Sind die letzten Spixaras der Welt in Brandenburg in guten Händen?
Der „Guardian" erhebt schwere Vorwürfe gegen den Artenschutzverein ACTP. Wir gehen der Sache nach.
Es kommt selten vor, dass die internationale Presse auf ein kleines Dorf in Brandenburg schaut – und dass es dabei auch noch um sehr seltene Vögel geht. Doch genau das passiert gerade. Der britische Guardian erhob im Dezember schwere Vorwürfe gegen den privaten Papageien-Zuchtverein ACTP und dessen Vorsitzenden Martin Guth. (1) Es geht um den Vorwurf des illegalen Handels mit Papageien, um die angeblich mangelnde Kontrolle durch die Naturschutzbehörden in Deutschland und in den Herkunftsländern der Vögel – und um die kriminelle Vergangenheit des Vereinsvorsitzenden.
Das Thema ist wichtig. Denn es geht auch um eine der seltensten Vogelarten der Welt, den Spixara. Er wurde 2018 für in freier Wildbahn ausgestorben erklärt. Als der letzte wilde Vogel um das Jahr 2000 herum verschwand, gab es in Gefangenschaft weltweit noch 42 Exemplare. Doch dank intensiver Zuchtbemühungen, an denen seit 2006 auch der ACTP beteiligt war, ist ihre Zahl wieder auf etwa 158 Vögel angewachsen. Nachdem im vergangenen Jahr der ACTP den Spixara-Bestand aus der Al-Wabra Wildlife Preservation (AWWP) in Katar übernommen hat, befinden sich über 90 Prozent der aktuellen Weltpopulation des Spixaras – 147 Tiere – in der Obhut des ACTP. Eine große Verantwortung.
Dem Guardian gewährte der Verein keinen Einlass in seine Anlage – offenbar weil bekannt war, dass die Reporter einen Skandal aufdecken wollten. Wir „Flugbegleiter“ waren bereits in der Anlage. Das war im Mai 2017, als der ACTP als Kooperationspartner des Berliner Naturkundemuseums und dessen Ausstellung über Aras auftrat. In unserem Bericht haben wir einen Kritiker des Vereins zitiert. Aber es gab damals keinen Hinweis auf Gesetzesverstöße. Wir konnten jetzt erneut mit Guth sprechen, um ihn mit den Vorwürfen zu konfrontieren, und haben auch andere Quellen herangezogen.
Wir haben ein großes Interesse daran zu verstehen und Ihnen zu berichten, was an den Vorwürfen des Guardian dran ist. Die Materie ist hochkomplex. Schauplatz ist nicht nur Brandenburg, die Vorgänge betreffen auch Australien, die Karibik und Brasilien. Wir würden gerne zur Recherche dorthin reisen, wofür aber unser Budget nicht reicht. Wir versuchen nun mit den vorhandenen Mitteln zur Aufklärung beizutragen.
Deshalb dieser Recherche-Blog, der nach Fragen gegliedert ist und in den wir neue Erkenntnisse eintragen können. Wir fangen mit den grundlegenden Fragen an.
Was ist überhaupt der ACTP?
ACTP steht für „Association for the Conservation of Threatened Parrots“. Der Verein wurde im Jahr 2006 gegründet. Das Ziel des ACTP e.V. ist es nach eigenen Angaben, vom Aussterben bedrohte seltene Papageienarten zu schützen – unter anderem durch Zucht und Aufbau von Reservepopulationen, einer Art „Back Up“ für den Fall, dass die Art in ihrer Heimat weiter in Bedrängnis gerät. Vereinsvorstand ist Martin Guth. Der ACTP betreibt in der Nähe von Schöneiche bei Berlin eine 13.000 Quadratmeter große Papageien-Zuchtstation. Diese ist nicht allgemein öffentlich zugänglich. Der Verein finanziert sich über Spenden.
Was wirft der „Guardian“ dem Verein vor?
Laut Guardian hat der ACTP in den vergangenen drei Jahren über 200 Vögel, darunter seltene Braunkopfkakadus, Langschnabel-Rußkakadus und Weißschwanz-Rußkakadus sowie Blauscheitelloris aus Australien eingeführt. Begründung für den ungewöhnlichen Import sei es gewesen, dem Artenschutz zu helfen und die Tiere in Gefangenschaft zu vermehren. Später sollen einzelne Exemplare der aus Australien importierten Arten aber für hohe Summen im Internet angeboten worden sein. Die Annoncen dafür seien im selben Postgebiet in Schöneiche aufgegeben worden, in dem der ACTP auch seinen Sitz hat.
