Kurdisches Leben in Deutschland: Zwischen Unsichtbarkeit und Rassismus

Kurd:innen sind die wahrscheinlich größte migrantische Community Deutschlands und dennoch unsichtbar. Mit Kunst kämpft eine junge Frau gegen Diskriminierung und für Repräsentation.

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Ein gezeichnetes schwarz-weiß Portrait: einer Frau blickt selbstbewusst und raucht.

„Bist du Terroristin?“, diese Frage begleitet Bêrîvan Îbîn, eine 28-jährige Studentin aus Göttingen, seit dem Kindesalter. „Rassismus ist schon früh Teil meines Lebens geworden und ist es auch bis heute“, erklärt sie. Damit gibt Îbîn Einblicke in die paradoxe Realität der kurdischen Community in Deutschland. Denn während antikurdische Diskriminierung omnipräsent ist, wissen die wenigsten, was dahinter steckt und wer Kurd:innen wirklich sind. Ihr Leben findet häufig im Verborgenen statt – und das hat seinen Grund.

1,3 Millionen Kurd:innen in Deutschland: eine unsichtbare Mehrheit

Deutschland ist seit rund 100 Jahren das bedeutendste Ziel für kurdische Migration. Diese steht in direktem Zusammenhang mit den politischen Konflikten in den Herkunftsländern und verlief in verschiedenen Phasen. Während die kurdische Einwanderung zwischen 1920 und 1990 auch von Bildungs- und Arbeitsmigration (Anwerbeabkommen mit der Türkei) geprägt war, dominieren seit dreißig Jahren vor allem politische Fluchtursachen: Bürgerkriege, Übergriffe und systematische Verfolgung, etwa durch die türkischen Armee oder die antikurdische Kampagne im Irak unter Saddam Husseins Regime, der gezielt kurdische Gebiete zerstören ließ.

Auch heute noch ist die kurdische Migration nach Deutschland stark ausgeprägt. Die Gewaltexzesse des iranischen Regimes nach den Protesten im Zusammenhang mit dem Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini führen dazu, dass viele Kurd:innen vermehrt nach Deutschland fliehen. Da der Mikrozensus (jährliche Statistik über Haushalte in Deutschland) und das Ausländerzentralregister nur Staatsbürgerschaften und keine Ethnien erfassen, existieren keine exakten Zahlen über Kurd:innen in Deutschland. Schätzungen zufolge leben hier heute jedoch rund 1,3 Millionen Kurd:innen, was sie zu einer der größten Einwanderergruppen im Land macht.

Selfie von Berivan Ibin. Sie lächelt in die Kamera, auf ihrem Hals sieht man eine kurdische Tätowierung.
Bêrîvan Îbîn gibt Workshops und hält Vorträge über kurdische Kultur und Deqs.
Ein digital gezeichnetes Bild der kurdischen Tätowierung „Spiegel“. Das gelbe Symbol wurde auf blauem Hintergrund gezeichnet.
„Eynik“ (Spiegel), Digital Art einer traditionellen kurdischen Tätowierung (2022).
Ein gezeichnetes schwarz-weiß Portrait: einer Frau blickt selbstbewusst und raucht.
„Fevziye“, Ein Portrait von Bêrîvan Îbîns Tante (Graphit auf Zeichenpapier, 29,7 x 42 cm, 2024).
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