Ernährungskrise: „Wir müssen die Situation als Weckruf verstehen.“

Die Welt steht vor massiven Krisen. Klimawandel und Krieg bedrohen die globale Ernährung. Matin Qaim ist Agrarökonom und Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn. Im Gespräch erklärt er, warum zu viel Ökolandbau dem Klima schaden könnte.

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Professor Matin Qaim
KOPYLIV, UKRAINE – MAY 28: A wheat warehouse, located in the village of Kopyliv, which is approximately 45 kilometers from the center of the capital Kyiv, turns into ruins due to the ongoing Russian attacks in Kopyliv, Kyiv Oblast, Ukraine on May 28, 2022. Dogukan Keskinkilic / Anadolu Agency
Ein zerstörtes Weizenlager im ukrainischen Dorf Kopyliv, etwa 45 Kilometer von Kiew entfernt. "Mehr als 25 Länder beziehen mehr als die Hälfte ihrer Weizenimporte aus Russland und der Ukraine", sagt der Agrarökonom Matin Qaim.
Drought
Dürren erschüttern die globale Versorgung mit Nahrung. „Wenn wir die Gefahr einer geopolitischen Zweiteilung der Welt entschärfen wollen, dann müssen wir Innovationen in der Landwirtschaft vorantreiben und auch zur Weltversorgung mit Nahrungsmitteln beitragen“, sagt Matin Qaim.

Müssen Sie sich dann nicht den Vorwurf gefallen lassen, den großen Saatgutkonzernen in die Hände zuspielen, die die Gentechnik vermarkten?

Ich forsche seit über 25 Jahren zu Gentechnik in der Landwirtschaft in Indien und anderen Ländern. Dort, wo Landwirte Gentechnik mit eingebauter Schädlingsresistenz anwenden, sehen wir nicht nur höhere Erträge und damit höhere Einkommen, sondern auch einen deutlich geringeren Einsatz von Pestiziden – und damit Umweltvorteile. Und das nicht, wie oftmals behauptet wird, nur kurzfristig, weil es dann zu Resistenzentwicklungen komme, die alles wieder zunichtemachen und die Situation dann schlimmer sei als vorher. Wir haben aufgezeigt, dass der Einsatz von gentechnisch angepassten Pflanzen auch langfristig erfolgreich sein kann und dabei hilft, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Allerdings sollten wir den Wettbewerb auf den Saatgutmärkten fördern und das Feld nicht allein den großen Konzernen überlassen.

Verpasst Europa gerade eine Chance?

Ja, aber es ist noch nicht zu spät. Gentechnik in der Landwirtschaft kann und muss zur nachhaltigen Entwicklung beitragen, das gilt auch in Europa. Wer die Nachrichten der letzten Wochen verfolgt hat, konnte sehen, dass der russische Präsident Putin geschickt die Abhängigkeiten der afrikanischen Länder als strategisches Instrument nutzt, um diese Staaten gefügig zu machen. Russland hat große Energiereserven, aber dort liegen auch fast zehn Prozent der weltweiten Ackerflächen. Wenn wir die Gefahr einer geopolitischen Zweiteilung der Welt entschärfen wollen, dann müssen wir Innovationen in der Landwirtschaft vorantreiben und auch zur Weltversorgung mit Nahrungsmitteln beitragen. Das bedeutet aber auch, dass wir helfen, Produktivitätsfortschritte in der Landwirtschaft Afrikas voranzutreiben. Das ist nicht damit getan, dass wir unsere verklärte Sichtweise auf den Ökolandbau exportieren. Wir brauchen das Beste, was die Wissenschaft zu bieten hat. Hoffentlich erleben wir diesen Weckruf in Europa.

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