Um die Erlaubnis für den Import geschützter Arten aus Australien zu bekommen, so der Guardian, habe der private Verein sich fälschlicherweise als Zoo ausgegeben, obwohl seine Anlagen für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglich seien. Er operiere wie eine Geheimorganisation, die hinter hohen Rolltoren verborgen die größte Sammlung seltener Papageien weltweit angehäuft habe.
Der Verein, so monieren die Kritiker, gebe keine Auskunft über seine Finanzen, veröffentliche keine regelmäßigen Rechenschaftsberichte, publiziere auch nicht über seine Arbeit in wissenschaftlichen Fachzeitschriften.
Zu den Vorwürfen zählte auch, dass der ACTP streng geschützte endemische Kaiseramazonen und Blaukopfamazonen von der Karibikinsel Dominica importierte, weil sie dort durch zunehmende Hurricanes gefährdet seien. Der Verein hält auch seltene Papageienarten der Karibikinseln Saint Lucia und Saint Vincent. Laut Recherchen des Guardian hat der ACTP 2009 der Forstverwaltung in Saint Lucia mehrere Fahrzeuge mit Allrad-Antrieb gestiftet. Im darauffolgenden Jahr sei die Exporterlaubnis aus Saint Lucia für die Vögel erteilt worden.
In der Summe ist die Schlussfolgerung des Guardian-Artikels, dass der Verein unseriös arbeitet. Trifft dies zu, dürfte man ihm kaum die letzten verbliebenen Individuen der Spixaras, einer in freier Natur ausgestorbenen Papageien-Art, anvertrauen.
Um welche Vorwürfe geht es nicht?
Zu keinem Zeitpunkt wurde bezweifelt, dass die Tiere beim ACTP artgerecht gehalten würden – auch unsere Besuche ergaben dafür keine Anhaltspunkte. Als Züchter seltener und schwierig zu reproduzierender Arten ist der Verein sehr erfolgreich. Dem ACTP ist es als erstem Züchter gelungen, dass Spixaras sich in Gefangenschaft auf natürliche Weise reproduzieren, das hießt, Eier legen, brüten und ihre Jungen selber aufziehen. Bislang war die Reproduktion nur über Handaufzucht, verstärkt durch künstliche Befruchtung, gelungen. Auch an Guths Leidenschaft für Papageien gibt es keinen Zweifel. Er kennt sich aus mit den Arten und ihrer Biologie, wie wir im Gespräch mit ihm feststellen konnten.
DIE AUSTRALIEN-CONNECTION
Was sagt der ACTP zum Vorwurf illegaler Vogelimporte?
Mit Papageien lässt sich viel Geld verdienen. Der illegale Handel und Schmuggel mit Wildfängen ist ein Millionengeschäft, an dem sich international operierende Organisationen bereichern. Der ACTP operiert mit seinen Nachzuchten streng geschützter Arten zumindest in einer Grauzone. Er verfügt über ein über die Jahre erworbenes fachliches Know-how in der Reproduktion und Haltung von Papageien.
Guth sagt, dass die australischen Behörden, trotz mehrmonatiger Recherchen und kritischer Nachfragen des Guardian dort, ihm noch im Dezember Vögel geschickt hätten – was sie sicher nicht getan hätten, wenn es Anhaltspunkte für illegale Aktivitäten des Vereins gegeben hätte.
Der Verein argumentiert, die hohen Sicherheitsvorkehrungen seien notwendig, um die kostbaren Vögel vor Diebstahl zu schützen. Rechenschaft lege man nur gegenüber dem Finanzamt ab und gegenüber den Regierungen, mit denen man zusammenarbeite und denen gegenüber man sich verpflichtet habe.
Die Ausfuhr der australischen Vögel nach Deutschland erfolgte jedenfalls legal, ausgestattet mit allen notwendigen Papieren. Wir konnten bei Guth entsprechende, vom Bundesamt für Naturschutz unterzeichnete Einfuhrerlaubnisse einsehen.
Ist der ACTP gar kein Zoo?
Richtig ist, dass der ACTP sich erst 2014, also kurz, bevor er bei der australischen Regierung den Antraf auf Import von Papageien gestellt hat, vom Landkreis Märkisch-Oderland als Zoo registrieren ließ. Dies bestätigte das Landratsamt dem Tagesspiegel. (2) Die Zoo-Lizenz ist eine Bedingung für die Ausfuhrgenehmigung der streng geschützten Arten aus Australien. Doch die Zulassung als Zoo wurde erteilt. Nach Auskunft des zuständigen Landratsamts, so der Tagesspiegel, werde die Anlage „regelmäßig, mindestens einmal jährlich, kontrolliert“. Verstöße gegen Haltungsvorschriften oder gegen Artenschutzrichtlinien seien nicht festgestellt worden.
