Wer baut das Monddorf?

Donald Trump, Elon Musk, Jan Wörner, Xi Jinping: Viele träumen gerade ihren Traum vom Mond. Wieso eigentlich?

vom Recherche-Kollektiv Die Weltraumreporter:
13 Minuten
Neil Armstrongs Schattenwurf auf dem Mond

Das Apollo-Programm war eine technische Meisterleistung – und jetzt geht es offenbar wieder los. Die einen entwickeln gigantische Raketen, andere vermuten im vermeintlich knochentrockenen Regolith-Staub wertvolle Rohstoffe. Wieder andere hoffen, mit dem Mond zumindest die Wählergunst aufzufrischen. Am 11. Dezember 2017 etwa versammelte Donald Trump Vertraute, Journalisten und lang gediente Astronauten im Weißen Haus. Die Amerikaner wollen dieses Mal nicht nur ihre Flagge und einige Fußspuren hinterlassen, sagt der US-Präsident. Sie wollen eine Basis gründen. Als Ausgangspunkt für Missionen zum Mars und darüber hinaus. „Ich vermute, wir werden noch andere Orte finden, um zu landen“, sagt Trump inmitten der versammelten Raumfahrtveteranen. „Was glauben Sie Jack? Wo ist Jack?“ Fast hilflos wendet sich Donald Trump an Jack Schmitt, den 82-jährigen Astronauten und im Jahr 1972 letzten Menschen auf dem Mond. „Es gibt da einige Orte, richtig?“ Donald Trump wirkt planlos. Zwar gibt es mittlerweile ein Budget für das Mondprogramm und erst Flüge sind schon für 2024 anvisiert. Doch die dafür nötige Schwerlastrakete ist längst noch nicht fertig; das im Mai 2019 um 1,6 Milliarden Dollar erhöhte Budget deckt wohl nur einen Bruchteil der nötigen Mittel für dieses Abenteuer.

Dass die Zeit drängt, weiß man auch in Europa „Wir haben nun mal die konkrete Situation, dass die internationale Raumstation in vielleicht zehn Jahren zu ihrem Ende kommt“, sagt Jan Wörner. 2015 wurde er zum Chef von Europas Raumfahrtagentur ESA gewählt. Damals hat man ihn nach seinen Visionen gefragt. Wie soll die Präsenz des Menschen im All danach aussehen? Und Wörner skizzierte seine Idee: Alle Nationen und Gruppen mit Ambitionen könnten ihre eigenen Ziele verfolgen – in einem Punkt aber sollten sie gemeinsame Sache machen: in einer Art Monddorf.

Bild: ESA

Tatsächlich scheint sich auch die ESA wieder auf den Mond zu besinnen, nachdem sie ihn lange vernachlässigt hat. Mit SMART-1 flog bisher nur eine wenig ambitionierte europäische Raumsonde zum Mond. Das ist fast 16 Jahre her. Aber mittlerweile arbeitet die ESA gemeinsam mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos an neuen Landern – und sie sind damit längst nicht die einzigen.

Chinas Aufbruch

Im Jahr 2007, vor gerade einmal zwölf Jahren, startete China seine erste Raumsonde zum Mond. Mit Chang’e 1 begann das bisher wohl ehrgeizigste Mondprogramm des 21. Jahrhunderts. „Das chinesische Explorationsprogramm sah drei Schritte vor“, sagt der Journalist Andrew Jones. „Zuerst einen Orbit um den Mond erreichen, dann eine weiche Landung mit einem Rover durchführen und am Ende landen, um Proben zu sammeln und zur Erde zurückzubringen.“ Der nächste Schritt gelang am 3. Januar 2019 mit der ersten Sonde auf der Mondrückseite überhaupt.

