Lässt sich Klimaschutz vor Gericht einklagen?
Menschenrechtsaktivisten, Umweltschützer und Rechtsanwälte ziehen vor die Gerichte, um Klimaschutz zu erstreiten. Ein Überblick über zehn aktuelle Verfahren.
Klimaklagen stellen Gerichte wie Gesetzgeber vor Grundsatzfragen: Sind Regierungen verpflichtet, heute Vorsorge für nachkommende Generationen zu treffen? Wie verbindlich ist das Pariser Klima-Abkommen von 2015? Lässt sich das Verursacherprinzip in der Klimafrage auf einzelne Unternehmen übertragen? Sind Wälder, Flüsse oder ganze Meere eigene Rechtssubjekte, die es zu schützen gilt?
Klimaklagen gehören zu den wesentlichen sozialen Treibern, um das 1,5-Grad-Ziel das Pariser Klimaabkommens noch erreichen zu können, stellte die Hamburger CLICCS-Studie fest. Im Folgenden werden zehn Verfahren vorgestellt, die in den letzten vier Jahren eine wichtige Rolle spielten:
Bundesverfassungsgericht: Klimaschutz als Frage von Generationengerechtigkeit und Menschenrechten
Im April 2021 stellte das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil auf das Prinzip der Generationengerechtigkeit ab: Demnach darf eine Generation nicht große Teile des CO2-Budgets verbrauchen, da nachfolgenden Generationen damit eine radikale Reduktionslast überlassen werde, die mit „umfassenden Freiheitseinbußen“ einhergehen werde. Es sei daher unzulässig „dem Klimawandel freien Lauf zu lassen“.
Die geltenden gesetzlichen „Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030“, stellten die Richter fest. Damit erkannte das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die kommenden Generationen erstmals den Klimaschutz als Menschenrechtsproblem an.
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit einer Klage auseinanderzusetzen, die im November 2018 von einem Bündnis erhoben wurde, zu dem Greenpeace, der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), die Naturschutzorganisation BUND und viele Einzelkläger gehörten. Zu ihnen zählte auch der Berliner Energieexperte Volker Quaschning, der sich zuversichtlich zeigte, dass das Bundesverfassungsgericht nach dem Dürresommer und neuen Hitzerekorden, „die Gefahr erkennt und die nötigen Gegenmaßnahmen einfordert“.
Die Klage gegen das neue Klimagesetz der Bundesregierung argumentierte damit, dass Deutschland mindestens die im Pariser Klima-Abkommen vereinbarte Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau einhalten müsse, um die Grundrechte auf Leben, Gesundheit und Eigentum zu schützen. Dafür müsse sich die Bundesregierung auch in der Europäischen Union dafür einsetzen, die Emissionen in maximal zwei Dekaden in allen Sektoren auf Netto-Null zu bringen. Die gegenwärtige deutsche Klimapolitik sei jedoch zu wenig ambitioniert.
Die Klage beruft sich auf die Vorsorgepflichten des Staates. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits anerkannt, dass die grundrechtlichen Schutzpflichten nicht lediglich die Verhütung von konkret zu erwartenden Schäden verlangen, die ohne staatliches Einschreiten mit Sicherheit eintreten würden, sondern auch der Gefahrenabwehr und der Risikovorsorge dienen.
Aus Perspektive der jüngeren Generation geht es um Verteilungsgerechtigkeit. Für sie ist zu erwarten, dass die künftig viel umfassenderen Beschränkungen aus Klimaschutzgründen sie wirtschaftlich überproportional treffen werden. Die Klage argumentierte aus diesem Grund mit dem EU-rechtlichen Vorsorgeprinzip und verlangte eine Umkehr der Beweislast: Demnach müsse die Regierung überzeugend und detailliert darlegen, wie sie die völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Einhaltung der Klimaziele noch erreichen wolle.
