Schutz von Tieren in der Stadt: Pop-up-Kunst für Insekten und ein Mähroboter-Verbot

Artenschutz ist nicht nur etwas für Naturschutzgebiete. Er kann und muss schon in der Stadt beginnen, denn auch dort leben immer mehr Wildtiere. Teilnehmerïnnen eines Workshops haben neue Ideen entwickelt.

6 Minuten
Eine Stockente wandert mit ihren Jungen auf einer Straße. Die Tiere leben zunehmend in Städten, weil natürliche Rückzugsräume schwinden.

Igel-Schutzzonen, Pop-up-Kunstwerke für Insekten, Laichgewässer in Neubaugebieten und Wettbewerbe für mehr Vogelschutz – mit solchen Ideen könnten die Städte bessere Orte für Tiere werden.

Bisher sind Städte auf Menschen zugeschnitten. Tiere – so denken wir – leben im Wald, auf den Feldern, im Wasser und in den Bergen. Doch das ist falsch. Der ländliche Raum schwindet seit Jahrzehnten. Er wird beackert und bebaut, vor allem aber verarmt er infolge der intensiven Landwirtschaft. Dadurch verlieren Tiere ihre Heimat. Nun sind es vor allem die Städte, die zu ihren Rückzugsräumen werden.

Igel beispielsweise sind längst Städter geworden, ihre Populationsdichte ist in urbanen Gebieten inzwischen größer als auf dem Land. In einigen Metropolen leben bis zu zehn Füchse auf einem Quadratkilometer Fläche, Bestäuberinsekten wie Bienen und Schmetterlinge finden in Gärten und Parks ein vielfältigeres Nahrungsangebot als auf landwirtschaftlich genutzten Arealen, Enten brüten auf Balkonen, Terrassen und in Innenhöfen.

Konkurrierende Bedürfnisse

Doch der Lebensraum Stadt ist begrenzt, die Bedürfnisse von Menschen und Tieren stehen in Konkurrenz. Die immer dichter werdende Bebauung, wegfallende Brachen und mehr versiegelte Flächen, Dauerlicht in der Nacht und vor allem der Straßenverkehr gefährden das Überleben der Tiere.

Wie kann es gelingen, dass Tiere und Menschen besser in der Stadt zusammenleben? Das haben wir die Teilnehmerïnnen eines Workshops gefragt. Hier sind ihre Lösungsideen – und ein paar sehr persönliche Versprechen, wie sie künftig selbst aktiv werden wollen.

Schmetterlinge und Wildbienen

Das Problem:

Weil es immer weniger Brachen und Totholz gibt, verlieren Wildbienen ihren Lebensraum. In Schottergärten finden sie weder Unterschlupf noch Nahrung. Die Tiere haben einen Bewegungsradius von wenigen Hundert Metern um ihr Nest herum. In diesem engen Umkreis müssen sie geeignete Futterpflanzen finden, sie können nicht zu anderen Nahrungsquellen wechseln. Schmetterlingsraupen sind auf Unkraut wie Brennnesseln als Futter angewiesen. Nachtaktive Falter werden durch Dauerlicht in der Nacht gestört und sterben an Erschöpfung.

Die große Lösung:

Die Städte stellen Pop-up-Kunstwerke auf, die zugleich dem Artenschutz dienen. Nisthilfen und Kunstwerke aus Totholz oder Lehm ziehen sich wie ein Band durch die Stadt. Die Menschen könnten die Vielfalt des Lebens bewundern, die Insekten hätten Inseln mit Futter und Nistmöglichkeiten.

Weitere Ideen:

  • Schenken wird neu gedacht: Zum Geburtstag gibt es ein kleines Insektenhotel. Zur Hochzeit werden statt Luftballons, die oft als Plastikmüll in der Natur landen, Schmetterlinge fliegen gelassen. Eine Anleitung zur Schmetterlingszucht steht zum Beispiel hier.
  • Artenschutz sollte viel stärker als bisher in der Schule vermittelt werden – über Schulgärten und andere Projekte.
Die Workshop-Teilnehmerïnnen sitzen sich gegenüber. Ihr Platz hängt davon ab, ob sie die gestellte Frage mit Ja oder Nein beantwortet haben. Die Moderatorinnen fragen nach den Argumenten.
Bei der Unterhausdebatte diskutieren die Teilnehmerïnnen, welche Rechte Tiere in der Stadt haben.
Die Moderatorin hält einem Workshop-Teilnehmer das Mikrofon hin. Er begründet seine Sitzplatzwahl und führt die Argumente aus.
Müssen Tiere bei der Verkehrsplanung gleichberechtigt sein? Die Teilnehmerïnnen tauschen ihre Argumente aus.

Erdkröten

Das Problem:

Kröten wandern im Frühjahr zu den Laichgewässern, in denen sie selbst zur Welt kamen. Werden diese Gewässer trockengelegt, sind sie verschmutzt oder überfüllt, suchen sich die Tiere neue. Bei den Wanderungen legen sie bis zu fünf Kilometer zurück, am Tag schaffen sie ungefähr 600 Meter. Kröten sind langsam und dadurch im Straßenverkehr besonders gefährdet. Eine Erdkröte braucht für die Querung einer Straße etwa 15 Minuten. Weitere Gefahren sind Kellerschächte, in die sie hineinfallen und verhungern, sowie Katzen und Hunde.

