Haushalt 2024: Verkehrspolitik bringt Mobilitätswende außer Sicht
Der Bundestag berät über den Haushalt für den Verkehr: Umweltschädliche Subventionen bleiben erhalten. Milliarden für den Straßenbau bleiben unangetastet. Das Schienennetz wird saniert, beim Ausbau der Radinfrastruktur wird gespart. Klima- und Umweltexperten kritisieren: Klimaziele sind mit dem Verkehrshaushalt nicht erreichbar.
Der Bundestag berät heute und morgen abschließend über den Bundeshaushalt. Eigentlich sah der Regierungsentwurf (PDF) im August 2023 lediglich 38, 7 Mrd. für das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) vor. Nach den Verhandlungen im Haushaltsausschuss im Bundestag sollen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun rund 5, 3 Mrd. mehr zur Verfügung stehen, insgesamt 44 Mrd. Wissings Schwerpunkt liegt auf der Sanierung und dem Ausbau der Auto-Infrastruktur.
Der Elefant im Raum: Der Verkehrshaushalt in der Klimapolitik
Mit 44 Mrd. Euro stehen Bundesverkehrsminister Volker Wissing erheblich mehr Mittel zur Verfügung als seinen klimapolitischen Kollegen im Kabinett. Robert Habeck (Grüne) erhält für Wirtschaft und Klimaschutz 11 Mrd. Euro, Steffi Lemcke (Grüne) für Umwelt 2, 4 Mrd. Euro. Während Wissing damit 8 Mrd. Euro mehr als im Vorjahr zur Verfügung stehen, stehen für Habeck nach dem Bundesverfassungsurteil zum Klima- und Transformationsfonds KTF rund 4, 5 Mrd. weniger Mittel bereit. Massive Investitionen in eine heimische Wind- und Solarindustrie sind damit nicht möglich.
Die Sozialpolitik wird in der Klimapolitik zwar immer wichtiger, weil die Kosten für Klimaschutzmaßnahmen die Bürger:innen ungleich hart treffen: Wer noch auf ein Verbrennerauto angewiesen ist, mit Gas oder Öl heizt, muss mit steigenden Energiekosten rechnen, doch nicht alle Betroffenen können sich den Umstieg auf emissionsarme oder -freie Alternativen leisten.
Im Haushalt des Sozialministeriums von Klara Geywitz (SPD) findet sich dazu nichts wieder, weil Klimaschutzmaßnahmen vornehmlich aus dem KTF finanziert werden. So gibt es beispielsweise keinen Plan, um Wohngebäude werterhaltend zu sanieren.
Straßenverkehr bleibt Trumpf
Eine wesentliche Rolle im Verkehrshaushalt von Volker Wissing spielen die Einnahmen aus der Lkw-Maut. Für 2024 rechnet der Bundestag mit 15, 14 Mrd. Einnahmen. Von denen müssen 1, 3 Mrd. Euro für die Maut-Infrastruktur ausgegeben werden, um die Maut überhaupt erheben zu können.
Wissing investiert umfassend in Autoinfrastruktur. Für den Ausbau und Erhalt von Bundesfernstraßen sind für das Jahr 2024 rund 13 Mrd. Euro eingeplant, für die Autobahnen weitere 6 Mrd. Euro. Diese Vorhaben sind ein zentraler Kritikpunkt der Deutschen Umwelthilfe: Der klimaschädliche Straßenanbau bleibe in den Haushaltsverhandlungen unangetastet, während bei klimaschonenden Verkehrsträgern die Mittel gekürzt werden.
Milliarden für das Schienennetz der Bahn
Die Deutsche Bahn soll 4, 37 Mrd. Euro im Jahr 2024 erhalten, um ihr Schienennetz zu „ertüchtigen“. Bis 2027, so kündigte Wissing an, sollen es insgesamt 40 Mrd. sein. Wie diese erheblichen Mehrausgaben gedeckt werden sollen, ist allerdings noch unklar. Die für 2024 vorgesehenen 4, 37 Mrd. sollen erstmal so lange gesperrt sein, bis Bund und Bahn für die Finanzierung eine Vereinbarung getroffen haben. Dazu gehört, dass der Bund seine Beteiligung an der Bahn in Höhe von mindestens 2 Mrd. verkaufen will.