In der Tat ist das ACTP-Gelände nicht allgemein zugänglich. Doch Guth zufolge besuchen etwa 1000 Besucher im Jahr nach vorheriger Anmeldung die Anlage, allerdings werde der Zugang wegen der sensiblen Vögel und der schwierigen Zucht restriktiv gehandhabt.
Das war den australischen Behörden auch bekannt. Laut einem Bestätigungsschreiben der australischen Regierung, das uns vorliegt, wurde dem ACTP am 15.7. 2015 bescheinigt, dass der Verein die Kriterien für die Anerkennung als Zoo erfülle, „da Sie, obwohl nicht allgemein für die Öffentlichkeit zugänglich, interessierte Besucher nach Anmeldung durch die Anlage führen und eine gemeinnützige Organisation sind“.
Ist jeder Handel mit seltenen Papageien illegal?
Überraschenderweise ist die Antwort: Nein. Laut Washingtoner Artenschutzabkommen unterliegen zwar Wildfänge geschützter Arten und deren Nachkommen einem strengen Handelsverbot. Die in zweiter oder dritter Generation in Gefangenschaft gezüchteten Tiere dürfen jedoch gehandelt werden, wenn keine besonderen Gründe dagegen sprechen. Das macht den Handel selbst mit streng geschützten Papageienarten legal möglich. Die in Gefangenschaft gezüchteten Tiere werden durch geschlossene Ringe gekennzeichnet und erhalten Zuchtpapiere.
Doch Schmuggler finden immer wieder Mittel und Wege, um Ringe und Papiere zu fälschen. Tiere aus älterer Privathaltung sind zudem oft nicht angemeldet – und es ist dann schwierig für die Behörden, illegale Wildfänge von nachgezüchteten Tieren zu unterscheiden.
Die im Internet angebotenen Braunkopfkakadus gehörten einer ungefährdeten Art des Anhangs II nach CITES an, deren Nachzuchten in dritter Generation verkauft werden dürfen.
Auf der anderen Seite ist Erhaltungszucht bestimmter Arten, die in ihrer natürlichen Umgebung kurz vor dem Aussterben stehen, mitunter nur mit Wildentnahmen möglich. Die Frage ist, inwieweit solche Entnahmen unter der Aufsicht von Naturschutzbehörden der betroffenen Länder oder Regionen stehen. Der Nachweis, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ist bei Tieren späterer Generationen schwierig.
Der ACTP-Vorsitzende gab an, dass der Verein auch immer wieder Vögel im Rahmen der Ausnahmegenehmigungen des Washingtoner Artenschutzabkommens verkauft – das sei sogar Teil des Finanzierungskonzeptes. Er beteuert aber, dass bislang kein einziger der aus Australien importierten Vögel, die laut Exportauflage nur an Zoos weitergegeben werden dürfen, vom ACTP weiterveräußert worden sei. „Die sind alle noch in den Anlagen des Vereins und werden für die Zucht gebraucht, “ erklärt Guth. Dass die Vögel oder deren Nachkommen zu einem späteren Zeitpunkt abgegeben werden, schließt er nicht aus. Das ist aber – wie das Bundesamt für Naturschutz bestätigt – auch legal möglich. Anders als der Guardian behauptet, würden die Exportauflagen der australischen Regierung damit nicht verletzt.
Bis auf die Weißohr-Rabenkakadus, die besonders geschützt sind und unter der Auflage exportiert wurden, dass sie die Anlage des ACTP nicht ohne Genehmigung der australischen Regierung verlassen dürfen, handelt es sich bei den anderen Arten um gezüchtete Vögel des Anhangs II der CITES-Liste, deren Export lediglich an die Bedingung geknüpft ist, dass sie nicht „hauptsächlich“ zu kommerziellen Zwecken genutzt werden dürfen.
Der ACTP hat also einen Weg gefunden, auf legale Weise seltene Papageien aus Australien zu importieren. Das mag dem ein oder anderen Züchter in Deutschland und Australien bitter aufstoßen. Ein Verstoß gegen geltende Artenschutzbestimmungen in Australien oder Deutschland ist das nicht.
Verkauft der ACTP unter der Hand im Internet geschützte Papageien?