Der Beschluss macht es jedoch ausländischen Kläger:innen fast unmöglich, gegen die deutsche Klimapolitik zu klagen, stellt das JuWiss-Blog fest. Das Verfassungsblog erklärt, dass das Gericht die Frage der extraterritorialen Schutzpflichten offen lasse. Denn im Unterschied zum Inland könne der Staat im Ausland keine adäquaten Anpassungsmaßnahmen treffen, weshalb keine Verstöße gegen Schutzpflichten feststellbar seien.
Die unter anderem von der Rechtsanwältin Roda Verheyen vorangetriebene Verfassungsbeschwerde hatte sich aus einer gescheiterten Klimaklage von drei Familien entwickelt, die auf der Insel Pellworm leben. Unter anderem hatte die Familie Backsen die Bundesregierung verklagt, weil der Meeresspiegel unaufhörlich steigt, und sie in Sorge ist, ihre Heimat zu verlieren. Die wissenschaftlichen Prognosen dazu sind unterschiedlich: Manche Szenarien sprechen von einem Anstieg um 77 Zentimeter bis Ende des Jahrhunderts, andere rechnen mit mehr. Schon heute liegt der Hof der Backsens einen Meter unter dem Meeresspiegel, geschützt von einem Deich. Probleme gibt es bereits: 2017 regnete es zu viel, 2018 war es zu heiß und die Tiere hatten zu wenig Futter.
Gemeinsam mit zwei Biobauern-Familien und Greenpeace war die Familie vor dem Berliner Verwaltungsgericht mit einer Vollzugsklage gegen die Bundesregierung vorgegangen, weil diese sich nicht an ihre für 2020 verabschiedeten Klimaziele halte. Die Kläger sahen ihre Grundrechte auf Schutz von Leben und Gesundheit (Artikel 2 GG), auf Berufsfreiheit (Artikel 12 GG) und auf Schutz des Eigentums (Artikel 14 GG) verletzt. Diese Klage beim Verwaltungsgericht wurde im Oktober 2019 abgelehnt. Das Gericht erklärte jedoch Klimaklagen grundsätzlich für zulässig und legte mit seinem ausführlichen Urteil den Grundstein für das Urteil des Bundesverfassungsgericht.
Urgenda versus die Niederlande
Die erste in der Europäischen Union über zwei Instanzen erfolgreich verhandelte Klimaklage ist „Urgenda gegen die Niederlande“: Die Umweltschutzorganisation Urgenda argumentierte in der bereits 2013 eingereichten Klage damit, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichten, um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Bevölkerung vor Schäden zu bewahren. Im Juni 2015 hatte das Bezirksgericht von Den Haag in einem Urteil die niederländische Regierung dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis Ende 2020 um mindestens 25 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Außerdem forderte das Bezirksgericht die Regierung auf, sofort wirksamer gegen den Klimawandel vorzugehen.
Das Urteil wurde im Oktober 2018 in zweiter Instanz bestätigt. Im Mai 2019 verpflichtete der Staatsrat die Regierung zu weiteren Maßnahmen, unter anderem zu einer Reduktion des Tempolimits auf 100 Kilometer pro Stunde. Im Dezember 2019 gewann Urgenda die Klage in der letzten Instanz vor dem Hohen Rat der Niederlande, dem niederländischen Obersten Gerichtshof. Er bestätigte, dass sich die Kläger auf das Pariser Abkommen berufen können, obwohl dieses keine individuell einklagbaren Rechte enthält. Die niederländische Verfassung verpflichte im Übrigen die Regierung dazu, das Land bewohnbar zu halten.
Haftung von Unternehmen für Klimaschäden
Können auch Unternehmen mit einem hohen CO2-Ausstoß für Folgeschäden verantwortlich gemacht werden? Um diese Frage dreht sich der Musterprozess „Saul Lucian Lliuya versus RWE“. Lliuya wohnt in der peruanischen Stadt Huaraz unterhalb eines Gletschersees in den Anden, der durch die Erderwärmung und das Schmelzen des Eises angeschwollen ist. Wie lange die Uferbefestigungen noch halten, ist unklar.