Deutlich weniger Geld als vorgesehen gibt es hingegen für Investitionen in Schienenwege von nichtbundeseigenen Eisenbahnen. Dazu gehören private oder kommunale Schienenwege, die an das Schienennetz der Deutschen Bahn angeschlossen sind. Sie erhalten nur noch 27 Mio. Euro. Das sind 47 Mio. Euro weniger als im Vorjahr.
Bundeshaushalt bremst geplanten Ausbau der Radwege
Für den Radverkehr soll es 2024 weniger Finanzhilfen an die Länder geben. So wurde das Sonderprogramm „Stadt und Land“ um rund 45 Mio. Euro gekürzt auf 148 Mio. Das Sonderprogramm ist in den Kommunen beliebt, weil sie damit bewährte Standardlösungen finanzieren können, also Radwege verbreitern, Lücken schließen, Kreuzungen radverkehrstauglich umbauen oder sogar Brücken für den Radverkehr herstellen. Mit relativ wenig Investitionen schaffen sie einen echten Mehrwert für Radfahrende im Alltag.
Subventionsabbau im Verkehrsbereich bleibt Tabu in der FDP-Politik
Zu den Tabus der liberalen Verkehrspolitik gehören der Abbau von umweltschädlichen Subventionen. Wie etwa das Dienstwagen-Privileg und der Diesel-Steuervorteil. Wissing lehnt auch den Abbau von Steuervorteilen im Luftverkehr ab. Luxus-Dienstwagen werden weiterhin mit bis zu 59 Prozent des Kaufpreises staatlich gefördert, so die Deutsche Umwelthilfe.
Die geplanten Kürzungen der Subventionen beim Agrardiesel wurden auf Druck der Bauernproteste teilweise wieder zurückgenommen. Sebastian Bock, Geschäftsführer von Transport & Environment Deutschland sagt dazu: „Die Ampel kürzt die Klimapolitik zusammen, weil es angeblich an Geld mangele. Gleichzeitig traut sie sich nicht mal, die wirklich teuren und klimaschädlichen fossilen Subventionen als solche anzuerkennen.“
Die fehlenden Agrardiesel-Gelder gehen auf Kosten des Naturschutzes und der nachhaltigen Fischerei. Auch für den naturverträglichen Ausbau der Offshore-Windenergie sei kein Geld mehr da, kritisiert die Deutsche Umwelthilfe. Stark gekürzt wurde auch das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz von Umweltministerin Steffi Lemke. Insgesamt belaufen sich die umweltschädlichen Subventionen laut einer Studie des Umweltbundesamts von 2021 jährlich auf 65 Mrd. Euro. Rund die Hälfte davon (31 Mrd. Euro) verteilt Volker Wissing im Verkehrsbereich.
Folgen für die EU-Klimapolitik
Dass Deutschland keinen Zeitplan zum Auslaufen klimaschädlicher Subventionen vorlegt und keine Maßnahmen in den Sektoren Verkehr und Gebäude trifft, zeigt Folgen im Nationalen Energie- und Klimaplan. Dieser trägt auf europäischer Ebene dazu bei, die EU-Klimaziele zu erreichen.
„Bleibt die Ziellücke im Bereich Verkehr und Gebäude bestehen, wird die Bundesregierung Zertifikate in Milliardenhöhe von anderen EU-Mitgliedstaaten einkaufen müssen, statt das Geld für die notwendigen Investitionen in Deutschland zu nutzen“, sagt Lutz Weischer, Leiter des Berliner Büros von Germanwatch. Für Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring steht fest: „Weil Deutschland in einigen Sektoren verbindliche EU-Klimaziele verfehlt, gefährdet das Land als größter EU-Emittent die gemeinsame Erreichung der EU-Ziele für 2030.“