Guth bestreitet nicht, dass australische Vögel von jemandem in Schöneiche im Internet angeboten worden sind. Die Annonce, in der Vögel angeboten worden seien, könne auch von einem anderen Halter stammen. In Schöneiche gebe es noch andere Züchter. Guth sagt, dass auf keinen Fall Spixaras oder andere Vögel aus der Erhaltungszucht veräußert würden. Auch würde der ACTP generell keine Tiere für die Wohnzimmerhaltung abgeben, sondern nur an andere Züchter oder Zoos. „Aber klar haben wir von unseren Nachzuchten immer wieder auch Vögel verkauft. Da haben wir auch das Recht dazu. Dafür kriegen wir auch die Genehmigung ausgestellt“, erklärt Guth.
Unklar bleibt bislang, von wem die vom „Guardian“ zitierte Annonce stammt und um wen es sich bei den „anderen Züchtern“ aus Schöneiche handeln könnte. So oder so wäre der Verkauf eines nachweislich gezüchteten Braunkopfkakadus in Deutschland nicht illegal.
DIE KRIMINELLE VERGANGENHEIT DES VORSITZENDEN
Welche Rolle spielt die kriminelle Vergangenheit des Vorsitzenden?
In den 1990er Jahren, berichtete der Guardian, habe Guth einen Nachtclub betrieben und sei unter anderem als skrupelloser Geldeintreiber unterwegs gewesen, der dabei auch zu Entführung und Gewaltandrohung als Mitteln gegriffen habe. Er sei deswegen zu fünf Jahren Haft wegen Entführung und Erpressung und noch einmal 2009 zu 20 Monaten wegen Betrugs verurteilt worden. Der Guardian behauptet, ein Mann mit einem derartigen Vorstrafenregister könne nur deshalb ein Interesse an seltenen Vogelarten haben, weil sich mit ihnen auf dem Schwarzmarkt viel Geld verdienen lasse.
Nach Recherchen des Tagesspiegel und der Bild-Zeitung gibt es zudem eine verdächtige Verbindung des Rappers Bushido und von Arafat Abou-Chaker, einem prominenten Mitglied einer aktenkundig kriminellen libanesischen Großfamilie zum ACTP. (2) Die Bild-Zeitung berichtete, Bushido und Abou-Chaker hätten sehr viel Geld an den Papageien-Verein in Brandenburg gespendet.
Was sagt Martin Guth zu diesen Vorwürfen?
Guth bestreitet seine kriminelle Vergangenheit nicht – verweist jedoch darauf, dass er alle Straftaten in den 90er Jahren verübt habe, und dass diese lange verjährt seien. Er legte uns ein polizeiliches Führungszeugnis vor, das das bestätigt.*
Guth bestätigt, dass Abou-Chaker tatsächlich im Jahr 2010 eine große Summe an den ACTP gespendet hat. Seine Geschichte dazu: Man habe sich auf der After-Show-Party bei Constantin-Film kennen gelernt. Zuvor hatte Filmproduzent Bernd Eichinger das Leben des Rappers Bushido in seinem Film „Zeiten ändern dich“ verfilmt. Auch Abou-Chaker kommt darin vor.
Für die Überlassung der Persönlichkeitsrechte habe er von Eichinger Geld verlangt, das dieser nicht habe zahlen wollen. Am Ende, so Guth, habe man sich darauf geeinigt, das Geld dann eben „an diesen Vogelverein“ zu spenden. „Abou-Chaker hat mich weder gefragt, ob er dafür einen Vogel haben kann, noch sonst irgendwas erhalten“, sagt Guth. Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, die Spende nicht anzunehmen, sagt er – nach all dem Ärger, den er deswegen gehabt habe. Sonst stünde er in keiner geschäftlichen Beziehung zu dem Clan.
Dagegen berichteten Tagesspiegel und Bild-Zeitung von langjährigen Beziehungen zwischen Guth und der Familie Abou-Chaker. Der ACTP-Chef sei eine Zeit lang mit einem Luxuswagen unterwegs gewesen, der auf Arafat Abou-Chaker angemeldet gewesen sei. Woher das plötzliche Vogelinteresse bei Abou-Chakter gekommen sei? „Das ist damals eine spontane Idee gewesen“, sagt Guth. „Wir hatten vorher auf der Party drüber geredet und die fanden es gut, was wir machen“. Später hätten Bushido und Abou-Chaker mit ihren Familien einmal den ACTP besucht und sich alles zeigen lassen. „Wir hatten einen schönen Nachmittag und haben den Kindern bunte Federn geschenkt“, sagt Guth. „Das war alles.“
Guth sagt zudem, das Finanzamt habe an den Transaktionen nichts auszusetzen gehabt. Es habe Steuerfahnder geschickt, die alles auf den Kopf gestellt und in jahrelangen Ermittlungen alles geprüft und für richtig befunden hätten.
Wie stehen deutsche Naturschutzbehörden zum ACTP und dem Vorwurf des illegalen Imports aus Australien?