Finanziell und personell unterstützt von der Umweltorganisation Germanwatch sowie der Stiftung Zukunftsfähigkeit versucht Lliuya, den deutschen Energiekonzern RWE zur Verantwortung zu ziehen. Vertreten wird er von der Rechtsanwältin Roda Verheyen, die auch der Kopf hinter dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts ist. Der Konzern soll laut Germanwatch weltweit für 0,47 Prozent des menschengemachten Treibhauseffektes verantwortlich sein. Entsprechend müsse RWE sich mit einem Anteil von 17.000 Euro an den 3,5 Mio. teuren Schutzmaßnahmen finanziell beteiligen.
Lliuya scheiterte 2016 vor dem Landgericht Essen in erster Instanz, doch das Oberlandesgericht Hamm ließ 2017 die Klage zu. Damit bestätigte es, dass es eine Haftungsgrundlage für die Klage gibt. Ein erster Erfolg für den Kläger, da das Gericht feststellte, dass Klimaschäden eine Unternehmenshaftung begründen können.
Jetzt muss wissenschaftlich bewiesen werden, dass RWE auch Mitverantwortung für die Gletscherschmelze trägt. Dafür müssen Gutachter zunächst zeigen, dass das Hauptgrundstück des Klägers wirklich von einer Überflutung des Gletschersees bedroht ist. Dann muss geprüft werden, inwieweit der Klimawandel dafür ursächlich ist und inwieweit RWE für den Klimawandel verantwortlich ist.
Dazu hat das Oberlandesgericht 2019 ein Ersuchen an den Staat Peru gestellt, die Örtlichkeiten in Augenschein nehmen zu dürfen. Derzeit entscheidet der Staat Peru über ein Ersuchen des Gerichts, ob ein vom Gericht angesetzter Ortstermin in Huaraz umgesetzt werden kann. Aufgrund der Corona-Krise hat sich dieser Termin bislang verzögert.
Wie in der Vollzugsklage vor dem Berliner Verwaltungsgericht, die auch von der Rechtsanwältin Roda Verheyen vertreten wird, geht es auch hier um die Klärung der Verantwortlichkeit. Der „Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) der Bundesregierung hält es für notwendig, dass noch mehr solcher Klimaklagen vor Gericht verhandelt werden. Es gehe um die Frage, inwieweit das Verursacherprinzip angewandt werden könne, erklärt die Beiratsvorsitzende Sabine Schlacke. Aus Sicht des WBGUs sollte die Bundesregierung ausgewählte Pionierklagen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit finanziell unterstützen.
Der Fall zeigt nach Ansicht des britischen Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment die internationale Reichweite von Klimaklagen. Wäre er erfolgreich, würde er einen „bedeutenden Präzedenzfall“ für gefährdete Gemeinschaften schaffen, die vom Klimawandel auf der ganzen Welt betroffen sind. Die Klagen könnten Signalwirkung entfalten und das Divestment, also den Ausstieg von Investoren aus Wirtschaftsbereichen, die von fossilen Energieträgern gestützt werden, beschleunigen. Dies wird weiteren Druck auf die Unternehmen ausüben, ihre Wertschöpfung vom CO₂-Ausstoß zu entkoppeln.
Weil die Wissenschaft bei der Zuschreibung von Emissionen zu einzelnen Unternehmen Fortschritte macht, glauben die Klimaanwälte Sophie Marjanac und Lindene Patton, dass die ersten erfolgreichen Fälle wahrscheinlich diejenigen sein werden, in denen ein Angeklagter es versäumt hat, den Schaden für den Kläger zu verringern. Asbestfälle etwa waren in Großbritannien erst dann erfolgreich, als ein Gericht urteilte, dass es genügt zu belegen, dass ein Arbeitgeber das Krankheitsrisiko des Klägers erheblich erhöht hat. Der Erfolg der Klagen hänge aber nicht zuletzt davon ab, vor welche Gerichte die Fälle gebracht werden und wie das Verursacherprinzip von der jeweiligen Gerichtsbarkeit angewandt wird. Der Fall Lliuya sei daher ein Testfall dafür, ob ein ähnliches Argument vor deutschen Gerichten Bestand haben könnte. Damit könnte er „Schleusen öffnen“.