Jones verfolgt das chinesische Raumfahrtprogramm schon lange. Die Hälfte der selbst gesetzten Ziele hat China bereits umgesetzt. Im Dezember 2013 landete mit dem 140 Kilogramm schweren ‘Jadehasen‘ der erste eigene Rover auf dem Mond. Die nächsten Sonden starteten 2018, weitere sind geplant. Der Weg ist für den Mondexperten der ESA, Bernard Foing, vorgezeichnet: „Die Chinesen entwickeln ihr starkes bemanntes Programm weiter“, sagt er. „Mit der Raumstation namens Tiangong festigen sie ihre Präsenz im Erdorbit. Man kann eine natürliche Entwicklung hin zu einer kleinen Infrastruktur auf dem Mond mit Menschen sehen. Nach einigen unbemannten Landungen könnten sie in der Lage sein, Menschen mit Fracht auf dem Mond zu landen.“

Ein Startup aus Berlin

Und nicht nur staatliche Raumfahrtagenturen zeigen derzeit Interesse am Mond. In der Allee der Kosmonauten in Berlin-Marzahn, in einem schmucklosen zweigeschossigen Flachbau, residiert ein solches Raumfahrt-Startup. „Wir nennen uns ja PTScientists, weil das mit den Part Time Scientists stimmt ja nicht mehr“, sagt Karsten Becker. Er war von Anfang an bei den Part Time Scientists dabei. Vor neun Jahren gegründet von ein paar Berliner Elektronikbastlern und Hackern aus dem Umfeld des Chaos Computer Clubs.

Die Gruppe nahm als eines von anfänglich 32 Teams am Google Lunar X-Prize teil, einem im Jahr 2007 ausgelobten Preis. Der Preis war als Türöffner für die kommerzielle Mondfahrt gedacht. Im Januar 2018 zog Investor Alphabet das Preisgeld zurück, ohne dass es eines der Teams zum Mond geschafft hätte. Aber mehrere Gruppen tüfteln weiter, darunter die israelische SpaceIL, deren Versuch einer robotischen Mondlandung am 11. April 2019 scheiterte.

Das in den Gängen der PTScientists herumfahrende Gefährt ist nur ein kruder Prototyp – das Team ist schon viel weiter. „Er ist eine Softwareentwicklungsplattform“, sagt Karsten Becker. „Da kann man zum Beispiel Algorithmen testen: Wie richtet man die Räder richtig aus oder welche Parameter sind für die Übertragung optimal?“

Aus den Kapuzenpullover tragenden Nerds der Anfangsjahre wurden selbstbewusste Geschäftsleute, auf deren weißen Hemden das Logo eines großen deutschen Autobauers aufgestickt ist. Aus den ersten schuhkartongroßen Rovern, die eher an Kinderspielzeuge erinnerten, wurden zwei rund 30 Kilogramm schwere und robuste Fahrzeuge. Denn die PTScientists wollen gleich zwei Rover starten, wegen einer besseren Masseverteilung bei der Landung und für den Fall, dass einer der Rover versagt. „In unserer ersten Mission geht es vor allem darum zu zeigen, dass wir ein Raumschiff entwickeln können, das auf dem Mond landen kann, und dass wir dann die Rover absetzen können“, sagt Becker.

An Bord von Landestufe und Rover ist Platz für Experimente. Forscher aus aller Welt sind eingeladen, darauf kleine, gerade milchtütengroße Module zum Mond zu schießen – gegen eine Gebühr, versteht sich. Der Mondforscher der ESA, Bernard Foing, ist von dieser Idee begeistert: „Sie wollen einen Markt für den Transport von Nutzlast schaffen, eine Art Paketdienst zwischen Erde und Mond.“Ein Startup aus Berlin

Mehrere US-Unternehmen entwickeln derzeit Ideen, auf dem Mond Rohstoffe zu fördern, die als Baumaterial für Gebäude des Dorfs dienen könnten, oder um dort Wasser oder Raketentreibstoff herzustellen. Die PTScientists wollen sich anders in das zukünftige Monddorf einbringen: Sie verbauen in ihrem Lander einen Mobilfunksender von einem ihrer Sponsoren.

