Wie Forscher und Firmen versuchen, aus dem Klimagas Kohlendioxid einen Wertstoff zu machen

Ein Bericht von Rüdiger Braun

8 Minuten
Ein Arbeiter steht an einer Produktionsanlage für CO2-Schaumstoff in einer großen Halle.

02. Dezember 2016

Das Gas, das so anregend in prickelnden Getränken sprudelt, hat seit längerem ein Imageproblem:

Kohlendioxid ist zwar ein natürlicher Luftbestandteil und eines der wichtigsten Lebensmittel der Pflanzen, doch durch die ungehemmte Verbrennung von Öl, Erdgas und Kohle wurde es zu dem Problemstoff des Industriezeitalters. Es quillt aus dem Auspuff der Autos, aus Schornsteinen, aus Schloten – ein lästiger Abfallstoff, der sich immer mehr in der Luft anreichert. 36 Milliarden Tonnen davon entsorgt die Menschheit pro Jahr in die Atmosphäre. Die Folgen sind dramatisch: Forscher melden immer neue Rekorde bei den Temperaturen, bei der Schmelze des arktischen Eises, beim Absterben von Korallenriffen.

Doch eine Firma namens Covestro stellte kürzlich im nordrhein-westfälischen Dormagen ein Festzelt auf, um mit zweihundert Gästen die erstaunliche Verwandlung von Kohlendioxid von einem Abfallstoff zu einem Rohstoff zu feiern. Die Firma hat ihren Sitz in einem 3,6 Quadratkilometer großen Labyrinth aus rund 60 Industriebetrieben. Bei der Feier wurde eine der weltweit ersten kommerziellen Anlagen in Betrieb genommen, die das problematische Treibhausgas als Rohstoff in der Kunststoffproduktion einsetzt.

Nach einer Probephase produziert Covestro ab Ende 2016 am Standort Dormagen jährlich 5000 Tonnen Polyol – eine glasklare, zähe Flüssigkeit, die als Komponente zur Herstellung von Schaumstoffmatratzen dient. Sie besteht zu 20 Prozent aus Kohlendioxid, das fest in den Molekülen der Substanz eingebunden ist. Das benötigte CO₂ kommt als Abfallprodukt aus einer benachbarten Anlage, in der Ammoniak hergestellt wird. Der Vorstandsvorsitzende der Covestro AG, Patrick Thomas, der sich sonst gerne in britischem Understatement übt, kam ins Schwelgen: „Ein Traum ist wahr, den Chemiker seit vielen Jahren geträumt haben.“ „Dream Production“ nennt das Bayer-Tochterunternehmen Covestro konsequent unbescheiden das Verfahren. Laut Thomas Rachel, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, ist es das „weltweit größte Projekt zur Nutzung von CO₂ . Einige der Festredner sprachen bereits vom „Beginn einer Kohlenstoffkreislaufwirtschaft“.