Klagen zu CO2-Budgets von Unternehmen
Im November 2021 reichten die Fridays-for-Future-Aktivistin Clara Mayer, die Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser und Roland Hipp eine ebenfalls von Roda Verheyen vertretene Klage gegen den Volkswagen-Konzern ein. Die Klageschrift bezieht sich auf Basis von Berechnungen der Internationalen Energieagentur IEA auf das CO2-Restbudget, das VW mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel noch zur Verfügung steht. Ziel der Klage ist es, den klimagerechten Umbau des Fahrzeugkonzerns zu beschleunigen. Hintergrund ist, dass VW bislang kein Enddatum für die Produktion von Diesel- und Benzinfahrzeugen nennt.
Motiviert wurde die Klage unter anderem von einem Urteil in den Niederlanden gegen den Mineralölkonzern Shell. Ein Gericht in Den Haag hatte im Mai 2021 geurteilt, dass Konzerne ihre Treibhausgas-Emissionen entlang der globalen Klimaziele verringern müssen. Geklagt hatte die niederländische Umweltorganisation Milieudefensie. Shell veröffentlichte im selben Jahr eine Strategie zur Halbierung seiner Klima-Emissionen bis 2030 . Das Urteil war das erste weltweit, das ein Unternehmen zu konkreten Emissionsminderungen verpflichtete. Shell kündigte an, dagegen in Berufung gehen zu wollen.
Europäische Klimaklagen
Derzeit sind drei Klimaklagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig. Dabei räumte der Gerichtshof einer Klage von sechs jungen Portugiesen vom September 2020 zur Frage der globalen Klimagerechtigkeit aufgrund der „Bedeutung und Dringlichkeit der aufgeworfenen Fragen“ Vorrang ein. Die als „Youth 4 Climate Justice“ bekannte Klage versucht die Pflichten europäischer Staaten gegenüber Personen außerhalb der EU zu klären. Sie richtet sich gegen 33 europäische Staaten, darunter auch Deutschland.
Im März 2021 gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg auch grünes Licht für eine Beschwerde von einer Schweizer Gruppe von Seniorinnen. Die im November 2020 eingereichte Beschwerde fußt auf einer Klage, die im Mai 2020 vom Schweizer Bundesgericht abgewiesen worden war. In ihrer Klage wiesen die KlimaSeniorinnen darauf hin, dass ihr Leben durch die steigenden Temperaturen stark bedroht werde, da die Sterblichkeit älterer Personen durch Hitzeperioden nachweislich überdurchschnittlich ansteigt. Im Hitzesommer 2015 soll das Sterberisiko von 74– bis 85-jährigen Menschen wegen der Hitze gegenüber der Allgemeinheit um 80 Prozent erhöht gewesen sein.
Im April 2021 wurde die Klage gegen Österreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Zuvor hatte der österreichische Verfassungsgerichtshof eine Klimaklage im Oktober 2020 zurückgewiesen, weil die Kläger „nicht unmittelbar in ihren Rechten verletzt“ sind. Die Klage war im August 2019 von Greenpeace Österreich als erste Klimaklage in Österreich eingereicht worden.
Sie richtete sich gegen klimaschädliche Bestimmungen wie die Tempo-140-Verordnung für Autobahn-Teststrecken oder die steuerliche Ungleichbehandlung von Bahn- und Flugverkehr. So wird auf den Treibstoff Kerosin bei Inlandsflügen keine Steuer erhoben. Die Bahn hingegen muss neben Energieabgaben auf ihren selbst produzierten Strom eine sogenannte Eigenstromsteuer zahlen. Überdies gibt es unterschiedliche Umsatzsteuer-Sätze. In der Verfassung bekennt sich die Republik Österreich zum Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen, um auch zukünftigen Generationen bestmögliche Lebensbedingungen zu gewährleisten.
