Diese (nicht mehr ganz) neue Fliege hilft der Polizei

Insekten liefern schon seit mehr als 100 Jahren wertvolle Hinweise zur Aufklärung von Kapitalverbrechen. Aber auch Polizei und Rechtsmedizin müssen sich an Klimawandel und Veränderungen der Artenvielfalt anpassen

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Ein rostrotes Tönnchen mit kleinen Borsten und schwarzen Flecken.

Am 14. November 2001 wird die Polizei in den Volkspark Niddatal in Frankfurt am Main gerufen. In einem Waldstück liegen zwei Leichen in Schlafsäcken. Die Körper sind stark verwest, zum Teil bis auf das Skelett – unmöglich, die beiden Männer zu identifizieren. Die Polizei veröffentlicht Fotos von ihren Habseligkeiten, aber Zeugen bleiben aus. Die Presse schreibt von „Schlafsackleichen“.

Der Rechtsmediziner stellt schnell fest: Die beiden Männer wurden erschlagen. Nach der Obduktion schätzt er, dass sie mindestens seit Februar tot sind, also seit rund zehn Monaten.

Er bittet seinen Kollegen Jens Amendt um Hilfe. Der ist Experte für forensische Entomologie, weiß also, wie Insekten bei der Aufklärung von Verbrechen helfen können.

Amendt untersucht die Leichen und den Tatort, sammelt Insekten und ihre Überreste ein und bestimmt sie. Eine verlassene Fliegenpuppen-Hülle lässt ihn aufmerken. Denn sie stammt von Chrysomya albiceps, einer Schmeißfliege, die bis dahin noch niemand in Deutschland beobachtet hat. Die Fliege zeigt wieder einmal die Stärken der forensischen Entomologie.

Aufregung um eine Schmeißfliege

Knapp 25 Jahre später sind große Medien wieder in Aufregung wegen der Schmeißfliege. Auf die Forensik in Deutschland könnten schwere Zeiten zukommen, heißt es reißerisch. Hintergrund: Christian von Hoermann von der Universität Würzburg berichtet über den Fund einer Fliegenart. Der Würzburger Kadaverbiologe leitet das Projekt „Belassen von Wildtierkadavern in der Landschaft“. Die Forscher*innen untersuchen, welche Bedeutung große Tierkadaver für die Artenvielfalt haben.

Ein totes Wisent liegt zwischen Heidekraut.
Im Juli 2024 legten die Forscherinnen den Kadaver eines Wisentbullen im Šumava-Nationalpark in Tschechien an der Grenze zu Bayern aus.
Eine metallisch-grün glänzende Fliege mit roten Augen und weißem Kopf.
Auf dem toten Wisent im tschechischen Šumava-Nationalpark entdeckten die Forscher*innen die Schmeißfliege Chrysomya albiceps.
Blick durch ein Lichtmikroskop auf vier olivfarbene Maden mit stacheligen Strukturen.
Diese Chrysomya-albiceps-Larven sammelten die Forscherinnen nach neun Tagen von dem toten Bison im Šumava-Nationalpark.

Dieser Artikel gehört zur Geziefer-Serie „Insekt im Fokus“. In der letzten Ausgabe ging es um Kakerklaken.

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