Das Unrecht des Stärkeren
Wie höhlenbewohnende Vögel Alexander von Humboldt die Ungerechtigkeit des Kolonialismus vor Augen führten. Von Cord Riechelmann
Ein Beitrag von „Die Flugbegleiter – das Online-Magazin für Natur und Vogelwelt“
Die Beschreibung, die der Naturforscher Alexander von Humboldt vom Fettschwalm – auch Guacharo genannt – gab, ist legendär. „Der Guacharo hat die Größe unserer Hühner, den Rachen des Ziegenmelkers, den Wuchs der Geyer, deren krummer Schnabel von steifen Seidepinseln umgeben ist“, schrieb er in seinem Essay „Nachtvögel“ über die Art. Humboldt beschrieb den Europäern und insbesondere den Ornithologen seiner Zeit den neuartigen Vogel, indem er eine Mischung aus bekannten Bildern aufrief und sie neu zusammensetzte. Der Fettschwalm, der wissenschaftlich Steatornis caripensis Humboldt 1817 heißt, war bis dahin weder als Art definiert noch irgendwie systematisch behandelt worden.
In einem schön gestalteten Band mit Humboldts „Tierleben“, der im noch immer laufenden 250. Jahr nach der Geburt des Naturforschers im Verlag Friedenauer Presse erschienen ist, kommt der verborgen lebende Vogel besonders gut zur Geltung – und auch seine überraschende politische Bedeutung.
Humboldt war am 18. September 1799 während seiner fünfjährigen Amerikareise auf die Vögel gestoßen. An diesem Tag war es seinem Freund, dem französischen Botaniker Aimé Bonpland, gelungen, zwei Fettschwalme zu schießen, die es dem Forscher erlaubten, die Vögel zu zeichnen und ihre Beschreibung im Detail zu vervollständigen.
Gtesm xp ooujhsoohjg
Spquykzm slmmj wjtgj Iyhwespgcjg ooooooqtm Wmpztjg xp pgmjhthztwes tg Sooskjg vleswjgzjg Riklgxjg ujcyggjgo Zlujt jgmzjeomj jh wy btjkj byhsjh pgujweshtjujgj Riklgxjgo zlww jh wtes wesgjkk tg Ilesohjtwjg jtgjg Glqjg qlesmj pgz lpes Cyjmsj wjtgj Ujolggmweslim wpesmjo Spquykzm twm wjtmsjh lkw Uymlgtojh tg ztj Vtwwjgweslimwcjwestesmj jtgcjclgcjgo lkw jtgjh zjh Ujchoogzjh zjh Cjychlrstj pgz lpes lkw jtgjh zjh jhwmjg Lgmshyrykycjg qtm Cjwrooh iooh ztj Glmpho Wy ujweshtju jh ztj ooowmlqqvjtwj wy bjhwestjzjgj Kjujgztcojtm zjw Glmphcjiooskwooo byg bjhwestjzjgjg Qjgwesjg tg bjhwestjzjgjg Vjkmcjcjgzjg pgz slmmj jtg Ysh iooh Glmphcjhoopwesjo ztj tg bjhwestjzjgjg Wrhlesjg lpimlpesjgo
Zjh Hpi zjw Ijmmwesvlkqw vlh iooh Spquykzm lpes gtesm xp ooujhsoohjg cjvjwjg pgz slm wtes tsq ujwygzjhw jtgcjrhoocmo
Jw ilkkj wesvjho wtes jtgj htesmtcj Byhwmjkkpgc byg zjq iphesmulhjg Koohq xp qlesjgo vjkesjg btjkj Mlpwjgz ztjwjh Boocjk tg zjq itgwmjhjg Mjtk zjh Sooskj bjhphwlesmjgo weshtju jho oooJh koooom wtes gph qtm zjq Cjkjhq pgwhjh Ohoosjg bjhckjtesjgo ztj tg zjg gyhztwesjg Mlggjgvookzjhg tg Cjwjkkweslim kjujgo pgz tshj Gjwmjh lpi Uoopqj ulpjgo zjhjg Ctrijk wtes jtglgzjh ujhooshjgoooo Vyujt ztj weslhi zpheszhtgcjgzjg Wmtqqjg zjh Cpleslhyw tg zjg Vookupgcjg zjh Sooskj xphooeocjvyhijg vjhzjg pgz zlw Jesy byq Chpgz zjh Chymmj vtzjhslkkmo Zlw twm utw sjpmj wyo
Die Höhle „Cueva del Guacharo“ ist mit einer Länge von etwa 13 Kilometern immer noch die größte Tropfsteinhöhle Südamerikas. Gelegen im venezolanischen Bundesstaat Monagas, war sie der eigentliche Anlass von Humboldts Interesse. Mit Höhlen kannte er sich aus und im Unterschied zur Zoologie war ja eher die Botanik die Grundwissenschaft seines Forscherlebens.
