Hochwasser in Süddeutschland: Nur effektiver Klimaschutz kann langfristig wirklich helfen
Starkregenereignisse treten durch den Klimawandel häufiger auf. Damit steigt auch das Risiko für Überflutungen wie in Süddeutschland. Während die Bürger:innen ihr Verhalten allmählich anpassen, versagt die Ampel beim Klimaschutz. Woran wir die Politik erinnern müssen. Ein Kommentar.
Im Keller läuft das Grundwasser hinein, draußen sollen Sandsäcke die Flut aufhalten, Rettungskräfte kämpfen bis zur Erschöpfung. Menschen sterben - in ihren Häusern, in Fahrzeugen, im Rettungseinsatz. Aktuell ist das die Realität in Bayern und Baden-Württemberg.
Das, was jetzt Zehntausende Menschen in der Bundesrepublik in den letzten Tagen an ihren Wohnorten erleben, ist nur ein kleiner Ausblick in die Zukunft. Unser Leben in der Klimakrise.
Und während Süddeutschland mit dem Hochwasser kämpft, kämpfen FDP, CDU und CSU weiterhin für den Verbrennermotor, einen Klimakiller.
Diese Gleichzeitigkeit: kaum auszuhalten. Wir halten fest an alten Technologien, die unsere Lebensgrundlagen in Deutschland, in Europa, in der Welt zerstören. Gerade erst bescheinigte der Expertenrat für Klimafragen unserer Bundesregierung, dass das, was wir tun, nicht genug ist. Ohne rasches Umsteuern würde Deutschland seine Klimaziele für 2030 verfehlen.
Klimaschutz der Bundesregierung: Setzen, 6!
Besonders auffallend schlecht ist die Performance des Verkehrssektors. Wiederholt weigert sich Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), Klimaziele einzuhalten, dabei liegen die Lösungsvorschläge längst auf dem Tisch.
In Europa verdoppeln sich mit jedem Grad Erwärmung die Regenmengen, die an jenen besonders extremen Regentagen fallen, welche statistisch nur einmal in zehn Jahren auftreten. Die menschengemachte Erderwärmung führt zu mehr Starkniederschlägen in vielen Teilen der Welt. Und: diese nehmen im Durchschnitt um etwa 7 Prozent pro Grad Celsius Erwärmung an Intensität zu. Deshalb müssen wir um jedes Zehntel Grad weniger Erderwärmung kämpfen.
Starkregen, der zu Hochwasser führt, werden wir häufiger als die Generationen vor uns erleben. Die „Jahrhunderthochwasser“ werden also häufiger, die Bezeichnung ist ohnehin längst aus der Zeit gefallen.
Die Lobby gibt das Tempo an
Aus der Zeit gefallen ist auch die Politik mit ihren fossilen Seilschaften. Unterstützt von FDP und Union will nur BMW nach 2035 noch Verbrenner verkaufen. Ob die Geldflüsse der BMW-Eigentümer-Familien Quandt/Klatten damit zusammenhängen? 3,7 Mio. Euro sollen an die CDU und 1,3 Mio. Euro an die FDP geflossen sein. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Bundesregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen. Derzeit sind es nicht ganz 1,5 Millionen. Das hat nicht nur mit dem abrupten Auslaufen für die E-Auto-Förderung im Dezember 2023 zu tun, sondern auch mit erheblichen Akzeptanzproblemen.
Die Kampagne der Verbrenner-Lobby, die auf Falschbehauptungen wie „überlasteten Stromnetzen“ und „brennenden Fahrzeugen“ beruht, hat in Deutschland verfangen: Der Anteil von E-Autos an sämtlichen Neuzulassungen lag im April dieses Jahres nur bei 12,2 Prozent. Hingegen lagen neuzugelassene Benziner bei 37,3 Prozent, Dieselfahrzeuge bei 19,1 Prozent. Die Kategorie „Greenwashing-Augenwischerei auf vier Rädern“- gemeint sind Hybridfahrzeuge - kam auf satte 24,7 Prozent. Kein Wunder also, dass der ADAC schreibt: „Der durchschnittliche CO₂-Ausstoß bei den Neuzulassungen im April stieg wie schon im Vormonat an.“ Er betrug 124,8 Gramm pro Kilometer. Das ist viel zu viel.
„Die“ Lobby - das sind, möchte man erinnern, immer Menschen: Geschäftsführer von Verbänden, Marketingfachleute, das sind aber auch Abgeordnete mit Lobbytätigkeiten im Nebenerwerb und einem großen Mitarbeiter-Apparat dahinter. Sie alle treffen tagtäglich Entscheidungen, die Einfluss auf unser Leben, unsere Gesundheit haben.
Lobby-Kampagnen haben Hochkonjunktur in Deutschland, sie reißen auch mit mehr Hitzetagen und Flutereignissen nicht ab: 2023 etwa wurden die Heizungspläne von Klimaminister Robert Habeck fast so diskutiert, als ginge es um den Weltuntergang. Dabei ging es in Wahrheit um Milliardenumsätze, die die fossile Gas-Lobby behalten möchte – mithilfe von Springer-Medien und FDP.
Wenn die Flut kommt …
Nur: Der Verbrenner vor der Haustür, die Ölheizung im Keller nützen wenig, wenn die Flut kommt.
Eines ist gewiss: Mit weiter steigenden Temperaturen aufgrund der klimaschädlichen Emissionen kommt das nächste Hochwasser, der nächste Starkregen. Mitunter treffen die Regenmassen dann auf Böden, die noch von der letzten Dürre ausgezehrt sind – und die deshalb das viele Wasser kaum aufnehmen können. Es bleibt einfach stehen.
Auf überschwemmten Feldern können Landwirte keine Nutzpflanzen retten – das Gemüse für unseren Teller, der Mais für die Kühe säuft ab. Junge Pflänzchen erhalten zu wenige Nährstoffe, wenn sie zu lange im Wasser stehen; ein Nachsetzen von Pflanzen ist – abhängig vom Ausmaß der Schäden und der Vegetationsperiode - kaum möglich. Das hat Auswirkungen. Nicht nur, weil es zukünftig mehr als jetzt darum gehen wird, wie teuer unsere Lebensmittel sein werden.
Politik hängt dem Willen von Verbraucherinnen und Bürgern hinterher
Aus europäischer Sicht stellt sich auch die Frage, ob die Landwirtschaft in der EU vorangehen und durch Anpassung und Transformation einen klimafreundlichen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit leisten kann. Für diejenigen, die die Klimakrise noch härter treffen wird oder bereits trifft. So wie der Green Deal verwässert wurde, sieht es derzeit jedenfalls nicht danach aus.
Bei den Verbraucher:innen findet zumindest beim Einkauf von Lebensmitteln bereits ein Umdenken statt: weniger Fleisch und Milchprodukte, dafür mehr Obst und Gemüse. Das jedenfalls legt die aktuelle Studie „Voice of the Consumer 2024“ nahe, für die die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zwei Mal jährlich rund 20.000 Menschen in 31 Ländern befragt, darunter mehr als 1.000 Konsument:innen aus Deutschland.
Was die Umfrage auch zeigt: Der Klimawandel bereitet 80 Prozent der befragten Menschen in Deutschland Sorgen. Eine Klimapolitik, die vor sich immer weiter zuspitzenden Dürren, Starkregen und Überflutungen schützt, ist keine Zumutung, sondern unsere Lebensversicherung.