Evolution des Menschen: Ein Pionier aus Afrika wird zum Beherrscher der Erde

Der Homo sapiens ist die am weitesten verbreitete Menschenart aller Zeiten. Forschende ergründen seine Herkunft, verfolgen seine Wege über unseren Planeten und sind dem Geheimnis seines Erfolgs auf der Spur.

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Vor gelblicher Steppe grasen Gnus und Zebras, dahinter erheben sich einige Bäume mit schirmförmigen Kronen, und weiter im Hintergrund erheben sich Berge, über denen Wolken zu sehen sind.

Vor rund 300.000 Jahren entsteht der Homo sapiens in Afrika, doch erst gut 200.000 Jahre später macht er sich auf, um die gesamte Erde zu besiedeln – und erreicht sogar die bislang menschenleeren Kontinente Australien und Amerika. Auf seinem Weg trifft er auf ältere Menschenarten, vermischt sich mit ihnen und verleibt sich einen Teil ihrer Gene ein. Nur ein paar Jahrzehntausende später ist er allein auf weiter Flur, sind alle Konkurrenten verschwunden. Was ist geschehen? Die Geschichte des Homo sapiens, der erfolgreichsten Menschenart unseres Planeten.

Die Erde vor rund 70.000 Jahren: Mindestens sechs Arten von Menschen leben auf den Kontinenten Afrika, Europa und Asien. In Europa haben sich die Neandertaler seit mehreren 100.000 Jahren festgesetzt, Asien besiedeln die Denisova-Menschen sowie Homo erectus. Auf der Insel Flores finden sich die Zwergenmenschen der Art Homo floresiensis und auf der philippinischen Insel Luzon sind die ebenfalls kleinwüchsigen Angehörigen von Homo luzonensis zu Hause. In Afrika und im Nahen Osten aber lebt der Homo sapiens. So viele verschiedene Menschenarten haben wohl nie zuvor gleichzeitig existiert – und sie werden es auch danach nicht mehr tun. Denn nun geschieht etwas, das das unseren Planeten für immer verändern wird.

Der Homo sapiens breitet sich unaufhaltsam aus, zunächst über den Nahen Osten nach Südostasien, dann auch nach Nordasien und Europa. Es gelingt ihm sogar, Australien und Amerika zu besiedeln – Kontinente, in die nie zuvor menschliche Wesen vorgedrungen waren. Vor allem aber: Schon bald nachdem der Homo sapiens irgendwo aufgetaucht ist, verschwinden dort die anderen Menschenarten. Und spätestens seit der Zeit vor 20.000 Jahren ist er der einzige seiner Gattung auf diesem Planeten. Was ist da geschehen, wie konnte sich der „Neue“ aus Afrika derart radikal durchsetzen und alle übrigen verdrängen?

Die rätselhaften Toten von Cro-Magnon

Sämtliche Menschen, die heute auf der Erde leben, gehören der Art Homo sapiens an (dem modernen Menschen, wie die Art auch genannt wird). Der Wissenschaft ist es inzwischen gelungenen, ihren Weg von den Wurzeln bis zum weltweiten Durchbruch nachzuzeichnen. Ein Durchbruch, der so erfolgreich war, dass diese Art heute dabei ist, den gesamten Planeten durch ihren Ressourcenverbrauch zu gefährden. Die Erforschung ihres Ursprungs – und damit unser aller Herkunft – verlief allerdings nicht ohne Irrungen und Wirrungen. Sie beginnt mit einer Entdeckung im Jahr 1868, und zwar im Südwesten Frankreichs.

Das Foto zeigt von vorne den gelblichen Schädel eines alten, zahnlosen Mannes vor schwarzem Hintergrund. Die Stirn ist hoch gewölbt, über den Augen sind keine Verdickungen zu erkennen, der Unterkiefer ist eher klein.
In dem Felsunterschlupf von Cro-Magnon in Südwestfrankreich entdeckten Forschende im Jahr 1868 fünf Skelette – darunter den Schädel dieses alten Mannes. Sie gehörten zu den ältesten modernen Menschen, die Europa besiedelt haben

