Krank nach der Corona-Impfung: „Viele Menschen werden allein gelassen“
Dennis Riehle ist vom Post-Vac-Syndrom betroffen. Im Interview fordert er einen ehrlichen, unaufgeregten Umgang mit dem komplexen Thema „Impfschädigung“, ohne zu übertreiben oder Angst zu verbreiten.
Dennis Riehle bleibt trotz seiner Erfahrungen dabei: Impfungen sind wichtig und notwendig. Der 37-jährige Journalist aus Konstanz macht sich seit 2021 für Menschen stark, die mit Impfkomplikationen zu kämpfen haben. Mit der von ihm gegründeten Initiative orientiert er Betroffene in den Möglichkeiten zur Selbsthilfe, setzt sich aber auch gegen die Vereinnahmung des Themas zu ideologischen Zwecken ein. Im Interview berichtet Riehle über seine Leidensgeschichte und darüber, welche Anregungen er für politische und wissenschaftliche Entscheidungsträger hat.
Welche Symptome stellten sich bei Ihnen nach der Corona-Impfung ein, Herr Riehle?
Meine Impfungen waren im Sommer 2021 und im Frühjahr 2022. Ich hatte die üblichen Reaktionen wie anfängliches Fieber, ein allgemeines Krankheitsgefühl, Schmerzen an der Einstichstelle und eine Mattigkeit. Allerdings setzten schon am zweiten Tag schwere Muskel- und Sehnenschmerzen ein. Meine Gelenke wurden täglich steifer, ich bekam Lähmungserscheinungen, Missempfindungen der Haut, ein brennendes Ziehen entlang der Nervenbahnen, Kreislaufbeschwerden und fühlte mich extrem erschöpft. Untersuchungen belegten dann dreifach erhöhte Leberwerte, einen stark angestiegenen Nüchternzucker – ich bin Diabetiker, der Wert war vor der Impfung noch vollkommen zielgerichtet eingestellt. Außerdem litt ich an einer Autoimmungastritis.
Belastung durch Schmerzen und Erschöpfung
Was blieb von diesen Krankheitszeichen?
Heute dominieren noch die Schmerzen, was mich sowohl in der Mobilität als auch psychisch belastet. Geblieben sind auch die Sensibilitätsstörungen sowie umfangreiche Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Mit der Konzentration und Aufmerksamkeit habe ich weiter Schwierigkeiten. Insgesamt fühle ich mich seit der Impfung dauerkrank, wie bei einer fortbestehenden Grippe, allerdings ist es jetzt doch ein akzeptabler Zustand und ich bin dankbar, dass sich das anfängliche Ausmaß über die Zeit sehr deutlich reduziert hat. Wenn ich meine Impfkomplikation betrachte, hat sich der Gesundheitszustand mittlerweile auf einem einigermaßen annehmbaren Niveau stabilisiert.
Wie reagierten die Ärztinnen, die Ärzte, als Sie sich mit Ihren Symptomen vorstellten?
In meinem Fall kann ich nur von positiven Erfahrungen mit meinen behandelnden Ärzten berichten. Mein Impf- und Hausarzt nahm die Beschwerden sofort ernst und reagierte richtig: Er hat sie ausführlich dokumentiert und für etwaige sozialrechtliche Ansprüche attestiert. Es gab auch für meine Fachärzte keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei der aufgetretenen Symptomatik zunächst um eine Impfreaktion und Nebenwirkungen des Vakzin handelt.
Nachdem diese dann über sechs Wochen andauerten, wurde bei mir das Post-Vac-Syndrom diagnostiziert – also eine deutlich über das normale Maß hinausgehende Gesundheitsstörung, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten ist und nach übereinstimmender ärztlicher Meinung in höchstwahrscheinlicher Kausalität zu den Immunisierungen steht.