Der Verein wird von deutschen Naturschutzbehörden auch nach der Publikation des Guardian weiter unterstützt. Das Bundesamt für Naturschutz, das in Deutschland für die Einhaltung der Regularien des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) zuständig ist, erklärte, es habe Kenntnis von der Verkaufsanzeige für Braunkopfkakadus aus Schöneiche gehabt, jedoch keinen Grund gesehen, einzuschreiten. „Das Verkaufsangebot wurde überprüft und dabei festgestellt, dass es sich um rechtmäßig eingeführte, gezüchtete Tiere handele, die handelbar sind“, heißt es in einer Stellungnahme der Behörde.
SCHAUPLATZ KARIBIK
Was werfen Naturschützer aus der Karibik dem ACTP vor?
Ärger gab es auch, weil der ACTP streng geschützte endemische Kaiseramazonen und Blaukopfamazonen von der Karibikinsel Dominica importierte, die dort durch zunehmende Hurricanes gefährdet sind. Die notwendigen Papiere hatte das Bundesamt für Naturschutz ausgestellt – und das dominische Landwirtschaftsministerium. Es sei eine Notmaßnahme gewesen, die Tiere seien nach dem letzten Hurricane „Maria“ aufgelesen worden und hätten auf Dominica nicht ausreichend versorgt werden können, begründet das BfN seine Unterstützung. Der ACTP will mit den Vögeln eine „Sicherungszucht“ aufbauen. Lokale Umweltschützer und internationale Naturschutzorganisationen wie die US-amerikanische Organisation „Rare Species Conservation Fund“ (RSCF), die sich seit rund zwei Jahrzehnten für die Erforschung und den Schutz der dominischen Natur und insbesondere auch der endemischen Papageien einsetzt, protestierten – und forderten die Rückführung der Tiere aus Deutschland.
Während „legitime“ Naturschutz-NGOs seit Jahrzehnten Millionen von Dollar in Projekte zum Schutz der Papageien vor Ort ausgegeben hätten, habe sich der ACTP nach dem Hurricane nur für den heimlichen Abtransport der Vögel interessiert und ansonsten nichts für Dominica getan, kritisiert der RSCF in einer offenen Protestnote, die von zahlreichen Umweltschutzorganisationen und Zoologen unterschrieben wurde.
Der Papageienzuchtverein aus Brandenburg betreibt auch „Erhaltungszuchtprogramme“ für die ebenfalls extrem bedrohten endemischen Papageien der Karibikinseln St. Lucia und St. Vincent.
Dafür, dass sich der ACTP gegen Gefälligkeiten oder Bestechungszahlungen an karibische Behörden Zugang zu seltenen Papageien verschafft hat, wie Umweltschützer aus der Karibik ihm vorwerfen, gibt es keine Beweise.
Wie beurteilen deutsche Behörden den Import aus der Karibik?
Unsere Nachfrage beim Bundesamt für Naturschutz ergab: Die zuständige deutsche Behörde wurde in einem offiziellen Schreiben des Staatssekretärs im Landwirtschaftsministerium Dominicas um dringende Unterstützung beim Erhalt ihrer Nationalvögel gebeten. Die Tiere blieben im Besitz Dominicas, es handele sich um einen „Zucht-Leihvertrag“, wie dies vom Eigentümer gewünscht werde.
Allerdings unterstellen die auf Dominica engagierten Umweltschützer diesem Staatssekretär, er habe sich durch finanzielle Versprechungen des ACTP kaufen lassen. Die Tiere seien an Tropenstürme angepasst und könnten in ihrer natürlichen Umgebung besser geschützt werden. Die internationale Umweltorganisation „BirdsCaribbean“ widersprach der Darstellung des ACTP, die nach dem Hurricane geretteten Vögel seien in ihrer Voliere in einem erbärmlichen Zustand gewesen. Die zehn Blaukopfamazonen, die „in einer Nacht- und Nebelaktion“ nach Deutschland exportiert wurden, hätten in den nächsten Tagen wieder in die Natur entlassen werden sollen.
In der Frage, wie die Vögel besser geschützt werden können, sind sich Naturschützer allerdings nicht einig. Martin Schaefer, Geschäftsführer der ecuadorianischen Naturschutzorganisation Fundación Jocotoco sagte „Spektrum der Wissenschaft", unter Umständen könne es besser sein, bei nur noch wenigen überlebenden Exemplaren Wildfänge zu machen und diese kontrolliert nachzuzüchten, wie es in dem ausführlichen Bericht hieß. (4)
Der ACTP verweist darauf, dass der Verein sich, anders als vom RSCF behauptet, in der Karibik seit Jahren auch für zahlreiche Artenschutzmaßnahmen zum Schutz der endemischen Papageien vor Ort engagiere. Auch auf Dominica habe der ACTP unter anderem 4000 Zitronenbäumchen gespendet, um Konflikte zwischen Bauern und Papageien zu verhindern, Die hungernden Vögel plündern dort zunehmend die von Hurricanes ebenfalls stark verwüsteten Plantagen der Bauern. Weitere 12000 Mango- und Avocadobäumchen sollen folgen.