In dem kleinen Dorf Les Eyzies im Bezirk Dordogne sind in diesem Jahr Arbeiter dabei, das Land zu roden, um eine Eisenbahnlinie sowie einen Bahnhof zu bauen. Dabei entdecken sie ein zuvor verschüttetes Felsabri – einen Unterschlupf – mit Tierknochen und Werkzeugen aus Feuerstein darin. Bald darauf gräbt ein junger Geologe in der Rückseite des Abri und findet fünf Skelette: die Relikte dreier Männer, einer Frau und eines Säuglings. Sie waren dort offenbar bestattet worden, wie die Lage der Skelette verrät. Zudem findet sich bei ihnen Schmuck: durchbohrte Muschelschalen und Tierzähne, die vermutlich einst als Anhänger oder Halsbänder getragen worden waren.

Auffällig ist: Sie besitzen runde Köpfe und eine hohe Stirn, ähneln sehr viel mehr den heutigen Menschen als den im Jahr 1856 entdeckten Neandertalern mit ihren langen, flachen Schädeln und dicken knöchernen Wülsten über den Augen. Und damit wird klar: Sie gehören zum Homo sapiens, sind steinzeitliche Vertreter unserer Art auf dem europäischen Kontinent. Nach dem Kalksteinmassiv, in dem die Fundstelle liegt, werden sie fortan „Cro-Magnon-Menschen“ genannt (Cro-Magnon bedeutet „Große Klippe“). Das Alter der Skelette wird später auf 30.000 bis 32.000 Jahre bestimmt.

Die Spuren weisen nach Nahost – und weiter

Doch woher sind diese modernen Menschen gekommen? Sie hätten sich selbstverständlich in Europa entwickelt, glauben damals manche eurozentrierte Koryphäen der Anthropologie, oder vielleicht auch in Asien. Das scheinen weitere Funde ähnlicher Menschenfossilien in Europa und Westasien zu bestätigen. An Afrika denkt zunächst niemand. Ab den 1930er Jahren rückt der Nahe Osten im Gebiet des heutigen Israel in den Fokus der Forschung, denn hier werden viele Relikte von modernen Menschen entdeckt. Einige werden in den 1980er Jahren auf ein Alter von mehr als 90.000 Jahre datiert. Hier lebte der Homo sapiens also schon viel früher als etwa in Europa.

