Unwissenheit und Ignoranz stoppen: Warum wir mehr Klimabildung für Erwachsene brauchen
Klimaschutzbeauftragte und regelmäßige Klima-Workshops: Warum wir Menschen am besten in ihrer Arbeitswelt über die Klimakrise aufklären sollten – eine Kolumne.
Wir schreiben Erdgeschichte – und das nicht im positiven Sinne. Die erste Juliwoche war die bisher wärmste jemals aufgezeichnete Hitzeperiode. Und damit nicht genug. Seit Wochen sind die Oberflächentemperaturen der Meere zu hoch. Die Waldbrände in Kanada brechen alle Rekorde. Und die Antarktis hat aktuell so wenig Meereis wie nie zuvor. Die vergangenen Wochen zeigen deutlich: Die Folgen der Klimakrise sind längst bei uns angekommen.
Gleichzeitig lese ich fast täglich Meldungen, die mich fassungslos zurücklassen: Am 6. Juli erreichte der kommerzielle Flugverkehr einen neuen Rekord. Noch nie flogen so viele Passagierflugzeuge an einem Tag. Friedliche Aktivist:innen, die sich für mehr Klimaschutz einsetzen, kommen ins Gefängnis, werden verprügelt oder angefahren. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) weigert sich weiterhin Klima-Schutz-Sofortmaßnahmen für den Verkehrsbereich vorzulegen. Unterdessen fehlt es in den meisten deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten an Schutzkonzepten für die Klimakrise, also an Schutz für uns. Und Deutschland dürfte laut einem aktuellen Bericht seine Klimaziele für 2045 deutlich verfehlen.
Unwissenheit in Bezug auf die Klimakrise
In einer zuletzt veröffentlichten Dokumentation über Superreiche in Deutschland begleiten die Filmemacher Menschen, die ein Vielfaches an CO2-Emissionen als ein Normalbürger verursachen. Diese sehr reichen Menschen fliegen selbst kürzeste Strecken mit ihrem Privatjet und verbrauchen allein mit einem einzigen Flug ihr Jahres-CO2-Budget.
Neben den teilweise erschreckenden Aussagen wie „Ich scheiß aufs Klima“ und „Ich will nicht auf den Luxus verzichten“ fiel eines besonders auf: die Unwissenheit. So wusste einer der Befragten nicht, dass sein Privatjet so große Mengen an CO2emittiert. „Ich muss auch sagen, ich bin nicht so aufgeklärt darüber. Woher auch am Ende des Tages?“. Und auf die Frage, ob einer der Protagonist:innen wisse, dass Reiche viel mehr CO2verbrauchen als ärmere Menschen, antwortete dieser: „Nein, das glaube ich nicht.“
Auch bei Leser:innenmails fällt mir oft auf, dass eine große Unwissenheit in Bezug auf die Klimakrise herrscht. So erreichen mich zum Beispiel immer wieder Nachrichten, deren Absender bezweifeln, dass der Klimawandel menschengemacht ist, obwohl das der Weltklimabericht eindeutig bestätigt. Was zudem oft nicht verstanden wird: Der menschengemachte Klimawandel betrifft uns alle, gefährdet unsere Lebensgrundlagen, unsere Gesundheit. Und nein, nicht der Klimaschutz bedroht unseren Wohlstand, sondern der Klimawandel. Die Wissenslücken in der Bevölkerung werden zusätzlich befeuert durch Populismus, durch Falschmeldungen, durch Lobbyinteressen.
Warum Klimabildung nötig ist
Politische Maßnahmen für mehr Klimaschutz brauchen Rückhalt und Unterstützung in der Bevölkerung. Wir benötigen noch mehr Aufklärung – nicht nur in den Schulen. Es existieren bereits viele gute Angebote, die Mythen zur Klimakrise aufdecken, Wissen vermitteln, etwa klimafakten.de, Angebote des Helmholtz-Institutsoder der Bundesregierung. Auch Klima-Workshops oder Nachhaltigkeits-Projekte in der Arbeitswelt, etwa von der Stiftung myclimate, werden zunehmend angeboten. Doch auch diese Angebote werden nicht von jedem Unternehmen in Anspruch genommen und wenn, dann ist es oft eine einmalige Angelegenheit.