BRASILIEN: DAS SCHICKSAL DER SPIXARAS
Welche Rolle spielt der ACTP für Spixaras?
Die Vorwürfe des Guardian wiegen vor allem auch deswegen schwer, weil ACTP der wichtigste Partner der brasilianischen Regierung beim Spixara-Projekt ist. Das Schicksal der kleinen blauen Aras ist durch den Zeichentrickfilm „Rio“ weltberühmt geworden. Die in der brasilianischen Caatinga heimische Art ist in der Natur mittlerweile ausgestorben, unter anderem durch illegale Wildfänge. Fänger stellten ihnen nach, weil die seltenen Vögel unter Papageiensammlern einen großen Wert besaßen. Der ACTP gehört zu den wenigen Züchtern weltweit, denen es gelungen ist, Spixaras zu reproduzieren. Seit vergangenem Jahr besitzt der Verein mit 147 Tieren über 90 Prozent der Weltpopulation des seltenen Vogels.
Der Vogel ist mittlerweile zu einer Art Pop-Star des Naturschutzes in Brasilien geworden. Auf Musikfestivals wird die baldige Rückkehr des „Ararinha-Azul“ besungen, in Schulen malen Kinder Bilder von ihm. Die ersten zwei Spixaras aus Brandenburger Zucht wurden vor drei Jahren sogar von der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zum Flughaben eskortiert, wo sie gen Brasilien flogen, um der brasilianischen Regierung zum Geschenk gemacht zu werden. Der ACTP war auch offizieller Partner des Naturkunde-Museums in Berlin. Als dort im vergangenen Jahr eine große Ara-Ausstellung eröffnete, konnten die Besucher über eine Live-Cam direkt ins Nest der Spixaras in Schöneiche gucken.
Dank der Aufzucht bei Schöneiche sollen noch 2019 rund 50 Spixaras in die Caatinga zurückgebracht und auf die Auswilderung vorbereitet werden – unterstützt durch die notwendigen Ein- und Ausfuhrgenehmigungen vom Bundesamt für Naturschutz und dem Landesamt für Umwelt in Brandenburg. In Bahia sind im vergangenen Jahr von der zuständigen Naturschutzbehörde zwei Naturschutzgebiete für den Spixara ausgewiesen worden. Eine Auswilderungsvoliere wurde gebaut – nach Angaben von Guth finanziert von ACTP, Pairi Daiza Foundation und Wildlife Reserves Singapore. Eine Kampagne läuft, um die lokale Bevölkerung in das Programm zur Rückkehr und zum Schutz der Art einzubinden.
Wie sind die Spixaras überhaupt nach Brandenburg gekommen?
Den Grundstock für die Brandenburger Spixara-Zucht bildeten drei Vögel, die Guth bereits vor 2006 besaß und von denen er sagt, er habe sie legal erworben.
Solche Tiere sind fast ausschließlich aus illegalen Wildfängen in Umlauf gekommen: Der ohnehin schon durch die Zerstörung seines Lebensraumes an den Rand des Aussterbens gebrachten Art war am Ende in der freien Wildbahn der Garaus gemacht worden, weil die letzten Vögel weggefangen und auf dem Schwarzmarkt verkauft worden waren. Das letzte wildlebende Männchen verschwand 2000 aus der brasilianischen Caatinga. Schon 1990 hatte die brasilianische Regierung ein Programm zur Rettung der Art aufgelegt und angeboten, die letzten Spixaras in Privatbesitz als legal anzuerkennen, wenn deren Besitzer – darunter auch der Papageienpark Loro Parque auf Teneriffa und das „Al-Wabra Wildlife Preservation Centre“ des Scheichs Saud bin Mohammed al-Thani in Katar – sich bereit erklärten, an einem Programm zur Erhaltungszucht teilzunehmen. Martin Guth stieg mit seinen Vögeln erst 2006 ein. Der Loro Parque verließ das Programm 2016 und gab seine Vögel an Brasilien zurück – der öffentliche Papageienpark kritisierte, dass die restlichen Teilnehmer des Erhaltungszuchtprogramms in privater Hand seien und wenig transparent agierten. (5)
Nachdem es jahrelang kaum Nachzuchterfolge bei den Spixaras gab, war es Al-Wabra in den letzten Jahren durch neue Methoden der künstlichen Befruchtung gelungen, die Zahl der seltenen Aras von etwa 40 Tieren auf 120 zu erhöhen. In Schöneiche hat man dagegen Erfolge mit natürlicher Fortpflanzung erzielt – eine wichtige Voraussetzung, wenn die Vögel in der Natur überleben sollen. Nachdem der Besitzer von Al-Wabra, Scheich Saud bin Muhammed Al Thani, überraschend gestorben war, übernahm der ACTP auch die 120 Spixaras aus Katar – zusammen mit dem gesamten wissenschaftlichen Personal aus dem Al-Wabra Wildlife Preservation Centre. In der Summe bedeutet das, dass 90 Prozent der Weltpopulation des Vogels in der Verantwortung von Guths ACTP liegt. Das ist ein hohes Risiko für die Art – denn ein Virus könnte die gesamte Population vernichten. Nur elf Vögel befinden sich derzeit in Brasilien, einige wenige, nicht mehr zur Zucht geeignete Tiere in Zoos in Belgien und in Singapur.
