Flugtickets werden teuer, aber nicht so dramatisch wie die Luftverkehrswirtschaft uns glauben machen

Bei Preissteigerungen von 50 Prozent zuckt jeder Verbraucher zusammen. Doch die Zahlen von Jens Bischof, dem Präsidenten des Bundesverbands, wackeln schon bei der ersten Überprüfung – und erst Recht beim Vergleich mit anderen Formen der Mobilität. Eine Kolumne.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
3 Minuten
Im Symbolbild sind mehrere Münzstapel zu sehen, die immer höher werden, ein kleines Plastikflugzeug stellt den Zusammenhang zu den Ticketpreisen her.

Jens Bischof klingt wie der Anwalt der ärmeren Menschen: „Fliegen muss bezahlbar bleiben“, forderte der Manager in den vergangenen Wochen vehement in verschiedenen Interviews. Bischof ist seit Juli Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Er trommelt nicht nur für seine Branche, sondern läutet gleichzeitig die Alarmglocke. „Wir haben keine Zeit zum Warten“, sagte Bischof. Die Politik müsse jetzt handeln – und beispielsweise die Luftverkehrssteuer wieder abschaffen. Sonst werde die Anbindung des Wirtschaftsstandorts Deutschland gefährdet.

Airlines streichen Starts und Strecken

Diese Aussagen fallen vermutlich nicht zufällig in eine Zeit, in der einige Airlines die Streichung von Starts von deutschen Flughäfen ankündigen. Ryanair will statt bisher neun nur noch sieben Flugzeuge in Berlin stationieren. In 2025 werden 22 Strecken ganz gestrichen, vor allem Dortmund, Leipzig, Hamburg und Dresden sind betroffen.

Die Lufthansa-Tochter Eurowings streicht außerdem 1000 Flüge nach Hamburg, und Condor reduziert sein Angebot um 13 Prozent. Früher hat die Konkurrenz diesen Lücken sofort genutzt und das eigene Liniennetz erweitert. Das scheint diesmal nicht der Fall zu sein. Offenbar ist das Potential doch begrenzt, zumindest können die Flugzeuge auf anderen Strecken rentabler unterwegs sein.

Nur ein Viertel der Deutschen fliegt

Doch droht Deutschland nun der Luftfahrtkollaps? Und greift der Staat seinen armen BürgerInnen mit Steuern und anderen Abgaben in die kaum gefüllten Portemonnaies? Wohl kaum. Denn eine Flugreise ist für das Gros der Bevölkerung die Ausnahme. Der Anteil der Menschen ab 14 Jahren, die in den letzten 12 Monaten eine Flugreise unternommen haben, liegt zwischen zehn und 25 Prozent.

Das zeigt eine regelmäßige Befragung zum Mobilitätsverhalten von 2019 bis 2023. Zwar stimmt es, dass das Flugzeug das Auto als beliebtestes Verkehrsmittel für eine Reise in den Urlaub abgelöst hat, aber dennoch ist Fliegen nicht selbstverständlich. Es mag verständlich sein, bei einer Erhöhung der Spritpreise mit dem armen Mann zu argumentieren, beim Fliegen ist es das nicht.

Hinzu kommt die verräterische Argumentation, die die vermeintliche Kostenexplosion belegen soll. Die pessimistische Botschaft wird nämlich mit prozentualen Steigerungen unterfüttert. Das ist immer ein Grund zur Vorsicht. Denn wenn ein Billigflug beispielsweise 50 Euro kostet, dann macht eine Preiserhöhung um 50 Prozent in absoluten Zahlen nur 25 Euro aus. Kaum vorstellbar, dass dieser Betrag einen Flugreisenden vom Ticketkauf abhalten wird.. Bahnreisende wundern sich übrigens schon lange darüber, wie wenig Strecke sie im Vergleich zu Flugreisenden für das gleiche Geld bekommen.

Preise steigen, aber keine Kostenexplosion

Ein paar Zahlen sind leicht verfügbar und sie nähren Zweifel, ob Bischofs Klage über die Kostenexplosion nicht als Luftnummer zu bewerten ist. So steigt der maximale Gebührensatz für die Luftsicherheitskontrollen zu Beginn des nächsten Jahres von 10 auf 15 Euro pro Passagier – das sind zwar 50 Prozent, aber nur fünf Euro. Als die Bundesregierung am 1. Mai die Ticketsteuer auf Flüge in Deutschland erhöht hat, versuchte die Ryanair die Kosten nachträglich auf bereits verkaufte Tickets aufzuschlagen. Einige Medien haben recherchiert: Der Billigflieger verlangte von seinen Kunden zwischen 2,80 Euro und 12,77 Euro pro Flug.

Zurzeit seien die staatlich festgelegten Gebühren und Steuern beim Start eines typischen Mittelstreckenfluges in Frankfurt, Stuttgart oder Düsseldorf rund doppelt so hoch wie beispielsweise in Rom, Oslo oder Brüssel, berichtet das Fachmagazin Aero. In Madrid würden statt 4.400 Euro nur 660 Euro fällig. Geht man davon aus, dass 100 Menschen im Flieger sitzen, werden in diesem Extremfall pro Person 37,40 Euro als Mehrkosten durch staatlich festgelegte Gebühren und Steuern fällig.

Fliegen und Gratismentalität

Wie sehr sich die Verantwortlichen der Airlines an die Gratismentalität durch Subventionen für Flugbenzin und niedrige Kosten gewöhnt haben, macht eine Aussage von Bischof deutlich, die offenbar die Empörung in der Bevölkerung anheizen soll. Die zahlreichen staatlichen Steuern und Gebühren „machen bei einem Abflug aus Deutschland mittlerweile 30 Euro vom Preis eines Tickets aus“, erklärte der Luftfahrt-Lobbyist. Zum Vergleich: Für Benzin oder Diesel an der Tankstelle zahlen die Autofahrenden etwa 50 Prozent oder mehr an den Fiskus. 30 Euro sind schon bei einer einzigen Tankfüllung weg.

Mehr Grund zur Aufregung hätten auch Bahnfahrende: Der Preis des Deutschlandtickets, das einmal als 9-Euro-Ticket begonnen hatte, erlebte nämlich binnen zwei Jahren einen Horroranstieg. Er kletterte um 544 Prozent – von 9 auf 49 Euro. Zum Januar 2025 kommen noch einmal 18 Prozent drauf.

Dass jede Flugreise klimaschädlich ist und die daraus entstehenden Kosten für die Gesellschaft noch nicht einmal in Ansätzen ausgeglichen werden, sei bei dieser Analyse nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

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