„Der Schwarm“: Wie wir Menschen nicht nur der Natur, sondern uns selbst schaden
Die Serie nach dem Roman von Frank Schätzing behandelt ein reales Problem: einen Planeten, den wir aus dem Gleichgewicht gebracht haben.
„Ein Fischer verschwindet vor Peru, spurlos. Ölbohrexperten stoßen in der norwegischen See auf merkwürdige Organismen, die hunderte Quadratkilometer Meeresboden in Besitz genommen haben. Währenddessen geht mit den Walen entlang der Küste British Columbias eine unheimliche Veränderung vor.“ So beginnt der Klappentext von Frank Schätzings Bestseller „Der Schwarm“, ein fiktiver Ökothriller, der am Montagabend als Serie im ZDF ausgestrahlt wird. Das Meer und seine Bewohner scheinen sich gegen die Menschheit zu wenden. Die Geschichte ist mehr als reine Fiktion: Der Umgang des Menschen mit der Natur erweist sich zusehends als Bedrohung für uns selbst.
„Beim ‚Schwarm‘ sind die Phänomene, die zusammengenommen die weltweite Bedrohung ergeben, alle auf reale Beobachtungen basiert“, bestätigt Antje Boetius, Meeresbiologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven. Sie stand dem Filmteam als wissenschaftliche Beraterin zur Seite und weiß, dass schon heute viele, für den Menschen unangenehmen Veränderungen im Meer auf den Menschen selbst zurückgehen.
Das Meeresleben ist aus dem Gleichgewicht
So leiden fast alle Meeresregionen regelmäßig unter einer Quallenpest. Der Klimawandel erwärmt die Meere und die Überdüngung in der Landwirtschaft reichert diese zusätzlich mit Nährstoffen an. Nicht zuletzt fehlen infolge der Überfischung die natürlichen Fressfeinde der Quallen – und so gedeihen die Tiere prächtig und enden massenhaft an Stränden. Auf die gleiche Weise breiten sich Giftalgen und krankheitserregende Bakterien im Meer aus, berichtet Boetius. Und dort, wo Hitzewellen und Sauerstoffmangel Krebse aus den Küstengewässern vertreiben, sieht man große Quallen-Schwärme – wie in den vergangenen Sommern entlang der Pazifikküste.
Auch ein Tsunami, wie er in der Geschichte auftritt, lässt sich durch menschliche Aktivität erklären: Führt die Klimaerwärmung dazu, dass Gashydrate am Kontinentalhang verstärkt abgebaut werden, können riesige Landmassen abrutschen und mächtige Tsunamis erzeugen. Tropische Wirbelstürme, wie sie beispielsweise im Golf von Mexiko entstehen, benötigen eine Wassertemperatur von mindestens 26 bis 27 Grad, um sich zu bilden. Infolge der Klimaerwärmung erreicht die Meeresoberfläche diese Temperatur deutlich häufiger als noch vor wenigen Jahrzehnten, was sehr wahrscheinlich Zahl und Intensität der Hurrikane vergrößert hat. Nicht zuletzt führt der Klimawandel zu steigenden Meeresspiegeln. Bis 2050 werden 300 Millionen Menschen regelmäßig von Überschwemmungen betroffen sein. Bis 2100 könnte die heutige Heimat von 200 Millionen Menschen im Meer versunken sein. Für Deutschland gehen Klimaforscher davon aus, dass Bremen und Hamburg als erste Städte besonders vom steigenden Meeresspiegel betroffen sein werden.
Gesundheitsschäden durch Klimawandel und Umweltverschmutzung
Doch das Meer ist nicht der einzige Ort, an dem wir Menschen die Folgen des naturfeindlichen Handelns zu spüren bekommen. Zoonosen, also von Tieren auf Menschen übertragene Krankheiten wie Covid-19 und die Vogelgrippe, nehmen zu, je enger der Kontakt zwischen Mensch und Tier wird. Großes Gefahrenpotenzial besitzen die Massentierhaltung, der Tierhandel und Siedlungsgebiete, die in Wildnisregionen hineinwachsen. Das wärmere Klima führt dazu, dass die Tigermücke, die das Zika-Virus und das Dengue-Virus verbreitet, auch bei uns überleben kann. Es lässt das West-Nil-Fieber heimisch werden und verlängert die Zeit, in der Zecken aktiv sind und so Borreliose und Hirnhautentzündungen verbreiten – was sogar tödlich enden kann.
Die infolge des Klimawandels häufigeren und stärkeren Wetterextreme kosten auch Ernteerträge. Die Ernten werden laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung bereits in den kommenden zwei Jahrzehnten deutlich zurückgehen, wenn nicht durch angepasste neue Sorten gegengesteuert werden kann.
Die Wetterextreme führen auch heute schon in Deutschland zu zahlreichen Todesfällen. An Hitze sterben bei uns jährlich einige Tausend Menschen. Auch bei Flutkatastrophen wie im Ahrtal starben über 180 Menschen, zudem entstanden enorme Sachschäden. Weniger dramatisch, aber auch unangenehm: Die Hitze mehrt Gewitter und damit das sogenannte Gewitter-Asthma und verlängert die Pollensaison für Allergiker durch invasive Arten wie Abrosia.
Gravierende Folgen, wenn Verschmutzung nichts kostet
Die Liste lässt sich fortsetzen: Nitrate aus der Landwirtschaft belasten an jeder sechsten Messstelle in Deutschland das Trinkwasser über den europäischen Grenzwert hinaus. Für Skigebiete gerodete Wälder können keine Lawinen mehr stoppen und erodieren schneller. Chemikalien und Mikroplastik gelangen über die Nahrungskette in unsere Lebensmittel, teils mit bekannten, teils mit unbekannten Gesundheitsfolgen. Pestizide und Kiesgärten verringern die Insektenzahl und damit deren Bestäubungsleistung im Obst- und Gemüseanbau. Einer Studie der TU München zufolge ging die Insektenbiomasse auf Grünflächen allein zwischen 2008 und 2017 um zwei Drittel zurück. Von den 561 Wildbienenarten sinkt bei mehr als der Hälfte die Populationsgröße. Nicht nachhaltige Fischerei gefährdet die zukünftigen Erträge – mehr als ein Drittel aller Fischbestände weltweit gelten als überfischt, weitere 57 Prozent als maximal genutzt.
Hinter den meisten der genannten Probleme stecken „Prozesse, die völlig aus dem Gleichgewicht gelaufen sind“, wie Boetius kritisiert. Weil lange Zeit für die Verschmutzung der Atmosphäre mit CO2 keinerlei Kosten anfielen, entstand eine Abhängigkeit vom schädlichen Verhalten und eine indirekte Subvention dessen. „Wir zahlen ja auch Müllgebühren, damit die Straßen sauber sind“, veranschaulicht die Meeresbiologin. Für sie ist das Verhalten der Menschen „ein riesiges geophysikalisches Experiment mit der Erde mit ungewissem Ausgang“. Ihr Fazit: Es brauche sozioökonomische Leitplanken, technische Lösungen für den Umstieg auf regenerative Energien und den Schutz der globalen Gemeingüter wie Atmosphäre, Wälder, Ozeane und Böden, „damit kommende Generationen überhaupt noch Freiheitsgrade haben“.