondern sie geben den Ingenieuren und Wissenschaftlern auch wertvolle Hinweise, die in die Planung künftiger Missionen einfließen werden.
Mit der eindrucksvollen Landung des Marsrovers Perseverance bewies die NASA, dass sie die technischen Schwierigkeiten einer solchen Mission weitgehend im Griff hat. Inwieweit andere Raumfahrtagenturen die Risiken des abenteuerlich ablaufenden Landeverfahrens beherrschen, müssen sie erst noch zeigen. Der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg ist jedenfalls schmal. Denn funktioniert nur eine Kleinigkeit nicht wie vorgesehen, ist die gesamte Mission zum Scheitern verurteilt.
Trotz des jüngsten Erfolgs bleibt eine zusätzliche Hürde bis auf Weiteres bestehen: Das aufwändige Landeverfahren funktioniert nur für tief liegende Regionen des Mars. Denn nur dann ist die in der dünnen Atmosphäre zurückgelegte Strecke lang genug, um eine ausreichende Bremswirkung durch Reibung und Fallschirm zu erreichen. Für eine Landung in hoch gelegenen Regionen wäre schlichtweg der Bremsweg in der Atmosphäre zu kurz. Aus diesem Grund liegen alle Landeplätze der erfolgreichen Missionen in den tiefen Regionen auf der Nordhalbkugel und in Äquatornähe.
Hinweis: Nach der Pressekonferenz der NASA am Abend des 22. Februar 2021 wurde das reale Video der Landung ergänzt und der Text entsprechend angepasst.