Unter Orcas: Kameraprofi Christina Karliczek über ihre neue Doku und das Tauchen in eisiger Kälte

Sie filmt Haie, Wale und winzige Nacktschnecken für alle großen Naturfilmsender – und engagiert sich auch vor der Kamera für Meeresschutz. Beim Dreh in Norwegen war auch Sarah Connor an Bord.

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
8 Minuten
Foto zeigt, wie die deutsch-niederländische Unterwasser-Kamerafrau aus dem Wasser auftaucht

Die Deutsch-Niederländerin Christina Karliczek Skoglund ist eine der erfahrensten Unterwasser-Kamerafrauen der Tierfilm-Welt. Sie hat diverse Preise gewonnen, war für den Emmy nominiert, arbeitet für die BBC, Netflix, Apple und regelmäßig für die ARD. Dort zeigt die Mediathek gerade ihren neuen Film „Unter Orcas“, für den sie aus Norwegen und von der Pazifikküste der USA bewegende Bilder und Geschichten mitgebracht hat. Für dieses Interview meldet sie sich aus ihrer Wahlheimat Schweden, direkt nach der Rückkehr von einem Dreh aus Hawaii.

Das Foto zeigt die Tierfilmerin Christina Karliczek Skoglund mit einer Kamera an Bord eines Schiffes.
Ihre Karriere begann Christina Karliczek Skoglund bei Deutsche Welle TV. Inzwischen filmt sie weltweit, meist unter Wasser….
Gezeigt wird die Kamerafrau Christina Karliczek beim Tauchen in eisigen Gewässern wie hier in Norwegen, nicht weit vom Polarkreis entfernt.
… und ohne Sauerstoff wie hier in Norwegen, nicht weit vom Polarkreis entfernt.

RiffReporter: Orcas machen wilde Sprünge, sind zärtliche Mütter oder Söhne, jagen im Pulk nach Robben und versenken neuerdings auch mal eine Segelyacht. Du bist ihnen für deinen neuen Film sehr nahe gekommen, den Begriff „Killerwal“ lehnst du ab, warum?

Christina Karliczek Skoglund: Auf Deutsch heißen sie ja Schwertwal oder eben Orca. Ihr englischer Name „Killer Whale“ vermittelt ein falsches Bild. Heutzutage wissen wir so viel mehr über diese Tiere: wie eng ihre Familien- und Gruppenbeziehungen sind, wie intensiv sie miteinander kommunizieren, wie gut sie sich bei der Jagd organisieren oder dass sie um verstorbene Tiere trauern – wie etwa die Orca-Mutter, die ihr totes Baby 17 Tage lang versuchte über Wasser zu halten. Kollegen haben das beobachtet, es brach ihnen das Herz.

Foto zeigt einen Orca, der meterhoch aus dem Wasser springt.
Orcas springen gern meterhoch – aus Spaß, oder um Beutetiere zu jagen.
Foto zeigt eine Orca-Fluke, die aufs Wasser patscht.
Dabei schlagen sie häufig gezielt mit ihrer Schwanzflosse zu, der Fluke.
Bild zeigt eine Gruppe Orcas, die in Formation schwimmen.
Und sie schwimmen meist im Familienverband, angeführt von der erfahrenen Matriarchin.

Du sagst sogar, dass die Tiere, wenn du mit ihnen tauchst, in dich hineinschauen können. Wie kommst du darauf?

Orcas haben wie Zahnwale diesen besonderen Sinn: die Echo-Ortung. Mit Schallwellen können sie mich quasi scannen und erkennen, ob etwa mein Herz schneller schlägt, weil ich aufgeregt bin, ob ich gefrühstückt oder Hunger habe, oder wenn ich schwanger wäre. Diese Fähigkeit macht sie sicher auch so neugierig gegenüber uns Menschen. Ich bin überzeugt, dass uns diese Tiere so viel ähnlicher sind, als die meisten denken! Die Killer sind eher wir: Wir stressen sie durch den Schiffsverkehr, durch die vielen Schadstoffe, durch die Überfischung oder die steigenden Temperaturen im Meer. All das schwächt sie, ihre Fitness und ihre Fortpflanzungsfähigkeit.