Bild: CC-BY-SA 4.0 DE, Karl Urban / Die Weltraumreporter

Viele Gründe, aufzubrechen

Die Frage bleibt: Was sucht der Mensch auf dem Mond? Was gibt es dort, was wir nicht schon längst gefunden haben? Wir waren ja schon Mal da. Und haben ihn dann jahrzehntelang links liegen lassen. In China hat der Mond eine hohe kulturelle Bedeutung, erzählt der ESA-Astronaut Matthias Maurer: „Man sagt in China, ein Mädchen ist hübsch wie der Mond. Sie hat ein Gesicht so rund wie der Mond. Der Mond ist überall dabei, in vielen Redewendungen, in vielen Ausdrücken.“ Der China-Experte Andrew Jones ergänzt: „Es geht auch ums Prestige: Wer Raumsonden zum Mond fliegt, sie dort sanft landet und Proben zurückbringt oder sogar Menschen landet: Der steigert das internationale Ansehen Chinas immens.“

Und dennoch: So gut wie jedes Teleskop ist auf den Mond gerichtet worden. Dutzende Raumsonden sind zu ihm geflogen, zwölf Menschen auf ihm gelandet. Er ist der einzige Himmelskörper, von dem wir viele Kilogramm Gestein zur Erde gebracht haben. Über den Mond wissen wir heute viel – aber längst nicht alles. „Wir haben uns wirklich sehr kleine Bereiche angeschaut“, sagt Karsten Becker. „Und vor allem muss man auch mal ganz fairerweise dazu sagen, dass die Leute, die sich das angeschaut haben, allesamt Militärpiloten waren und ein Geologe, der dann mal bei der letzten Mission mitgenommen wurde.“

Das sieht nicht nur Karsten Becker so, sondern auch Matthias Maurer – Astronaut der ESA und Vollblut-Wissenschaftler.

Bild: ESA

Forscher haben Fragen

Am Berliner Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt betreibt auch Ralf Jaumann seit vielen Jahren Studien zum Mond, ohne dass seine Vorschläge für neue Mondsonden bislang die nötigen Mittel erhalten hätten: „Wissenschaftlich gibt es sehr viele Fragen. Wir wissen immer noch nicht genau, wie er entstanden ist. Das ist eine absolut entscheidende Frage, denn ohne Mond würde die Erde völlig anders aussehen als sie das tut.“

Jahrzehntelang glaubten Planetenforscher, der Mond sei durch den Einschlag mit einem massiven, etwa marsgroßen Planeten auf der jungen Erde entstanden. Doch noch immer rätseln die Wissenschaftler, warum Mondgestein dann fast völlig identisch mit dem Material tief im Erdinneren ist, dem Erdmantel. Vielleicht waren die Proben der Apollo-Astronauten einfach schlecht ausgewählt. Dazu kommt: Die Zeitskala des gesamten Sonnensystems basiert auf den Analysen weniger Proben vom Mond. Viele Geologen bezweifeln mittlerweile, dass die Auswahl der gesammelten Gesteine wirklich ausreicht und damit auch die Zeitskala des Sonnensystems neu aufgestellt werden müsste: Wann genau endete die Zeit der großen Einschläge auf den Planeten und Monden – und wann konnte auf der Erde Leben entstehen?

„Der Mond hat den Vorteil, dass er alle seine Einschlagskrater, also Kollisionen seiner Vergangenheit, immer noch bewahrt hat“, sagt Ralf Jaumann. „Auf der Erde werden die immer wieder verändert und in den Untergrund geschoben oder aufgeschmolzen. Hier ist alles weg, was vorher passiert ist. Auf dem Mond ist das alles noch da.“ Auf der Mondrückseite oder in den Kratern an den Polen des Mondes ist noch nie eine Raumsonde gelandet. Ralf Jaumann hätte nichts dagegen, frische Gesteinsproben von dort in die Finger zu bekommen:“ „Ich würde nicht nein sagen. Wenn Sie mir eine Probe geben, ganz egal von wo, würde ich wetten, die wäre wissenschaftlich interessant. Das ist völlig klar.“

