Umweltministerin Schulze und internationale Kollegen wollen Nobelpreis für den Naturschutz

Minister und Friedensnobelpreisträger nominieren Weltbiodiversitätsrat IPBES für Friedensnobelpreis

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
4 Minuten
Ein tropisches Korallenriff mit den typischen verzweigten Wuchsformen und vielen sehr bunten Fischen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze, der kolumbianische Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident Juan Manuel Santos sowie Umweltpolitiker aus EU-Staaten und Europäischem Parlament wollen mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf die Artenkrise lenken. Deshalb haben sie den Weltbiodiversitätsrat IPBES für den Friedensnobelpreis nominiert. Die Entscheidung wird am Freitag bekanntgegeben.

Wenige Tage vor Beginn der Weltnaturschutzkonferenz im chinesischen Kunming werben international führende Umweltpolitiker für die Vergabe des diesjährigen Friedensnobelpreises an den Weltbiodiversitätsrat IPBES. Sie erhoffen sich dadurch einen Schub für den Schutz der biologischen Vielfalt.

Als weltweit glaubwürdigste Autorität im Bereich der Biodiversitätsforschung habe die UN-Organisation maßgeblich dazu beigetragen, Regierungen mit wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen für einen besseren Naturschutz zu versorgen, schreiben die Politikerïnnen in einem Gastbeitrag für das Meinungsportal Project Syndicate. Damit habe das Wissenschaftlergremium einen wichtigen und preiswürdigen Beitrag zum Kampf gegen die Arten- und Lebensraumkrise geleistet, begründen die Autorïnnen ihre Nominierung beim Nobelkomitee.

Zu den Autoren des Appells zählen neben Bundesumweltministerin Svenja Schulze der frühere kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos, die spanische Vize-Regierungschefin Teresa Ribera und der britische Umweltminister Zac Goldsmith. 

Nach Preis für Klimaschutz nun Ehrung für Biodiversitätsschutz?

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES ist eine Art Schwesterorganisation des Weltklimarates IPCC. Beide UN-Organisationen beraten Regierungen und internationale Organisationen. Während die Berichte des IPCC beispielsweise maßgeblich zum Pariser Klimaabkommen von 2015 führten, sind die IPBES-Reports eine wichtige Grundlage für die Formulierung weltweiter Ziele für den Naturschutz bei der Weltkonferenz zur biologischen Vielfalt, die in der kommenden Woche eröffnet wird. Der Weltklimarat hatten 2007 den Friedensnobelpreis erhalten. 

Schulze und ihre Kollegen begründeten ihre Nominierung von IPBES auch mit der Hoffnung, durch die Auszeichnung eine ähnliche Dynamik für mehr Naturschutz entfachen zu können, wie dies beim Klimaschutz gelungen sei.

Anders als die Klimakrise werde die Bedeutung des weltweiten Artensterbens und der Zerstörung von Lebensräumen bislang in einer breiten Öffentlichkeit immer noch nicht ausreichend als Gefahr wahrgenommen, heißt es in dem Gastkommentar. Die Auszeichnung an den Klimarat habe entscheidenden Anteil daran gehabt, die globale Erderwärmung in das Zentrum der politischen Agenda zu rücken und Klimaleugner ins Abseits zu stellen. „Wir sollten nun versuchen, die gleiche Dynamik für die biologische Vielfalt zu schaffen“, fordern die Autoren. 

Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um der Welt klarzumachen, dass sich die Natur in einem Ausnahmezustand befindet

„Wie der IPCC hat sich auch der IPBES mit einem breiten Spektrum von Themen befasst, die sich unmittelbar auf das Leben und die Lebensgrundlagen von Milliarden von Menschen auswirken“, heißt es in dem Gastkommentar. 

Es gelte nun auch im Eigeninteresse der Menschheit, „solidarisch mit der einen Million Tier- und Pflanzenarten zu sein, die heute vom Aussterben bedroht sind.“ Denn die Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme sei die beste Versicherung gegen zahlreiche Menschheitsprobleme wie Lebensmittelknappheit, Wassermangel und Krankheiten – bis hin zu gewalttätigen Konflikten, die durch Ressourcenknappheit angeheizt würden.

„Die Verleihung des Friedensnobelpreises 2021 an IPBES würde ein Zeichen für den Wert der Natur und Vertrauen in die Wissenschaft setzen und den Kampf gegen das Artensterben und die Zerstörung von Ökosystemen zur richtigen Zeit unterstützen und gleichzeitig auch im Kampf gegen den Klimawandel helfen“, zeigen sich Schulze und ihre Ko-Autoren überzeugt. „Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um der Welt klarzumachen, dass sich die Natur in einem Ausnahmezustand befindet und dass die Wissenschaft die Lösungen hat, um dem entgegenzuwirken.“

Der Träger des diesjährigen Friedensnobelpreises wird am Freitag bekanntgegeben. Schulze hatte den Weltbiodiversitätsrat bereits im vergangenen Jahr für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. 

IPBES, dessen Sekretariat in Bonn ist, veröffentlicht regelmäßig Zusammenfassungen der wissenschaftlichen Forschung zu allen Bereichen des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen. Am bekanntesten ist der 2019 veröffentlichte „Global Assessment Report“, der auch die wissenschaftliche Grundlage für die gerade in der heißen Phase laufenden Verhandlungen über ein neues globales Rahmenabkommen zum Schutz der Natur ist. Darin verweisen die Wissenschaftler darauf, dass das Artensterben heute Dutzende bis Hunderte Male größer ist als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre. Bekannt geworden ist der Bericht vor allem wegen seiner Warnung, dass ohne eine ökologische Wende in den nächsten Jahrzehnten eine Million Arten aussterben würden. 

In einem RiffReporter-Interview hatte IPBES-Chefin Anne Larigauderie zum Naturschutz gesagt: "Es geht nicht um Luxusfragen, sondern um Existenzfragen."

Im Projekt „Countdown Natur“ berichten wir mit Blick auf den UN-Naturschutzgipfel über die Gefahren für die biologische Vielfalt und Lösungen zu ihrem Schutz. Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden von der Hering Stiftung Natur und Mensch gefördert. Sie können weitere Recherchen mit einem Abonnement unterstützen.

Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!
VGWort Pixel