Selbstverständlich sind bei mir viele Vorerkrankungen bekannt, unter anderem Parkinson, Nierenleiden und Diabetes mellitus. Das ist sicherlich in der Bewertung zu beachten und man muss gegebenenfalls wechselseitige Auswirkungen berücksichtigen. Letztendlich ist aber auch eine Verschlechterung bestehender Symptome nach dem Piks als Impfkomplikation anzusehen.
Viele Mediziner und Medizinerinnen sind mit dem Thema überfordert
Wie ergeht es anderen Betroffenen, denen Sie begegnet sind?
Im Rahmen meines ehrenamtlichen Engagements in der Selbsthilfeinitiative zum Post-Vac-Syndrom habe ich mittlerweile knapp 4.500 Mails von Betroffenen einer Impfschädigung unterschiedlicher Ausprägung beantwortet. Und da berichtet die überwiegende Mehrheit der Patienten und Patientinnen, dass die Ärzte sehr ablehnend reagieren und das Thema Impfkomplikation gar nicht in den Mund nehmen wollen oder deren Existenz leugnen.
Da werden viele Menschen allein gelassen mit den teils beträchtlichen Symptomen und Einschränkungen, obwohl schon das Anerkennen solch einer Impffolge einen psychosozialen Effekt hätte. Dass es keine ursächliche Behandlung gibt, entbindet die Ärzte meiner Meinung nach nicht davon, symptomatisch zu therapieren. Schlussendlich liegt es einfach an der fehlenden Sensibilisierung und Fortbildung. Viele Mediziner sind mit dem Thema schlicht überfordert und waren noch nie so sehr damit konfrontiert wie aktuell.
Gab es Therapieversuche – falls ja, mit welchem Erfolg?
Therapeutisch wurde vor allem versucht, die Schmerzen zu verringern. Dazu erhielt ich ein mildes Antidepressivum, ebenso Wärme- und Kältebehandlungen, manuelle Therapie, Salbentherapie und gegen die Nervenschmerzen ein zunächst für Epilepsie gedachtes, aber bei polyneuropathischen Beschwerden eingesetztes Mittel. Ich bekam außerdem eine Nahrungsergänzung mit B-Vitaminen, dem Wirkstoff „Uridinmonophosphat“, „Alpha-Liponsäure“ und Vitamin D und psychotherapeutische Unterstützung. Insgesamt verspürte ich dadurch Linderung und mehr Lebensqualität, bessere Annahme und Bewältigung der neuen Situation. Weiterhin habe ich eine Ernährungsumstellung vorgenommen, Maßnahmen zur Schlafhygiene und Entspannung ergriffen. Anfänglich wurde auch ein Blutwäscheverfahren diskutiert, aber nach mehrfacher Abwägung nicht weiterverfolgt.
„Betroffene sind keine Impfgegner – sie haben sich ja impfen lassen“
Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern in der öffentlichen Diskussion über das Post-Vac-Syndrom?
Ich wende mich gegen Dramatisierung oder Panikmache. Auch wenn der Zulauf zu unserer Selbsthilfeinitiative in den letzten Wochen und Monaten nicht weniger geworden ist – im Gegenteil –, weiß ich die Zahlen selbst bei Hochrechnung doch ins Verhältnis zu der Menge an verabreichten Impfdosen zu setzen. Insgesamt bilden sich bei vielen Betroffenen die Symptome zumindest im Laufe der Zeit zurück oder verringern sich stark. Insofern gibt es für mich keinen Grund zu einer Beunruhigung, immerhin sind Impfschäden ja nichts Neues.
Durch Vereinnahmung des Themas zu ideologischen Zwecken – beispielsweise durch Verschwörungstheoretiker und Querdenker von den politischen Rändern – werden Menschen mit einer Impfschädigung ebenfalls in eine Schmuddel-Ecke gerückt und das Post-Vac-Syndrom bekommt einen faden Beigeschmack, der auch zu einer ablehnenden Haltung bei Ärzten und Politik beiträgt. Betroffene sind keine Impfgegner – sie haben sich ja impfen lassen!