Der Mond, das ist pures, unberührtes, uraltes Gestein. Ein geologisches Eldorado. Und es sind chinesische Forscher, die es zuerst neu erschließen. Voraussichtlich Anfang 2020 dürften erstmals seit 40 Jahren zwei Kilogramm Mondgestein zur Erde gebracht werden. Es sind Pläne, die auch die NASA lange gehegt, aber nie umgesetzt hat, sagt Clive Neal von der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana. „Mit der Raumsonde Chang’e 4 sind die Chinesen zuerst auf die Rückseite des Mondes gelandet, im Südpol-Aitkin-Becken. Der Nachfolger Chang’e 5 wird einige junge Basaltgesteine auf der Vorderseite besuchen und feststellen, ob es vor einer Milliarde Jahren noch bedeutsame Magnetfelder auf dem Mond gab.“

Die Pläne gehen aber längst auch darüber hinaus: Wie viel Wasser steckt wirklich im lunaren Gestein? China ergründet damit eine entscheidende Bedingung für eine Mondbasis. Denn jeder von der Erde mitgebrachte Liter Wasser für künftige Bewohner wäre extrem teuer. Es gibt neue Erkenntnisse, die nun näher erforscht werden müssten. „Wir dachten, der Mond sei trocken“, sagte Clive Neal. „Aber als wir die Analysewerkzeuge hatten, uns die Gesteine noch detaillierter anzusehen, entdeckten wir einen völlig neuen Mond.“

Mondsonden lieferten in den letzten zwei Jahrzehnten Daten, aus denen globale Karten zur chemischen Zusammensetzung entstanden. Gezielt auf den Mond gelenkte Sonden bestätigten den Befund: In den obersten Metern des Mondstaubs ist ein wenig Wassereis vorhanden. Und selbst die für trocken gehaltenen Gesteinsproben aus der Apollo-Ära waren noch für eine Überraschung gut. „Wir wissen heute, dass es auf dem Mond Regionen gibt, in denen flüchtige Stoffe ebenso häufig vorkommen wie im Erdmantel, im Inneren der Erde“, sagt Neal. „Das ist ein wirklicher Paradigmenwechsel in der Wissenschaft.“

Vermutlich existiert nur wenig reines Wassereis. Aber es bestünde die Möglichkeit, Wasser herzustellen: In ständig beschatteten Kratern an den Polen steckt Wasserstoff im Regolith, dazu gibt es reichlich Sauerstoff. Andrew Jones hat von einer Forscherin erfahren, dass diese Rohstoffe aus chinesischer Sicht bald gefördert werden könnten: „Ich habe sie gefragt, was sie speziell an Chang’e 5 interessiert: wenn die Raumsonde diese Proben zur Erde bringt, welche Fragen sollen daran untersucht werden? Und sie sagte mir: Wir würden diese Proben gerne daraufhin testen, wie wir daraus Sauerstoff für eine Basis gewinnen können.“

Eine Station im Mondorbit

Während sich chinesische Forscher also bereits aktiv mit den Herausforderungen einer Mondbasis auseinandersetzen, geht es bei den anderen Raumfahrtnationen nicht so recht voran. Die Idee, zum Mond zurückzufliegen, hatte schon George Bush senior und auch sein Sohn, George W. Bush. Doch all diese Pläne wurden irgendwann eingemottet, weil andere Ziele wichtiger wurden. Seit Jahren diskutieren die Vertreter der USA, Russlands, Japans, Kanadas und der Europäischen Raumfahrtagentur auch über eine Raumstation im Mondorbit. Der Name des Projekts: Lunar Orbital Platform-Gateway – das Tor zum Weltraum. Doch das Deep Space Gateway wäre kaum ein Sechstel so groß wie die aktuelle Internationalen Raumstation. Ausflüge von dort zur Mondoberfläche wären wegen der anvisierten Umlaufbahn schwierig.

