Wie die Staatengemeinschaft neue Ziele für die Bewahrung der lebendigen Umwelt auf dem Planeten festlegen will

Es geht um unsere Lebensgrundlagen: Die UN-Konvention für biologische Vielfalt tritt in eine entscheidende Phase

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
4 Minuten
Das Bild zeigt den Plenarsaal der Vereinten Nationen mit seiner goldfarbenen Frontseite und den mächtigen Säulen während der laufenden Generalversammlung. Der Saal ist aber nur spärlich besetzt, weil wegen der Corona-Pandemie die Staats- und Regierungschefs von zuhause aus sprechen.

Schon seit Anfang der 1990er Jahr ist der globale Naturschutz Thema der Weltpolitik.

Eigentlich wollten Regierungen von rund 190 Staaten in wenigen Wochen beim UN-Naturschutzgipfel im chinesischen Kunming neue Ziele für die Bewahrung der Artenvielfalt auf der Erde für den Zeitraum von 2020 bis 2030 festgelegen.

Doch wie viele andere internationale Großereignisse muss der Gipfel wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Die Arbeiten an einem neuen globalen Rahmenabkommen mit Zielen für alle Bereiche des Lebens auf der Erde gehen aber weiter.

Worum geht es und wie läuft der politische Prozess ab? Ein Überblick:

Von Rio nach Kunming: Der Kampf um das Überleben der Artenvielfalt

Das Übereinkommen über biologische Vielfalt(CBD), auch Biodiversitätskonvention genannt, hat zum Ziel, dass die Staaten der Erde die Vielfalt des Lebens nachhaltig und gleichberechtigt nutzen. Das umfasst Tier- und Pflanzenarten ebenso wie Lebensräume und die genetische Vielfalt. Die CBD ist damit das zentrale internationale Abkommen, das Natur- und Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung und soziale Gerechtigkeit miteinander verbindet. In Zeiten des massenhaften Artensterbens ist es auch die zentrale Plattform für die Formulierung weltweiter Naturschutzziele.

Ihre Anfänge nahm die Konvention auf dem „Erdgipfel“ von Rio 1992, wo unter dem Dach der Vereinten Nationen neben dem CBD zwei weitere globale „Schwesterabkommen“ zum Schutz des Lebens auf der Erde und zur nachhaltigen Entwicklung auf den Weg gebracht wurden: Die Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) und die Klimarahmenkonvention(UNFCCC).

Die Biodiversitätskonvention trat ein Jahr nach dem Erdgipfel von Rio am 29. Dezember 1993, in Kraft. Bis heute sind ihr 196 Staaten beigetreten.

Die Vertragsstaaten der jeweiligen Abkommen beraten auf Gipfeltreffen, den Conferences of the Parties (COP), im Zweijahresrhythmus über Fortschritte und Strategien. Der wohl bekannteste derartige Gipfel ist die „COP 21“ – der Pariser Klimagipfel vom Dezember 2015. Dort wurde unter anderem das Zwei-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung beschlossen.

Fehlen dem Naturschutz plakative Ziele?

Ähnlich plakative und einprägsame Ziele wie der globale Klimavertrag hat die CBD nicht, was vielleicht zu ihrer gegenüber dem Klimaabkommen geringeren Bekanntheit beiträgt. Weniger ambitioniert als die Klimarahmenkonvention ist die Biodiversitätskonvention trotz geringerer Aufmerksamkeit indes nicht: Schon bis zum Jahr 2010 hatte sie sich zum Ziel gesetzt, den Verlust der weltweiten Vielfalt an Arten und Lebensräumen „signifikant“ zu verlangsamen.

Nachdem dieses Ziel nicht einmal in Ansätzen erreicht werden konnte, wurde vor genau zehn Jahren auf der 10. CBD-Vertragsstaatenkonferenz im japanischen Nagoya ein Strategischer Plan für die biologische Vielfalt bis 2020 verabschiedet. Teil des Plans sind die (nach der gastgebenden Präfektur benannten) sogenannten Aichi-Ziele.