Dass nun fast alle verbliebenen Aras und das gesammelte Know-How der Spixara-Reproduktion in einer Hand liege, sei für das Projekt nur von Vorteil, sagt Guth. Einige Zuchtpaare sollten zudem bald an den privaten Tierpark Pairi Daiza in Belgien gehen, dort würden in Kürze auch vier Spixaras, die nicht für die Zucht zu gebrauchen seien, öffentlich zu sehen sein. „Außerdem sollen ja auch bald die 50 Vögel aus Nachzuchten nach Brasilien gehen. Dann sind die Tiere auf drei Standorte verteilt“, sagt er.
Wie beurteilen deutsche Naturschutzbehörden das Spixara-Projekt?
Das Bundesamt für Naturschutz hat den Import der Spixaras aus Katar durch den ACTP genehmigt. Man arbeite seit Jahren mit dem ACTP zusammen, alle Maßnahmen würden eng mit der brasilianischen Regierung abgestimmt – auch der Transfer der Vögel von Katar nach Schöneiche, sagte uns Karin Hornig, zuständige Fachgebietsleiterin im BfN. Nach dem Tod von Scheich al-Thani habe die Königsfamilie das Al-Wabra-Centre auflösen wollen – es habe die Gefahr bestanden, dass die Vögel in andere Hände geraten und dem wichtigen Zuchtprogramm dann nicht mehr zur Verfügung stünden. Regelmäßig würden die Zu- und Abgänge der brandenburgischen Spixara-Zucht durch die untere Naturschutzbehörde geprüft. Zusätzlich fänden ein- bis zweimal jährlich Vor-Ort-Begehungen mit dem BfN statt.
Ohne die private Initiative wäre man beim Spixara-Projekt nie so weit gekommen, sagt Hornig. Auch die Auswilderungsvoliere in Brasilien ist vom ACTP und von Al-Wabra mitfinanziert worden – ebenso wie die Maßnahmen zur Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in das Projekt. Für die geplante Auswilderung gebe es kein Vorbild: Es ist weltweit die erste Papageienart, die wieder in die Natur zurückkehren soll.
VORLÄUFIGES FAZIT
Es handelt sich um eine komplizierte, vielschichtige Materie. Jeder Vorwurf und jeder Zweifel an der Seriosität eines Vereins, der für das Schicksal einer in freier Natur ausgestorbenen Vogelart verantwortlich ist, muss sehr ernst genommen werden.
Aber zentrale Vorwürfe des Guardian konnten wir nicht bestätigen. Einige erwiesen sich als falsch. So lief der Import der Braunkopfkakadus aus Australien nach den anerkannten Regeln. Der Verkauf von Nachzuchten des Tiers durch eine unbekannte Quelle in Schöneeiche war laut Bundesamt für Naturschutz nicht illegal. Der ACTP wurde als Zoo anerkannt. Der Vorwurf des Guardian, der Verein habe bei der Frage australischer Behörden, ob Beteiligte vorbestraft seien, eine falsche Angabe gemacht („N/A“, also not applicable, nicht anwendbar) und die kriminelle Vergangenheit des Vorsitzenden verschleiert, ist falsch. Laut Führungszeugnis, das wir einsehen konnten, ist Guth nicht länger vorbestraft. Nach einer gewissen Zeit werden die Vorstrafen aus dem Führungszeugnis getilgt.