Die große Lösung:

Die Baustandards für Neubaugebiete werden angepasst: In Bebauungsplänen wird festgelegt, dass Baugesellschaften im direkten Umfeld Laichgewässer und Überwinterungsquartiere anlegen müssen. So sind Kröten nicht mehr gezwungen, weite Wege zurückzulegen. Weniger Tiere würden auf den Straßen verenden. Wer es versäumt, solche Schutzzonen einzurichten, muss eine Strafsteuer zahlen – und zwar nicht nur einmal, sondern dauerhaft. Gleichzeitig gibt es attraktive Förderungen für die Errichtung, sowohl im Neubau als auch im Bestand. Eigentümerïnnen werden zum Beispiel belohnt, wenn sie im Garten Laichgewässer anlegen.

Weitere Ideen:

  • Kröten haben ein Image-Problem. Sie gehören eher nicht zu den Tieren, die man niedlich findet. Deshalb ist es wichtig, ihre guten Seiten hervorzuheben. Zum Beispiel: Kröten fressen Schnecken und sind ein Mückenschreck. Diese Imageverbesserung könnte dazu führen, dass sich mehr Privatleute für den Schutz der Kröten einsetzen.
  • Für Kröten sind Straßen oft tödlich. Auf typischen Krötenwegen sollte es mehr Überquerungshilfen wie Tunnel oder Brücken geben, die krötenfreundlich gestaltet sind, damit die Tiere diese Wege bevorzugt nutzen. Zäune oder Mauern sollen die Kröten daran hindern, direkt auf verkehrsbelastete Straßen zu gelangen.
  • Hunde- und Katzenhalterïnnen müssen eine Extra-Abgabe zahlen, weil ihre Tiere zu den größten Jägern zählen. Das Geld fließt direkt in den Artenschutz.

Das persönliche Versprechen:

„Ich werde bei der nächsten Krötenwanderung dem NABU helfen, Kröten in Eimern über die Straße zu tragen. Da werden immer helfende Hände gebraucht.“

Spatzen und Enten

Das Problem:

In aufgeräumten Gärten ohne Nistmöglichkeiten oder Futterquellen können Spatzen nicht überleben. Gedämmte Fassaden bieten keine Brutplätze. Weil die Zahl der Insekten dramatisch abnimmt, fehlt eine wichtige Futterquelle. Freilaufende Katzen töten in Deutschland jedes Jahr rund 140 Millionen Vögel. Enten bauen ihre Nester nicht nur in Gewässernähe, sondern auch auf Balkonen, Terrassen und in Innenhöfen. Auf ihrem Weg zu einem geeigneten Gewässer müssen sie mit ihrem Nachwuchs Straßen und Bürgersteige queren.

Die große Lösung:

Das schönste Dorf, der schönste Garten – solche Wettbewerbe spornen Menschen zu Höchstleistungen an. Künftig werden auch der insektenfreundlichste Garten und Balkon oder vogelfreundliche Häuser prämiert. Naturschutzverbände wie der NABU vergeben bereits Auszeichnungen wie das „schwalbenfreundliche Haus“. Solche Wettbewerbe und Auszeichnungen soll es viel öfters geben. Man kann teilnehmen, auf sie aufmerksam machen oder sie selbst initiieren – gemeinsam mit einem Naturschutzverband, der Stadt, über Facebook, im Verein, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis.

Weitere Ideen:

  • Mehr Nistplätze im Garten schaffen.

Das persönliche Versprechen:

„Ich stelle eine noch größere Vogeltränke auf meinem Balkon auf.“

Igel

Das Problem:

Igel finden in sterilen Gärten und auf versiegelten Flächen weder Unterschlupf noch Futter. Sie brauchen Hecken, Gehölze und andere Verstecke. Weil Igel bei Gefahr nicht fliehen, sondern sich zusammenrollen, werden sie immer wieder Opfer von Mährobotern und Freischneidern. Männliche Igel legen in der Paarungszeit zwischen Mai und August drei bis fünf Kilometer pro Nacht zurück, um ein Weibchen zu finden. Bei ihren nächtlichen Wanderungen ist die Gefahr groß, überfahren zu werden. Pro Jahr sterben eine halbe Million Igel im Straßenverkehr.

Die große Lösung:

Die Städte planen Igelschutzzonen. Hauptverkehrsstraßen in der Stadt werden mit Zäunen oder anderen Maßnahmen gesichert, extra geschaffene Tunnel und Brücken erleichtern den Tieren das Queren. In den Quartieren dazwischen entstehen Schutzzonen: Dort gibt es verwilderte Ecken mit Totholz, Gestrüpp und Laub, Teiche werden mit flachen Ausstiegszonen versehen. Für die Menschen gelten klare Vorgaben: Ein Tempolimit auf den Straßen, um rechtzeitig für einen querenden Igel bremsen zu können. Außerdem wird der Einsatz von Mährobotern und Freischneidern verboten.

Weitere Ideen:

  • Das Leben der Tiere in der Stadt soll besser erforscht werden. Menschen müssen viel mehr über Tiere in ihrem direkten Umfeld wissen.

Das persönliche Versprechen:

„Ich verbiete meinem Vater den Mähroboter, dafür werde ich ab sofort seinen Rasen mähen.“

Alle Ideen und Versprechen stammen von den Teilnehmerïnnen des Workshops „City Moves – Wie sich Tiere und Menschen in der Stadt bewegen“. Der von RiffReporter entwickelte Workshop wurde im Rahmen des Silbersalz Festival 2022 in Halle (Saale) umgesetzt und ist eine Kooperation mit dem Crossmedia-Projekt Myriad. Where we connect. Wir danken allen Beteiligten für das große Engagement.

VGWort Pixel