Stresst das Filmen die Tiere nicht auch?

Es braucht viel Erfahrung, um Störungen möglichst zu vermeiden. Von mir als Tierfilmerin, aber auch von den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite: Forschende oder andere Expert:innen, die sich sehr gut auskennen mit den Tieren vor Ort. Wenn Orcas los schwimmen, macht es zum Beispiel keinen Sinn, ins Wasser zu gehen.

Weil sie zu schnell sind?

Bei bis zu 60 Stundenkilometer käme man eh nicht hinterher. Vor allem zeigen sie so, dass sie kein Interesse an einer Begegnung haben. In anderen Momenten biegen sie von ihrem Kurs ab, kommen näher und schwimmen aufmerksam um unser Boot herum. Vielleicht nähert sich sogar eine Mutter mit Kind. Dann ist klar: Jetzt vertrauen sie uns, jetzt dürfen wir filmen. Für viele Aufnahmen braucht man aber irre lange, bis sie gelingen. Mein Kollege Florian Graner, den ich an der Pazifikküste der USA für meinen Film treffen konnte, beobachtet Orca-Gruppen seit 15 Jahren. Sein eigener Film „Orcas – Herrscher der Meere“ mit vielen außergewöhnlichen Aufnahmen wird am 28. April in der ARD wiederholt – gesprochen übrigens von der Sängerin Sarah Connor.

Foto zeigt den Filmemacher Florian Graner und Kamerafrau Christina Karliczek Skoglund im Meer vor Seattle.
Die „Unter Orca“-Crew – Christina Karliczek Skoglund und Florian Graner – vor der Skyline von Seattle: Die Gewässer sind ein absoluter Orca-Hotspot.
Florian Graner in seiner Arbeitskluft: einem Tauchanzug. Der Deutsche filmt seit über 15 Jahren Orcas, am liebsten vor seiner Tür an der Pazifikküste der USA.
Florian Graner in seiner Arbeitskluft. Der Deutsche filmt seit über 15 Jahren Orcas, am liebsten vor seiner Tür, an der Pazifikküste der USA.
Foto zeigt die Sängerin Sarah Connor und die Tierfilmerin Christina Karliczek im Tauchanzug
Zwei Orca-Expertinnen in einem Boot: Sarah Connor folgte der Einladung zum Dreh nach Norwegen. In Spanien hat sie die Stiftung „Iberian Orca Guardians“ gegründet.
Foto zeigt Christina im Gespräch mit Jeremiah Julius. Er ist Meeresschützer und Ex-Politiker in den USA. Er sagt: „Sowohl Menschen als auch Tiere sind vom Meer abhängig, wir müssen lernen einen guten Umgang für alle mit diesem Lebensraum zu finden.“ Er gehört zur indigenen Lummi-Nation.
Jeremiah Julius ist Meeresschützer und Vertreter der indigenen Lummi-Nation in den USA. Er sagt: „Sowohl Menschen als auch Tiere sind vom Meer abhängig, wir müssen lernen einen guten Umgang für alle mit diesem Lebensraum zu finden.“
Foto zeigt die Kamerafrau und einen Eishai vor Grönland aus der Doku „Geister der Arktis“
Auch dem Eishai kam die Kamerafrau nahe - hier vor Grönland in ihrer Doku „Geister der Arktis“
Foto zeigt die Kamerafrau beim Tauchen.
Es gibt wenige Unterwasserfilmer:innen, die im kalten Wasser so erfahren sind wie die Deutsch-Niederländerin.
Bild zeigt eine grellpinke marine Nacktschnecke
Wilde Muster, wilde Formen: Christina Karliczek Skoglund bezeichnet sich als Nudibranch-Nerd
Bild zeigt eine gelb-blaue marine Nacktschnecke, Artname Phyllidia ocellata
Auch dieses Wunderwesen namens Phyllidia ocellata zählt zu den marinen Nacktschnecken.
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