Penis-Felsen im Rentnerparadies Benidorm ist seltenes Zeugnis einer vorchristlichen Epoche.
Ausgrabungen in einer antiken römischen Festung an Spaniens Ostküste förderten einen 2.000 Jahre alten Felsen mit einem menschlichen Gesicht und einem Phallus zutage, deren Bedeutung ein Rätsel bleibt.
Es ist Anfang des Jahres 2020. Die Covid-19-Pandemie beginnt gerade. Da legen heftige Regenfälle in der Provinz Alicante an der spanischen Ostküste rätselhafte Felszeichnungen frei. Der Touristenort Benidorm dürfte in diesem Moment um eine Attraktion reicher geworden sein. Archäolog*innen entdecken bei Ausgrabungen an der Festung Tossal de la Cala einen etwa 2.000 Jahre alten Felsen, auf dem ein menschliches Antlitz eingraviert ist, sowie ein Füllhorn und ein Phallus. Über die Bedeutung der Darstellungen wird gerätselt. In der Kultur der Römer waren phallische Muster an Skulpturen und auf Gemälden keine Seltenheit. Für die Römer bedeuteten sie eine Verkörperung männlicher Macht. Das Füllhorn könnte hingegen eine Anspielung auf die Glücksgöttin Fortuna sein. Sie wurde häufig zusammen mit einer derart gehörnten Gravur symbolisiert.
Da die Ausgrabungen vor Ort noch laufen, hat bislang noch niemand definitive Feststellungen über die Bedeutung der Felsen getroffen. Jesús Moratalla, archäologischer Leiter, beschrieb den Fund in einem Bericht als „Relief von außergewöhnlicher historischer Bedeutung“, da er in seiner Zusammensetzung einzigartig sei. Die Festung Tossal de la Cala liegt auf einem Hügel und ist Teil einer Reihe antiker römischer Bauwerke. Diese wurden erst in den 1940er Jahren etwa fünf Kilometer von Benidorm entfernt entdeckt.
Der Fund wirft ein Schlaglicht auf eine Epoche römischer Geschichte, die weitgehend unerforscht ist: die Sertorianischen Kriege, die in den Jahren 80 bis 72 vor Christus stattfanden. Damals bekämpften sich in einem Bürgerkrieg römische Rebellen unter Quintus Sertorius und die Regierung in Rom unter dem Diktator Sulla.
In der Kultur der Römer waren phallische Darstellungen keine Seltenheit.
Es gab mehrere Schlachten in Nordafrika und Spanien, der damaligen Provinz Hispania. Eines der Schlachtfelder lag in Lauron. Dieser Ort gilt als in der Geschichte Spaniens verloren gegangen. Die Zeitung El Pais schreibt über Lauron, man müsse nicht bis ans Ende der Welt fahren, um sich auf die Suche nach verlorenen Orten zu begeben. Manchmal reiche ein Ausflug ins Hinterland zu einem bewaldeten Hügel.
Archäologen vermuten den verschwundenen Ort bei den Resten der Ibererstadt Samalús, die sich in der Provinz Barcelona in der bergigen Region des Montseny befinden. Er könnte helfen, die Zeit der Sertorianischen Kriege besser zu verstehen. So wie ein weiterer spektakulärer Fund aus dieser kriegerischen Epoche, den Forschende im Jahr 2022 am Stausee Yesa in Aragón auf dem Jakobsweg machten.
Dort entdeckten Archäolog*innen der Universität Saragossa eine vollständige römische Stadt, die bis ins Mittelalter datiert werden konnte. Man benannte den Ort El Forau de la Tuta. In der Region hatte man sich Sorgen gemacht um den Verfall und die Vernachlässigung bestehender Ruinen, als nach Arbeiten mit Georadar und Luftbildern atemberaubende Entdeckungen gemacht wurden, darunter Steinskulpturen, korinthische Kapitelle und ein Wasserversorgungssystem.
Bei der Untersuchung des Komplexes aus der Römerzeit wurde festgestellt, dass umliegende Orte im Baskenland heute ähnliche Systeme zur Wasserversorgung besitzen. Namentlich erwähnt werden Orte wie Andelo oder Los Bañales. Die Archäolog*innen hoffen nun, durch die umfassende Erforschung dieser alten römischen Orte Fortschritte beim Verständnis der Vergangenheit Spaniens im Hochmittelalter zu machen.
Die Phallusdarstellungen nahe des Rentnerparadieses Benidorm sollen jedenfalls dem Publikum zugänglich gemacht werden. Soweit bekannt ist, entstanden sie, als der Rebell Sertorius den Ort besetzt hielt. Von dem nahe der Küste gelegenen Hügel aus konnte man feindliche Heere schon von weitem herannahen sehen. Heute hat man von den Überresten der vorchristlichen Festung vor allem einen herrlichen Blick auf die modernen Hotelburgen der Touristenmetropole.