„Das Mittelmeer ist das perfekte Meer zum Schwimmen!“
Extremschwimmerin Nathalie Pohl verbringt manchmal ganze Tage im Wasser und trifft dabei auf Wale, Delfine – aber auch auf Müll und große Containerschiffe
Dieser Artikel ist Teil unserer Recherche-Serie „Zukunft Mittelmeer – wie wir Natur und mediterrane Vielfalt bewahren“
Nathalie Pohl ist dem Meer so nah wie wenig andere. Denn sie schwimmt oft stundenlang mitten drin – etwa als sie 2016 den Ärmelkanal durchquerte, 2019 die Tsugaru-Straße in Japan oder 2023 die Cook-Straße zwischen Nord- und Südinsel Neuseelands. Derzeit fehlt ihr nur noch eine Strecke für die „Oceans Seven“ – einen siebenteiligen Extrem-Wettbewerb, den bisher nur 22 Menschen geschafft haben. Den Anfangsstein für diesen Wettbewerb legte die gebürtige Marburgerin im Mittelmeer in der Straße von Gibraltar. 2021 dann schwamm sie in Rekordzeit von Menorca nach Mallorca. Das Mittelmeer kennt die 28-Jährige daher recht gut.
Was war Ihr eindrucksvollstes Mittelmeer-Erlebnis?
Nathalie Pohl: Das war mein Weltrekord 2016 in der Straße von Gibraltar. Also, an dem Tag war wirklich alles perfekt: ich war fit, gesund und dann waren auch die Bedingungen noch so gut. Und wenn man dann ankommt und realisiert: Wow, ich bin jetzt wirklich von einem Kontinent zum anderen geschwommen, das ist Wahnsinn!
Was wissen Sie übers Mittelmeer, was sonst keiner weiß?
Pohl: Ich bin in vielen verschiedenen Meeresgebieten sehr weite Strecken geschwommen und muss sagen, das Mittelmeer ist eigentlich das perfekte Meer zum Schwimmen! Es hat supergute Wassertemperaturen, ist nicht zu kalt, nicht zu warm. Und dann ist das Wasser auch extrem klar. Als ich von Menorca nach Mallorca geschwommen bin, konnte ich sehr weit nach unten gucken. Auch Verschmutzungen habe ich dort – soweit man das sehen kann – kaum bemerkt. Viel weniger jedenfalls als in anderen Meeren. Als ich zum Beispiel durch den Catalina Channel vor der kalifornischen Küste geschwommen bin, war dort super viel Dreck und Müll. Und über den Ärmelkanal brauchen wir hier gar nicht reden, was da alles drin herumschwirrt. Oder vor New York!
Es gibt aber auch viele Krisen im Mittelmeer: Erwärmung, Überfischung, Versauerung, Lärm und Verkehr – welche davon haben Sie am unmittelbarsten erlebt?
Pohl: Ja, dass der Klimawandel da ist, das wird uns Schwimmern auch deutlich. Das Wasser ist generell wärmer geworden, finde ich. Und teilweise haben sich ja durch die Wassertemperaturen im Meer sogar die Strömungen verändert . Wir arbeiten ja sehr, sehr viel mit Gezeiten und Strömungen, um davon zu profitieren.
Sie haben sich immer wieder neuen, scheinbar kaum zu bewältigenden Herausforderungen gestellt – und sie gemeistert. Macht Sie das auch optimistisch im Blick auf die Krisen, die es – nicht nur – aber auch im Mittelmeer-Raum gibt?
Pohl: Ich bin dem Meer extrem verbunden. Also ich bin da draußen ja wirklich alleine. Nur mein Kajak oder eben mein kleines Begleit-Boot sind da, aber ansonsten bin ich alleine. Und dadurch nehme ich das Meer ganz intensiv wahr und fühle mich schon so ein bisschen als Teil davon. Und wenn ich dann nachts in eine Plastikplane reinschwimme oder tagsüber sehe, was da alles ins Meer geworfen wurde, dann wird klar: Okay, das kommt alles von uns Menschen. Und wenn ich jetzt mit den Oceans Seven fertig bin, werde ich mich stark dafür einsetzen, dass der Meeresschutz mehr Aufmerksamkeit bekommt.
Im Mittelmeer kommt es oft zu Kollisionen von Schiffen und Meeressäugern. Wie war das für Sie? Sie sind ja dann quasi auch wie ein Meeressäuger, der da stundenlang im Wasser schwimmt?
Pohl: Also, die Schwimmen sind natürlich vorher angemeldet – da haben wir es deutlich besser als Wale oder Delfine. Aber nichtsdestotrotz kam es jetzt auch öfter vor, dass wir auf der Stelle schwimmen mussten, wenn da ein Schiff vorbeifährt.
Neben den Schiffen gab es aber bestimmt auch Begegnungen mit Tieren, oder?
Pohl: Ja, Delfine sind ja Lebewesen, die sehr stark an Booten oder Schwimmern interessiert sind. Also jetzt gerade letzte Woche, als ich um Jersey geschwommen bin, hatten wir auch wieder Delfine. Die spielen ja richtig mit einem. Also jedes Mal, wenn die kommen, dann sind die auch nicht nur so drei, vier Minuten da, sondern bleiben dann wirklich auch mal eine halbe Stunde oder Stunde. Und die gucken dann wirklich so, okay, was macht die jetzt gerade? Und mein schönstes Erlebnis hatte ich da in Neuseeland. Da sind die wirklich zwei Stunden dauerhaft bei mir geblieben, haben gewartet, als ich etwas getrunken habe und sind dann wieder mit mir weiter geschwommen. Und in Gibraltar hatten wir sogar einen Wal. Aber den habe ich nicht gesehen, der war zu weit weg. Also den hat nur mein Team gesehen. Ich nehme beim Schwimmen natürlich nur das wahr, was unter oder direkt neben mir ist.
Und wohin führt die nächste Mittelmeer-Reise?
Als Nächstes werde ich ja meine letzte Etappe von den Oceans Seven in Angriff nehmen – nächsten Sommer zwischen Irland und Schottland. Das wird ein bisschen kälter sein als das Mittelmeer. Aber ja, es gibt bestimmt noch ein, zwei Schwimmstrecken im Mittelmeer, die mich vielleicht in Zukunft noch interessieren könnten.
Das Projekt „Zukunft Mittelmeer – wie wir Natur und mediterrane Vielfalt bewahren“ wird gefördert von Okeanos – Stiftung für das Meer.