Natürlich sind viele Patienten verbittert. Denn sie wollten sich eigentlich schützen – und sind nun doch krank. Allerdings habe ich noch niemanden kennengelernt, der sich durch einen Impfschaden radikalisiert hat. Diejenigen, die jetzt das Thema für ihre weltanschaulichen Vorstellungen missbrauchen, haben sich entweder nie impfen lassen oder eben keine Impfkomplikation erlitten. Sie sprechen als Außenstehende und erweisen echten Post-Vac-Patienten einen Bärendienst. Daher braucht es einen ehrlichen, unaufgeregten Umgang mit dem komplexen Thema, ohne zu übertreiben oder Angst zu verbreiten.
Wie kann den Betroffenen besser geholfen werden?
Die Politik muss das Problem als ein solches anerkennen und vor allem die Versorgung der Betroffenen deutlich verbessern. Neben Aufklärung und Information der Ärzte braucht es die Einrichtung weiterer Spezialambulanzen an unseren Kliniken. Daneben sollte es – wie nun auch für Long-Covid angedacht – zentrale Stellen geben, die Erkrankte in allen Belangen beraten, beispielsweise in Form einer kostenfreien Telefonnummer. Dabei geht es nicht nur um die Verweisung an medizinische Einrichtungen und Terminvermittlung, sondern auch um Angebote der psychosozialen Unterstützung und der rechtlichen Hilfestellung zur Erlangung von Ansprüchen wie einer Entschädigungsleistung bei nachgewiesenem Impfschaden. Uneigennützig verweise ich auch darauf, dass die Selbsthilfe weiter gestärkt werden könnte; sie leistet aus meiner Sicht im Augenblick einen ganz wichtigen, freiwilligen Dienst, um manche Versorgungslücke auszugleichen und abzufedern. Daher dürfen sich auch bei mir Betroffene weiterhin gerne zur kostenlosen Beratung melden.
Impfungen kritisch hinterfragen, Leitlinien für Behandlung von Impfschäden entwickeln
Wo sehen Sie Forschungsbedarf?
Ich denke, so, wie wir nun Corona aufarbeiten, sollten wir auch die Impfungen kritisch hinterfragen. Ich selbst bin von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von Immunisierungen überzeugt. Dennoch sollten wir anhand der im Rahmen der Pandemie dokumentierten Impfschäden eine Auswertung vornehmen, welche Wirkstoffe nun vor allem im Verdacht stehen, schwere Komplikationen ausgelöst zu haben – und welche Vakzine im Vergleich eher arm an möglichen Nebenwirkungen sind. Daraus müssen wir lernen und überprüfen, woran es liegt, dass einzelne Impfstoffe eher zu einer Schädigung geführt haben.
Einerseits geht es also darum, Impfschäden von vornherein zu verringern, indem wir aus der Erfahrung heraus Erkenntnisse darüber gewinnen, welche Art von Vakzinen das beste Nutzen-Risiken-Profil haben und ob es tatsächlich notwendig sowie fachlich angemessen war, nahezu im Akkord zu impfen. Denn man kann sich ja vorstellen, dass der Körper nach der vierten oder fünften aufeinanderfolgenden Impfung irgendwann doch rebelliert – zumal viele das Immunsystem noch zusätzlich mit Grippe-, Gürtelrose- oder Masern-Impfungen herausgefordert haben.
Andererseits sollten wir auch Berichte von Betroffenen sammeln und auswerten, die zeigen können, welche Maßnahmen bei einem Post-Vac-Syndrom hilfreich waren. Daraus könnte sich eine fachliche Leitlinie entwickeln, wie Impfschäden künftig strukturiert behandelt werden sollten. Abschließend müsste auch geklärt werden, ob ursächliche Therapieversuche wie ein Blutwäsche-Verfahren oder auch die Gabe von Immunglobulinen letztendlich breitflächig geeignet sein könnten, Impfschäden im Zweifel an der Wurzel zu packen.