Wir müssen da was korrigieren: Tauben erkennen Rechtschreibfehler

Höchste Zeit für eine Ehrenrettung der Tauben. Diese Vögel haben einen Absturz sondergleichen hingelegt: von geliebten Postboten früherer Zeiten zur heutigen Stadtplage, die mancher gern vergiftet sähe. Dabei können Tauben nicht nur Menschengesichter unterscheiden, sie begreifen auch, wie Rechtschreibung funktioniert.

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
4 Minuten
Zwei Haustauben sitzen nebeneinander und stecken die Köpfe zusammen.

Tauben und Rechtschreibung, wie soll das gehen? Indem die Vögel ein Regelwerk durchschauen, das dem Ganzen zugrunde liegt. Und das geht so: Wenn wir lesen lernen, begreifen wir Wörter als Objekte, die ein bestimmtes Aussehen haben.

Es gibt in unserer Sprache Buchstabenkombinationen, die sehr häufig vorkommen, etwa „CK“ wie in Zucker oder in Dackel. Andere gibt es seltener. Und wieder andere kommen gar nicht vor. Im Polnischen etwa finden sich Buchstabenkombinationen, die aus deutscher Sicht extrem ungewöhnlich sind, wie „CZ“. Da stutzen wir und sagen, das ist kein deutsches Wort.

Genau solche Regeln begreifen auch Tauben, wie eine Studie aus Neuseeland schon 2016 gezeigt hat. Die Vögel erkennen korrekt geschriebene englische Begriffe und können sie von Nonsense-Wörtern unterscheiden, also von solchen, die zwar wie Wörter aussehen, aber keinen Sinn ergeben.

So lässt sich zum Beispiel das englische Wort „DOTS“ (Punkte) in das Nichtwort „SDTO“ verwandeln. Nach einer (zugegeben langen) Trainingsphase waren die Tauben imstande, „Wörter von Nicht-Wörtern zu unterscheiden“, wie es in der Studie heißt. Sie erkannten „die orthografischen Eigenschaften von Wörtern und nutzten dieses Wissen, um Wörter zu identifizieren, die sie noch nie zuvor gesehen hatten“. Eine Buchstabenfolge wie „SDTO“ markierten sie also – ohne sie zu kennen – als Nonsense-Wort, während sie „DOTS“ als sinnvoll einstuften.

Tauben lernen langsam. Aber was sitzt, das sitzt

Einschränkend muss gesagt werden, dass die Anzahl der Testkandidaten mit nur vier Vögeln sehr klein war, was daran lag, dass Tauben zwar unermüdlich lernen, dabei aber äußerst langsam sind. In einem monatelangen Vortraining wurden 18 Tiere getestet, und nur mit vieren lohnte es sich, weiterzuarbeiten.

Tauben können zwar große Datenmengen bewältigen – so wurde 2006 in einem Versuch gezeigt, dass die Vögel sich mehrere Jahre lang an 800 bis 1200 Bilder erinnern können –, aber sie brauchen viele, viele Trainingsdurchgänge, bis sie das schaffen. Deshalb muss man für ein Experiment Individuen auswählen, mit denen man auch in einer halbwegs passablen Zeitspanne vorankommt.

Insgesamt hat die Orthografie-Studie inklusive Vor- und Nachbereitung drei Jahre verschlungen. Als Erstes lernten die Tauben, an ihre Belohnung zu kommen: Pickten sie mit ihrem Schnabel auf einen Bildschirm, fielen Weizenkörner aus einem Trichter. Anschließend wurden sie mit den ersten Wörtern auf dem Monitor konfrontiert und lernten, welche davon „englisch“ aussahen und welche nicht.

Zwei Haustauben sitzen nebeneinander auf einem Stein und blicken den Betrachter oder die Betrachterin direkt an.
Sie lernen zwar langsam, sind dafür aber unermüdlich und merken sich einmal Gelerntes noch viele Jahre lang.