3o Jahre Deutschland gegen Spanien aus der Sicht eines Fotojournalisten
Bei der Europameisterschaft in Deutschland trifft das deutsche Team auf Spanien. Der Fotojournalist Björn Göttlicher beobachtet spanischen Fußball seit 30 Jahren.
Im Jahr 1988 fotografierte ein damals 16 Jahre alter Junge von der Fantribüne des Münchner Olympiastadions auf den Rasen. Es war das Spiel zwischen Deutschland und Spanien. Nach dem Kantersieg Spaniens gegen Georgien bei der EM 2024 fiel ihm das Foto in die Hände. Grund genug für Björn Göttlicher, zurückzuschauen auf seine Jahre als Bildjournalist in Spanien, wo der Fußball überall präsent ist und bei großen Anlässen hilft, ein Land zu einen, das ansonsten gespalten ist in Anhänger von Real Madrid oder dem FC Barcelona.
Als Fotograf hast du die Gelegenheit, anderen dabei zuzusehen, wie sie Gefühle äußern. Der Fußball ist ein starkes Ventil für das Freisetzen von Emotionen, das merkte ich in dieser Situation in einem Barça-Fanclub recht deutlich. Das Bild zeigt den Moment, in dem ein Spieler des FC Barcelona eine große Torchance liegen ließ. Zumindest glaube ich, pures Entsetzen in den Augen der Fans zu lesen. Das Bild entstand im Rahmen einer Reportage über spanischen Fußball für „Der Spiegel“.
Das Warten auf die starke Emotion kann für den Fotografen allerdings auch anstrengend werden. Das Spiel, das ich hier besuchen durfte, fand im Camp Nou statt. 90 Minuten lang fielen keine Tore. Entsprechend war die Stimmung der Zuschauer. Da wirkt dieser Schrei beinahe wie eine Erlösung. Ein Tor herbeischreien konnte der Fan trotzdem nicht.
Real-Madrid-Fans in ihrem Club, einer „Penya Madridista“, im Süden von Barcelona verkürzen sich das Warten auf die starke Emotion hier mit einem Gesellschaftsspiel. Wahrscheinlich Domino. Madrider Fanclubs sind in Katalonien in der Minderheit, was auch politische Gründe hat. Männer unter sich, möchte man denken. Das Logo von Real Madrid über dem Dach einer Kirche, oder ist es eine Burg? Egal, Madrid gewinnt sowieso – und in der nächsten Saison haben sie auch noch Mbappé.
Ich schreibe hartnäckig, das Spiel war langweilig. Kann natürlich daran liegen, dass ich selber wenig davon mitbekommen habe. Jedenfalls war es mir hier vergönnt, einmal Lionel Messi in Aktion fotografieren zu dürfen. Kann ich jetzt meinem Bonus-Sohn als Geschenk ausdrucken. Der ist VfB-Stuttgart-Fan und hat es derzeit auch nicht leicht, da seine Lieblingsspieler trotz Vize-Meisterschaft den Verein wechseln. Da könnte ein Messi-Foto Trost bringen. Der spielt ja sogar noch, in Miami.
Die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 fand in Südafrika statt. Im Finale standen sich die Niederlande und Spanien gegenüber. Spanien gewann das Finale mit 1:0 nach Verlängerung – auch, weil Arjen Robben eine Riesenchance vergab. Spanien wurde somit zum ersten Mal Weltmeister. Hier kühlen sich einige Fans beim Public Viewing in Barcelona in einem Brunnen ab. Hoffentlich trank niemand daraus.
Die Fußball-Weltmeisterschaft 2002 fand in Südkorea und Japan statt. Brasilien gewann das Finale gegen Deutschland mit 2:0 und wurde zum fünften Mal Weltmeister. Nach dem Halbfinale war die Stimmung der deutschen Fans noch ausgelassen. Die wilden Wasserspiele täuschen nur kurzfristig darüber hinweg, dass sich einige einen dicken Sonnenbrand holten.
Am Mittelmeer machen viele Spanier Urlaub. Ich fotografierte mit dem Teleobjektiv das Standleben. Die Jugendlichen auf dem Bild posierten für die Kamera, sie nahmen ihr Real Madrid-Badetuch mit an den Strand. Das ergibt vielleicht einen komplett falschen Eindruck von den jungen Menschen. Vielleicht war das Badetuch nur das einzige, das in Griffweite war und die Jungs sind in Wirklichkeit aus, äh, Holland. Weiß der Himmel. Das waren Zeiten, damals, als Fotografen noch ohne „Model Release“ unterwegs waren – heute ist es Standard, sich das Einverständnis der Fotografierten mit einem solchen Vertrag schriftlich geben zu lassen.
Am Rande des Viertels Vila-roja im katalanischen Girona, in dem ein Großteil der Bevölkerung Sinti und Roma sind, läuft diese junge Mutter nach dem Spiel ihres Sohnes neben ihm her und lauscht seinen Erfahrungen vom Spielfeld. Während der Ball rollte, hatte sie in Ruhe Zeitung gelesen, das tat ihr gut. Jeder spanische Profifußballer fing irgendwann klein an. Ob der Junge auf dem Bild ein Profi wird, wusste zu diesem Zeitpunkt noch keiner von beiden.
Ich durfte als Fotograf das Leben in einer andalusischen Kleinstadt erleben. Das Magazin GEO hatte mich im Jahr 2006 damit betraut, mir den Ort Baños de la Encina inmitten von Olivenfeldern anzusehen. Es traf sich gut, dass Kinder auf der Straße Fußball spielten. Dieses Bild dient mir heute noch zur Erläuterung des Konzeptes „Blickrichtung in der Fotografie“: Alle schauen auf den Ball. Richtig so!
Dieses Bild machte ich im Büro von Joan Laporta, dem Präsidenten des FC Barcelona, im Jahr 2007 während eines Interviews für „Der Spiegel“. Ich mag das Bild. Joan Laporta stellte sich extra für mich so hin, dass sich für einen kurzen Moment diese Geste im Stile Napoleons ergab. Damals war er noch ein junger Mann und Barça steckte noch nicht in Finanznöten. Zur neuen Saison hat er Hansi Flick als Trainer engagiert, um zumindest sportlich wieder anschlussfähig zu werden.
Mit Stolz blicken die Menschen im kleinen Ort Santpedor auf die Bilder, die erhalten sind aus der Zeit, als Pep Guardiola dort seine Fußballstiefel schnürte. Jetzt ist der Mann dem Örtchen entwachsen. Das sagte auch sein Papa zu mir, den ich für „Stern“ aufsuchen durfte. Kurz nach der Verpflichtung von Pep Guardiola als Bayern-Trainer im Jahr 2013.
Public Viewing in Barcelona bei der Fußball WM 2010. Spanien gewann das Finale gegen Holland. Womit auch immer diese Fans den Sieg begossen: Der Weg aufs Klo war kurz.