Auf dem Foto ist ein rötlich-brauner Hügel zu sehen, an dessen vorderen Seite eine Abbruchkante liegt. Dort graben Arbeitende im Boden nach uralten Fossilien und Steinwerkzeugen. Links im Hintergrund tut sich eine trockene, wüstenähnliche Landschaft mit nur wenigen Büschen auf.
Im marokkanischen Jebel Irhoud war im Jahr 1961 ein menschlicher Schädel unbekannten Alters gefunden worden. Erst als ein Team des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ab 2004 neue Grabungen an der Stelle vornimmt und schließlich eine Datierung möglich wird, ergibt sich die Sensation: Hier lebten die allerersten Vertreter unserer Art: des Homo sapiens
Zu sehen ist eine bunt gemischte Gruppe junger Menschen, die draußen stehen und fröhlich in die Kamera lachen. Es sind fünf Männer, die fünf Frauen huckepack tragen; eine sechste Frau steht mit ausgebreiteten Armen vor ihnen.
Die Vielfalt des heutigen Homo sapiens umfasst Menschen aus den unterschiedlichsten Ethnien mit unterschiedlichstem Aussehen. Und doch stammen sie alle von einer einzigen Population ab, die vor 120.000 bis 200.000 Jahren in Afrika lebte
Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig rekonstruierten den schon länger bekannten Schädelfund von Jebel Irhoud in Marokko als Modell im Computer. Anhand der Rekonstruktion konnten sie zeigen, dass der Schädel eindeutig zu einem Homo sapiens gehört, also um einen Vertreter unserer eigenen Art. Zudem datierten die Forscher den Fund mit neuen Methoden und kamen auf ein überraschendes Ergebnis: Der älteste Homo sapiens lebte bereits vor 300.000 Jahren.
Die Computer-Rekonstruktion des Schädels von Jebel Irhoud in Marokko durch Forscher am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie zeigt: Es handelt sich eindeutig um einen Homo sapiens, um einen Vertreter unserer Art. Und die Datierung beweist: Er lebte bereits vor 300.000 Jahren!
Das Foto zeigt vor grünem Hintergrund den Kopf und Oberkörper eines urtümlich wirkenden Mannes mit dunkler Hautfarbe, der dichtes, hoch aufstehendes gekräuseltes Haar besitzt und eine Art Stirnband trägt.
Sah so der Urahn der modernen Menschen aus? Diese Ganzkörper-Rekonstruktion des Homo sapiens von Jebel Irhoud ist im Außenbereich des Neanderthal Museums in Mettmann zu sehen
Im Vordergrund ist sandiger Steppenboden zu erkennen, auf dem von hinten ein gehender, dunkelhäutiger Mann mit Pfeil und Bogen in der Hand zu sehen ist. Er geht auf einen karg beblätterten Baum und Gestrüpp zu, weiter im Hintergrund sind Hügel mit Felszacken darauf zu erkennen.
Über Jahrhunderttausende vermischten sich in Afrika – hier ein Angehöriger der Ethnie der Hadza in Tansania – immer wieder Menschen verschiedener Populationen, besagt eine aktuelle Studie. Erst vor 135.000 bis 120.000 Jahren begann eine Entwicklung, aus der die heutige Menschheit hervorging
Das Bild zeigt die wie eine Zeichnung wirkende Rekonstruktion eines rund 180.000 Jahre alten Oberkiefers. Sie wurde anhand von Aufnahmen im Micro-Computertomographen gewonnen. Der Oberkiefer gehörte einst einem modernen Homo sapiens und wurde in der Misliya-Höhle in Israel entdeckt.
Die Rekonstruktion eines in der Misliya-Höhle in Israel gefundenen Oberkiefers anhand von Aufnahmen im Micro-CT zeigt, dass es sich um den eines modernen Menschen handelt; der Fund ist rund 180.000 Jahre alt
Die Illustration zeigt eine eiszeitliche Landschaft aus verdorrtem, bräunlichem Gras und teils mit Schnee bedeckt. Im Zentrum eine Gruppe Mammuts, links einige Pferde und rechts ein Wollnashorn. Dazwischen zwei Löwen mit einem erbeuteten Hirsch: Im Hintergrund kieferartige Nadelbäume, ganz hinten schneebedeckte Hügel.
Die eiszeitliche Steppe mit ihrer reichen Tierwelt – hier eine Impression für Nordspanien – wurde lange Zeit von Neandertalern beherrscht. Erst seit 45.000 Jahren ist auch der Homo sapiens in Europa zu Hause
Auf schwarzem Hintergrund zu sehen sind verschiedene Klingen und Schaber aus Feuerstein, sowie rechts oben eine zerbrochene Perle aus Sandstein, die in der Mitte durchlocht ist. Die filigran zugeschlagenen Stein-Objekte zeigen Farbtöne von fast schwarz, über grünlich, orange, rötlich und gelb.
Diese rund 45.000 Jahre alten Gegenstände aus Stein wurden von den ersten modernen Menschen Europas gefertigt und in der Bacho-Kiro-Höhle in Bulgarien gefunden
Das Foto zeigt die von vorne gesehene fossile Schädeldecke eines Menschen mit recht kräftigen Augenwülsten. Sie gehörte einst einer Homo-sapiens-Frau, deren Erbgut Anteile von Denisova-Urmenschen enthielt.
Diese 34.000 Jahre alte, in der Mongolei gefundene Schädeldecke gehörte einst einer Homo-sapiens-Frau. Doch ihre Vorfahren müssen Sex mit Denisova-Menschen gehabt haben, verrät die DNA

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Dies ist der siebte Text einer achtteiligen, kostenpflichtigen Serie zur Geschichte des Menschen. Bereits erschienen: „Die Wurzeln des Menschen“, „Die Erfindung des aufrechten Gangs“, „Das Zeitalter der Affenmenschen“, „Die ersten Menschen und ihre Welt“, „Migranten der Vorzeit: Als Urmenschen erstmals ihre afrikanische Heimat verließen“ und „Wie die Neandertaler Europa beherrschten – und weshalb sie dennoch untergingen“. Der letzte Teil: „Was den Menschen so erfolgreich machte“ folgt in einigen Monaten.

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