„Ich bin nicht völlig aus dem Häuschen wegen des Deep Space Gateways“, sagt auch US-Mondforscher Clive Neal. „Aber ich glaube, wir könnten es an einen Punkt bringen, von dem aus sich Forschung und Erkundung des Mondes als logische nächste Schritte ergeben. Nur momentan sieht es danach aus, als würden wir schlicht die Internationale Raumstation in die Nähe des Mondes verschieben, nur um die Leute weiter beschäftigen zu können, die wissen, wie man eine Raumstation betreibt. Und das finde ich nicht wirklich logisch, wenn Menschen eigentlich jenseits des Erdorbits planetare Oberflächen erforschen wollen.“

Immerhin tut sich bei der Logistik so einiges: Lange gab es keine Raketen, um Menschen oder gar hunderte Tonnen Nahrung, Wasser, Habitate, Fahrzeuge oder Werkzeug zum Erdtrabanten zu bringen. Die alte Mondrakete Saturn V war längst eingemottet. Und ein neuer Träger nicht verfügbar.

Neue Raketen

Das ist heute anders. Am 6. Februar 2018 hebt sich die Falcon Heavy in den Orbit, die neue Rakete der Raumfahrtfirma SpaceX. Sie liefert doppelt so viel Schub wie die zuvor stärkste noch aktive Rakete auf dem Markt. Und doch ist sie für Firmenchef Elon Musk nur ein Zwischenschritt der Raketen-Gigantomanie. Denn er plant den Aufbruch der Menschheit ins Planetensystem. Neun Meter im Durchmesser – und eine Nutzlastkapazität, die jene der Saturn V weit übersteigt. Das soll die sogenannte Big Falcon Rocket in mehreren Jahren schaffen: „Die Big Falcon Rocket kann viel weiter fliegen, beispielsweise bis zum Mond“, sagt Musk. „Wir können mit dieser Rakete Missionen auf der Mondoberfläche durchführen, ohne dort neuen Treibstoff herstellen zu müssen. Das erlaubt uns den Bau einer Mondbasis.“

Bei all dieser Raketengigantomanie bleibt nur eine Frage: Wer soll für die neuen Riesenraketen bezahlen? Auch die NASA entwickelt derzeit eine Schwerlastrakete. Jeder Flug dieser Giganten dürfte Milliarden US-Dollar kosten, eine Mondbasis, vielleicht sogar ein permanent bemanntes Monddorf sicher einige hundert Milliarden. Karsten Becker glaubt: Die privaten Anbieter können Lastflüge deutlich billiger machen als staatliche Raumfahrtagenturen das jemals konnten – und die neuen Mondpläne damit bezahlbar machen.

„Man sieht es ja bei SpaceX: Die sind, je nachdem wie man es rechnet, locker um einen Faktor sechs oder zehn unter dem, was die NASA ausgibt“, sagt der Entrepreneur Karsten Becker der PTScientists. „Auch für unsere Mission gilt ja: Wenn die erste Mission fehlschlägt, ist es immer noch billiger, nochmal eine Mission zu machen als die ESA-Version der Mission zu fliegen. Das muss man sich halt überlegen.“

„Ich habe da überhaupt nichts dagegen. Meine einzige Frage ist natürlich: Stimmt das wirklich?“ – Ralf Jaumann hat ein Forscherleben lang an dutzenden Raumsonden jener vermeintlich überteuerten staatlich finanzierten Missionen mitgearbeitet. „Ist es wirklich so, dass es, wenn es die großen Organisationen machen, Geld kostet, und wenn man es privat macht, kein Geld kostet?“, fragt Jaumann. „Da müssen die großen Organisationen durchaus etwas falsch machen. Im Grunde genommen haben die aber einen immensen Erfolg. Wenn Sie die NASA angucken: Das ist eine riesige Erfolgsgeschichte und Erfolg kostet nun mal.“

Doch die ökonomischen Bedingungen verändern sich, das Geld kommt nicht mehr nur aus staatlichen Haushalten: Luxemburg führte kürzlich ein Gesetz ein, das den Bergbau im All regelt – und zog damit Milliarden-schwere Investoren an. Zwei ehemalige Teilnehmer am Lunar XPrize wollen Rohstoffe auf Asteroiden und dem Mond fördern. „Wir müssen herausfinden, wie viel von diesen Rohstoffen existiert und wie viel davon leicht abzubauen ist. Davon hängen diese Businesspläne ab“, sagt Clive Neal.