Wo sind die Klimaschutzbeauftragten in Unternehmen, die das Thema dauerhaft auf die Tagesordnung setzen, Mitarbeiter:innen über den Klimawandel aufklären und uns als Gesellschaft voranbringen?
Klimaschutzbeauftragte gibt es bislang vor allem in der Verwaltung, zum Beispiel in Bezirksämtern oder Kommunen. Sie entwickeln Klimaschutzkonzepte, kümmern sich um bessere CO2-Bilanzen in den Gemeinden, Kommunen oder Stadtvierteln und sie zeigen den Bürger:innen, was Klimaschutz bedeutet, sorgen für Aufklärung. Sie bringen mit ihrer Arbeit den Klimaschutz voran.
Klimaschutzbeauftragte in Unternehmen
Auch in ersten Unternehmen gibt es sogenannte Klimamanager:innen, die Klimastrategien für die Firma entwickeln. Der Fokus liegt dabei allerdings in erster Linie auf dem Unternehmen selbst, das klimaneutral werden soll. Was bislang fehlt, ist eine verantwortliche Person, zum Beispiel eine Klimaschutzbeauftragte oder eine Klimaverantwortliche, die das Thema Klimaschutz auch unter die Mitarbeitenden bringt. Diese könnte unter anderem für Weiterbildungen und Workshops rund um das Thema Klima sorgen. Ähnlich wie Erste-Hilfe-Kurse könnte die Klimaschutzbeauftragte regelmäßig Klimakurse anbieten. Was ist der Unterschied zwischen Wetter und Klima, warum ist der Klimawandel menschengemacht, welche Folgen kommen auf uns zu, welche Lösungen gibt es? Sie würde auch erklären, wie die fossile Lobby die Politik lenkt und damit viele Klimaschutzmaßnahmen ausbremst.
Auch die Unternehmen profitieren davon, wenn ihre eigenen Mitarbeiter:innen in Sachen Klimaschutz aufgeklärt und engagiert sind. Diese können so die Unternehmen besser auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen – mit neuen Impulsen und Ideen.
Auch in Redaktionen wären Klimaschutzbeauftragte mehr als sinnvoll. Sie könnten für eine faktengetreue, kritische Klimaberichterstattung sorgen, Mitarbeitende schulen und auch die Verlagshäuser auf einen klimaneutralen Weg bringen.
Warum das so wichtig ist: Nicht jede:r informiert sich über klassische Medien, die mit Sachkenntnis berichten. Viele beziehen ihre Informationen heutzutage nur noch aus bestimmten Blogs, Foren oder sozialen Medien, in denen sich auch unzählige Fake-News tummeln.
Wir brauchen mehr Aufklärung, mehr Wissen
Große Medienhäuser, wie Springer, verbreiten Meldungen zugunsten der fossilen Lobby. Kein Wunder: Der Springerverlag gehört aktuell zu 36 Prozent der US-Investmentfirma KKR, die einer der wichtigsten Geldgeber der US-amerikanischen Öl- und Gasindustrie ist und mit dem Transport von Flüssig-Erdgas verdient. Solange die fossile Lobby die Fäden in der Hand hält, Menschen zugunsten ihrer Interessen beeinflusst, geraten die Klimaziele ins Hintertreffen. Die fossilen Lobbyisten und ihr Umfeld möchten so viel Geld, wie es nur geht, verdienen; sie möchten uns nicht vor Hitze, Dürre, Fluten, Ernteausfällen und weiteren Folgen der Klimakrise schützen.
Je mehr Menschen über den Einfluss der fossilen Lobby Bescheid wissen, je mehr Menschen, die Dynamik hinter dem Klimawandel verstehen, desto eher werden sie sich für mehr Klimaschutz einsetzen, desto eher werden sie politische Maßnahmen unterstützen, die anfangs vielleicht unbequem erscheinen mögen.
Fest steht: Aufklärung ist ein extrem wichtiges Mittel im Kampf gegen die Klimakrise. Wir brauchen mehr Wissen und das so schnell wie möglich, – denn die Zeit wird knapp. Im besten Fall sind in Zukunft solche Sätze Geschichte: „Ich bin nicht so aufgeklärt darüber. Woher auch am Ende des Tages?“.