Nach dem Verfehlen der Aichi-Ziele werden die Ziele verschärft

Mit diesen 20 Vorgaben sollte die Wende im weltweiten Artensterben eingeläutet und zugleich die Weichen hin zu einer naturverträglicheren und gerechteren wirtschaftlichen Nutzung der natürlichen Ressourcen gestellt werden. Ziele sind unter anderem die Ausweitung von Schutzgebieten weltweit, ein besserer Schutz von Ökosystemen, die Wende zu einer nachhaltigeren Jagd und ein Ende der Überfischung der Meere. Die Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, die 20 Aichi-Ziele in ihre nationalen Strategien zu überführen und diese regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren.

„Auch Deutschland, dem als gegenwärtige EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen über die künftigen Naturschutzziele zukommt, verfehlte die in seiner nationale Strategie übertragenen Ziele deutlich.“

Mitte September zog die CBD in seinem fünften Global Biodiversity Outlook (GBO-5) eine Bilanz der Aichi-Ziele. Mit verheerendem Ergebnis: Kein einziges der 20 Ziele wurde vollständig erreicht. In manchen Bereichen, vor allem mit Blick auf das anhaltende Artensterben gab es sogar Rückschritte. Der GBO-5 basierte unter anderem auf dem Global Assessment Report des Weltbiodiversitätsrates IPBES, den die Experten im Mai vergangenen Jahres vorgelegt hatten. Darin wird unter anderem vor einem Kollaps ganzer Ökosysteme gewarnt, wenn nicht umgehend die Wende zu mehr Naturschutz eingeleitet wird.

Bekannteste Schlussfolgerung des Global Assessment ist die Warnung vor dem Aussterben von mehr als einer Million Tier- und Pflanzenarten in den nächsten Jahrzehnten bei einem Kurs des ‚Weiter so’.

Auch Deutschland, dem als gegenwärtige EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen über die künftigen Naturschutzziele zukommt, verfehlte die in seiner nationale Strategie übertragenen Ziele deutlich.

Ein neuer Anlauf zur Rettung der Vielfalt auf dem Planeten mit der Formulierung neuer Ziele für die Zeit bis 2030 und darüberhinaus sollte eigentlich in diesen Tagen bei der 15. Vertragsstaatenkonferenz der CBD im chinesischen Kunming starten. Der Weltbiodiversitätsgipfel (CBD COP15) wurde aber wie auch die Gipfel der beiden anderen Rio-Konventionen – Klima- und Wüstenkonvention – wegen der Corona-Pandemie in das nächste Jahr verschoben.

Wann der Gipfel stattfindet, hängt vom Verlauf der Corona-Pandemie ab

Wann der CBD-Gipfel stattfindet, ist unklar. Ein Termin im Mai wurde mittlerweile intern bereits wieder verworfen. Derzeit ist Oktober im Gespräch.

An den Post-2020-Zielen und dem neuen globalen Biodiversitäts-Rahmen (GDF), der den Strategischen Plan von 2010 ablösen soll, wird bereits seit 2016 gearbeitet. Die Verhandlungen darüber leiten die beiden Vorsitzenden Francis Owgal (Uganda) und Basile van Havre (Kanada).

Einen ersten Entwurf oder Zero Draft für die neuen Naturschutz-Ziele legte das Gremium im Januar vor. Auf das Versagen bei den Zielen für 2020 reagiert der vorgeschlagene Plan für die kommenden zehn Jahre mit noch ambitionierteren Zielen. So sollen künftig zum Beispiel 30 Prozent der Erde unter Naturschutz stehen. In einer im Spätsommer veröffentlichten aktualisierten Fassung werden nach Einschätzung von Kritikern einige Ambitionen jedoch wieder zurückgeschraubt.

In den kommenden Monaten wird sich entscheiden, ob sich die Staaten der Erde auf neue Ziele einigen können, wie diese aussehen und vor allem wie gut sichergestellt wird, dass sie bis 2030 auch erreicht werden.

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