Der Mond hat eigene Ressourcen: Baumaterial, Wasser, Metalle oder gar Helium-3. Sie zur Erde zu bringen und zu verkaufen, bringt keinen Profit. Doch wenn es gelänge, dort Rohstoffe für den Mond und die Raumstation in ihrem Orbit zu gewinnen, würde das die Transportkosten stark reduzieren. Die Ressourcen könnten nicht nur eine staatlich finanzierte Mondbasis versorgen, sondern auch zahlende Touristen. Bis es so weit ist, gilt es noch Vieles herauszufinden: Lassen sich Gebäude für Reisende mit 3D-Druckern aus Mondstaub kreieren? Ist Bergbau auf dem Mond möglich? Und wie ergiebig sind sie überhaupt, die Bodenschätze, dank derer sich die Mondfahrt von Mutter Erde abnabeln könnte?

Bild: NASA

Werden sich auf dem Mond wirklich Geschäfte machen lassen? Oder wird am Ende doch kaum mehr entstehen als eine kleine Raumstation, die nur wenige Wochen im Jahr überhaupt besetzt ist, weil Flüge dorthin die Budgets der Raumfahrtagenturen sonst sprengen würden? Karsten Becker sagt: „Der Mond ist einfach das ideale Sprungbrett ins Weltall. Wir glauben, dass wir auf dem Mond einfach alle Technologie testen können, die man braucht, um eine Kolonie auf dem Mars zu realisieren. Und dass man ihn auch benutzen kann, um dann von dort aus quasi als Tankstelle weiter ins Weltall vorzustoßen.“

Der Aufbruch des Menschen wird wohl nur gelingen, wenn die Weltraummächte an einem Strang ziehen. Selbst Indien schickt in diesen Tagen eine neue Raumsonde zum Mond. Mitstreiter gäbe es also reichlich. Doch ob sich der Traum vom Moon Village so schnell erfüllt, steht weiter in den Sternen. Denn mit China und den USA können ausgerechnet die zwei größten und zahlungskräftigsten Akteure derzeit gar nicht zusammenarbeiten. „Wir US-Forscher müssen bei einer bilateralen Zusammenarbeit mit China vorsichtig sein, weil das im Moment illegal ist“, sagt Planetologe Clive Neal. „Dieses Gesetz muss geändert werden. Und hoffentlich wird es sich in nicht allzu ferner Zukunft auch ändern. Es verhindert momentan jede Kollaboration.“

Eine neue Ära

Der Mond symbolisiert den nächsten großen Schritt – darin sind sich die wichtigen Akteure im 21. Jahrhundert einig. Der kalte Krieg ist lange vorbei und wer dieses Mal der erste dort oben ist, sollte eigentlich keine Rolle mehr spielen. Wird es China sein? Oder Russland, das mit China gerade erst neue Kooperationsverträge zur Mondforschung geschlossen hat? „Es gibt jetzt eine Diskussion, wer für welchen Bereich im All die Führung übernimmt“, sagt ESA-Chef Jan Wörner. „Die Chinesen sind interessiert, die Japaner, die Russen sowieso. Ich glaube, dass wir da auch in der Zukunft eine gemeinsame Sache hinbekommen, die uns in der Raumfahrt sehr eng aneinander bindet. Das ist sehr wichtig.“ Astronaut Matthias Maurer sieht gerade die Europäer an einer interessanten Position: „Die ESA an sich ist ein Zusammenschluss von 23 europäischen Ländern. Das heißt, wir müssen jeden Tag in der ESA Brücken bauen zwischen den verschiedenen Ländern.“

Maurer bereitet sich gerade auf seinen ersten Flug zur ISS vor – und er lernt chinesisch. Im Sommer 2017 nahm er als erster Ausländer überhaupt an einem Überlebenstraining mit chinesischen Raumfahrern teil. Vielleicht gehört er zu einer neuen Generation von Raumfahrern, die in unbekannte Gefilde aufbricht: zu Zielen im Planetensystem – und zu neuen Partnern auf der Erde.

Bild: ESA

Eine frühere Fassung dieses Beitrags wurde am 30. April 2018 in der Sendung „Wissenschaft im Brennpunkt“ im Deutschlandfunk ausgestrahlt.

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