Im März 2021 wies der EuGH letztinstanzlich die sogenannte „People’s Climate Case“-Klage ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig ab. Zehn Familien aus der EU, Kenia und Fidschi hatten 2018 gegen das Europäische Parlament und den Rat der EU-Länder geklagt. Das EU-Ziel, bis 2030 die Treibhausgase um 40 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken, reiche nicht aus. Unterstützt wurde die ebenfalls von Roda Verheyen entworfene Klage von einem Bündnis von Wissenschaftlern und Umweltverbänden, darunter Climate Action Network Europe, Germanwatch und Protect the Planet. Das Europäische Gericht hatte die Klage bereits im Mai 2019 in erster Instanz als unzulässig zurückgewiesen: Alle Menschen seien vom Klimawandel betroffen, nicht nur die klagenden Familien. Die Kläger hätten nicht nachweisen können, dass ihre Grundrechte auf massivere Weise beschnitten würden.
Der Amazonas als Rechtssubjekt
Zu den erfolgreichen Klimaklagen zählt auch die Klage, die 25 Kinder und Jugendliche 2018 in letzter Instanz vor dem obersten Gerichtshof gewannen. Sie hatten die kolumbianische Regierung verklagt, weil diese nichts gegen die Entwaldung im kolumbianischen Amazonien unternahm. Die Gruppe wurde durch den Anwalt César Rodríguez Garavito vertreten, der die kolumbianische Menschenrechtsorganisation Dejusticia leitet. Als Sachverständiger vor Gericht assistierte der US-amerikanische Wissenschaftler James E. Hansen, der bereits in den 1980er-Jahren eindringlich vor der Klimakrise gewarnt hatte.
In seinem Urteil (STC 4360–2018) erkannte das Gericht den kolumbianischen Amazonas als Rechtssubjekt an. Es verlangte von der Regierung, einen Aktionsplan zu entwickeln, um die Entwaldung zu stoppen. Überdies soll sie bereits 2020 das Ziel von Netto-Null-Emissionen nach dem Pariser Abkommen erreichen, womit alle CO2-Emissionen etwa durch Aufforstungen ausgeglichen werden müssen. Das Urteil gilt in juristischen Fachkreisen als historischer Meilenstein, da es kollektive Rechte über private Rechte stellte.
Klimaklagen erreichen Verbesserungen im Klimaschutz
Hermann Ott von der Umweltorganisation ClientEarth in Deutschland betont, wie wichtig die Fortschreibung des Rechts sei: Zum einen über neue Regelungen, um „mögliche Lösungen in eine gesetzliche Form zu bringen“, zum anderen durch Gerichte, die die neuen juristischen Antworten anwenden und dabei sogar neue Rechtspersönlichkeiten entwickeln können. So entschieden Gerichte nicht nur in Kolumbien, sondern auch in Neuseeland, dass auch Flüsse Rechte geltend machen können. Für Ott ist das „eine fantastische Entwicklung, die der Erde eine Stimme gibt“.
Auch in Deutschland gibt es bereits Anläufe dazu, Rechte der Natur rechtlich zu verankern, um solchen Klagen eine Chance zu geben. In diese Richtung geht auch eine Initiative von Umweltjuristinnen und Völkerrechtlern, den sogenannten Ökozid als internationale Strafnorm zu etablieren.
Das britische Grantham Research Institute wertet seit einigen Jahren die Klimaklagen weltweit systematisch aus. Es stellte 2021 fest, dass zwischen 2015 und 2021 1006 Klagen eingereicht wurden – im Zeitraum zwischen 1986 und 2014 waren es hingegen nur 834 Klagen. Die meisten Fälle wurden gegen Regierungen vorgebracht. Insbesondere seit 2017 nahm die Zahl der Klagen zu, die von NGOs und Einzelpersonen eingereicht wurden.
Insgesamt mehrte sich die Zahl der strategischen Fälle, die auf einen breiten gesellschaftlichen Wandel oder die Verbesserung von Menschenrechten abzielen. Zunehmend beziehen sich die Fälle auch auf finanzielle Klimarisiken sowie Fragen der Unternehmensverantwortung. Dabei erreichten 58 Prozent von 369 entschiedenen Fällen Verbesserungen bei Klimaschutzmaßnahmen, 32 Prozent hatten eine ungünstige Wirkung, 10 Prozent keine Wirkung auf die Klimapolitik.