Die Vorgänge in der Karibik und die Vorwürfe über angebliche Korruption lassen sich bisher nicht aufklären. Hier wären weitere Recherchen nötig. Wenn Sie einen Tipp haben, wie wir an neue Informationen kommen könnten, die über die vorliegenden Berichte hinausgehen, melden Sie sich bitte bei uns.
Allerdings haben die Regierungen in St Vincent und St Lucia ihre Zucht-Leihverträge mit dem ACTP kürzlich noch einmal um acht Jahre verlängert – und verweisen darauf, dass für sie die Erhaltungszucht des ACTP in Deutschland einen wichtigen Baustein dafür darstellt, ihre endemischen Papageienarten vor dem Aussterben zu bewahren.
Was das Schicksal der Spixaras anbelangt, so bleiben die deutschen Behörden dabei, dass die Tiere beim ACTP in guten Händen seien. Vielleicht ist der Verein mit seiner zentralen Rolle inzwischen „too big to fail“, ist das Spixara-Programm so weit fortgeschritten und so sensibel, dass größere Änderungen derzeit einfach nicht praktikabel wären. Und zweifelsfrei ist der ACTP einer der zentralen Akteure, die sich kontinuierlich und mit eigenen Mitteln für den Arterhalt und das Spixara-Projekt engagieren.
Die Veröffentlichung im Guardian wird auf jeden Fall dazu führen, dass alle Kontrolleure den ACTP noch genauer unter die Lupen nehmen. Viele Beteiligte werden erleichtert sein, wenn die ersten 50 Tiere aus der Nachzucht in Brasilien angekommen sind. Eine Gefährdung des Wiedereinbürgerungsprojekts durch den Regierungswechsel in Brasilien fürchtet das ACTP derzeit nicht. Naturschutz gehört nicht eben zu den Prioritäten des neuen rechtspopulistischen Präsidenten. Bolsonaro hat bereits angekündigt, den brasilianischen Amazonas-Regenwald für Rodung und wirtschaftliche Nutzung freigeben zu wollen.
Das Problem, dass der ACTP zu wenig transparent agiert und es keine unabhängige wissenschaftliche Begleitung der Zuchtaktivitäten hinter den Rolltoren gibt, wie das bei anderen Zoologischen Gärten üblich ist, bleibt in jedem Fall bestehen. Hier sollten die Behörden dringend dafür sorgen, dass mehr Transparenz praktiziert wird und eine formale wissenschaftliche Begleitung des Projekts stattfindet. Institutionen wie das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung verfügen über die nötige Kompetenz, Zuchtprogramme zu beurteilen und transparente Abläufe zur Vermehrung und Freisetzung bedrohter Tierarten zu schaffen.
Da es im Gegensatz zu anderen beteiligten Vogelarten beim Spixara um das Überleben der Art geht, werden wir bei weiteren Recherchen hier unseren Schwerpunkt setzen. Wir sind aber auch bei allen anderen beschriebenen Themen an neuen Informationen sehr interessiert. Wenn Sie Hinweise haben, melden Sie sich bitte bei uns: info@flugbegleiter.org.
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*Korrektur: In der ersten Version dieses Rechercheblogs haben wir die Behauptung des „Guardian“ wiedergegeben, dass Guth noch im Jahr 2009 eine Haftstrafe abgesessen habe. Diese Behauptung ist falsch. Zwar ist Guth 2009 – also drei Jahre nach Gründung des ACTP – zu einer 20-monatigen Haftstrafe wegen Betrugs verurteilt worden, die auf Bewährung ausgesetzt wurde. Aber das Urteil bezog sich auf Fälle aus den 90er Jahren. Wir haben die Passage entsprechend korrigiert.
An der Finanzierung der Auswilderungsvoliere in Brasilien ist das Al-Wabra Wildlife Preservation Centre zudem nicht beteiligt, auch diese Angabe haben wir korrigiert.
Quellen
- (1) Lisa Cox/Philip Oltermann, A legitimate zoo?’ How an obscure German group cornered global trade in endangered parrots, The Guardian, Online-Ausgabe, 10.12.2018
- (2) Alexander Fröhlich, Abou-Chaker und die organisierte Vogelzucht, Tagesspiegel Online, 12.12.2018
- (3) BirdsCaribbean, BirdsCaribbean Speaks Out on Recent Controversial Export of Threatened Parrots from Dominica to Germany, 3. April 2018
- (4) Gunther WIllinger, Zoff um Papageien in Deutschland, Spektrum der Wissenschaft Online, 16.5.2018
- (5) Christiane Habermalz, Artenschutz im Hochsicherheitstrakt, Die Flugbegleiter, 23. 5. 2017