Der besondere Verdienst des Prachtbandes „Tierleben“ liegt neben zahlreichen anderen wunderschönen Details in der wie beiläufig dokumentierten Empfänglichkeit Humboldts für die Geräusche und Farben der Natur.
„Tierleben“ versammelt in dieser Zusammenstellung erstmals 15 Tiertexte aus Humboldts Gesamtwerk, die zu seinen Lebzeiten in seinen Buchwerken oder als Aufsätze, Artikel, Essays und Briefabdrucke in Zeitschriften und Zeitungen erschienen waren.
Nachtaktiv mit Echoortung
Die Herausgeberin Sarah Bärtschi hat die Tierporträts nach vier Großlebensräumen Wasser, Wälder, Höhlen und Lüfte geordnet und zu dem Band ein wunderbar instruktives Nachwort geschrieben. Dabei gelingt es Bärtschi, Eigenheiten Humboldts herauszuarbeiten. Dazu gehört seine systematisch unsystematische Hinwendung zu den Tieren. Humboldt interessiert sich für Tiere im Unterschied zu Pflanzen nicht aus biologisch-systematischen Gründen. Er will nicht ihre Gattungen studieren oder neu ordnen. Entsprechend verstreut tauchen seine Tierbeschreibungen im Werk auf.
Humboldt lässt sich vielmehr von Geräuschen, Gesängen, Farben und Geschichten über die Tiere berühren und fängt dann an, dem jeweiligen Tier ebenso unsystematisch aus gegebenen Anlässen zu folgen. Der Fettschwalm ist eine Paradebeispiel dieser eher intuitiven Methode.
Einer der Anlässe, dem Fettschwalm zu folgen, waren die Erzählungen der Indigenen. Die Indianer hätten ihm versichert, dass die Guacharos sich niemals von Käfern oder anderen Insekten ernähren, notierte er. Und damit wird der Fettschwalm als einziger flugfähiger und nachtaktiver Vogel bekannt, der sich rein vegetarisch ernährt.
Als neue Erkenntnis ist seither hinzugekommen, dass Fettschwalme aktuell die einzigen flugfähigen nachtaktiven Vegetarier sind, die sich mit Echoortung orientieren. Das konnte Humboldt natürlich nicht wissen, weil die Echoortung überhaupt erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckt wurde. Seine Beschreibung wird dadurch aber nicht weniger aktuell.
Im Gegenteil: Humboldt wird durch die wie selbstverständliche Aufnahme indigenen Wissens in seine wissenschaftlichen Texte zu einer Art Prä-Postkolonialist. Er nahm die Indigenen als Wissensquelle ernst, während andere Forscher seiner Zeit sie als „Wilde“ verachteten. Zudem hat Humboldt auch die gesamtgesellschaftliche Lage in seine Naturbeschreibung integriert.
Auch hierfür sind die Fettschwalme ein gutes Beispiel: Aufmerksam geworden war er auf sie zuerst im Kloster von Caripe, einem Ort, der 13 Kilometer von der Höhle entfernt liegt. Dort verwendeten die Mönche in der Küche kein anderes Öl als das der Vögel aus der Grotte. Als „Oil bird“ ist die Art wegen der Produktion des Fetts im Englischen bekannt.
Beginn einer politischen Ornithologie
Die Indigenen hatten seit ewigen Zeiten die Jungvögel kurz vor dem Flüggewerden aus den Höhlennestern geholt und stundenlang gekocht. Auch wenn die aus den Vögeln gewonnene Ölmenge in einem schlechten Verhältnis zum Vogelverbrauch stand, wie Humboldt meinte, beeindruckte das Öl auch ihn durch seine Geruchlosigkeit und Reinheit.
Die Missionare hatten sich des indigenen Wissens in kolonialer Manier bedient, als sie die Indigenen zwangen, ihnen so viel Öl zu liefern, wie sie für den Unterhalt der Kirchenlampen und der Küche brauchten. Humboldt notiert dazu, dass es „natürlich erscheinen möchte, daß der Jagdertrag den Jägern gehöre: aber in den amerikanischen Wäldern, wie im Mittelpunkte der europäischen Kultur, wird das gemeine Recht häufig durch die Verhältnisse abgeändert, welche zwischen den Starken und Schwachen, zwischen den Eroberern und den Eroberten stattfinden.“
Auch das gehört zu Humboldts zoologischer Arbeit: Der Fettschwalm diente ihm zur Kritik an sozialen Missständen seiner Zeit – eine politische Ornithologie, die in globalem Maßstab bis heute aktuell ist.
Alexander von Humboldt: Tierleben. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Sarah Bärtschi. Friedenauer Presse, 192 Seiten, 24 Euro.
***
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Wir „Flugbegleiter – Ihre Korrespondenten aus der Vogelwelt“ bieten Ihnen jeden Mittwoch neue spannende Beiträge zu Naturschutz, Vogelbeobachtung und Ornithologie. Helfen Sie als Abonnent unseres Projekts mit, guten Naturjournalismus zu stärken!