Es war nicht alles schlecht – Klimaschutz-Fortschritte 2024
Angesichts vieler schlechter Nachrichten gehen die guten leicht unter. Ein Blick zurück zeigt, dass der Klimaschutz in den letzten 12 Monaten auch vorangekommen ist.
Das Jahresende ist traditionell die Zeit für Bilanzen: Was ist in den letzten 12 Monaten passiert? Angesichts der vielen Extremwetterereignisse und Temperaturrekorde kommt beim Gedanken ans Klima wohl kaum Zuversicht auf. Das Jahr war voller Hiobs-Botschaften: Alles, wovor Klimawissenschaftler:innen seit Jahrzehnten warnen, konnten wir in diesem Jahr live miterleben.
Aber damit noch nicht genug. Gerade scheint eine Politik die Oberhand zu gewinnen, die den bereits erreichten Klimaschutz wieder zurückdrehen will. Das ist nicht nur in den USA so. Auch in Deutschland überbieten sich konservative Parteien mit Wahlkampfversprechen, die die ökonomischen Chancen, die in der Energie- und Mobilitätswende liegen, abwürgen könnten.
Es ist also leicht, deprimiert zu sein. Doch beim Blick zurück haben es Nachrichten, die Zuversicht geben, traditionell schwerer. Deshalb soll an dieser Stelle ganz bewusst das Gute im Mittelpunkt stehen. Denn in den vergangenen Monaten ist auch viel passiert, das Rückenwind für weitere Klimaschutzanstrengungen gibt und über das RiffReporter:innen berichteten.
Gute Klima-Nachrichten von Januar bis März 2024
Hecken sind Klimaretter
Nicht nur Moore und Wälder sind echte Klimaretter, auch Hecken leisten einen großen Beitrag zum Klimaschutz. Laut Studien des Thünen-Instituts können sie auf Ackerflächen bis zu 500 Tonnen CO₂ pro Hektar speichern. Würde man die seit den 1950er Jahren zerstörten 90.000 Kilometer Hecken wieder anpflanzen, könnten jährlich ganze 1,6 Millionen Tonnen CO₂ gebunden werden – ein enormer Beitrag für unser Klima. Bundesumweltministerin Steffi Lemke will daher von 2025 bis 2027 stolze 100 Millionen Euro in die Neuanpflanzung von Hecken investieren. Projekte wie „Heckenscheck“ zeigen außerdem, dass Hecken nicht nur zum Klimaschutz beitragen, sondern auch die Biodiversität fördern und Äcker vor Erosion und Dürre schützen.
Die EU setzt auf Natur
Am 27. Februar 2024 machte das Europäische Parlament zwei große Schritte für den Umweltschutz: ein strengeres Umweltstrafrecht und das neue Renaturierungsgesetz.
Wer künftig schwere Umweltschäden anrichtet – zum Beispiel Lebensräume zerstört oder illegal Bäume fällt – muss mit harten Konsequenzen rechnen. Für Unternehmen wird es richtig teuer: bis zu 40 Millionen Euro Strafe oder fünf Prozent des Jahresumsatzes. Die EU-Staaten dürfen jetzt auch Umweltvergehen außerhalb Europas verfolgen, wenn europäische Firmen ihre Finger im Spiel haben.
Das Renaturierungsgesetz hat ein klares Ziel: die Natur retten. Bis 2030 müssen mindestens 30 Prozent der geschädigten Lebensräume – Wälder, Wiesen, Flüsse oder sogar Korallenriffe – wieder in einen guten Zustand gebracht werden. Bis 2050 sollen es sogar 90 Prozent sein. Leicht war dieser Beschluss nicht. Vor allem aus der Landwirtschaft gab es Kritik. Doch am Ende hat das Gesetz eine Mehrheit gefunden.
Die Asphaltknackerinnen: Zwei Frauen entsiegeln Parkplätze und schaffen Lebensräume
In vielen Städten gibt es jede Menge Asphalt – von Parkplätzen bis zu Innenhöfen. Genau hier setzen die „Asphaltknackerinnen“ Isabella Sedivy und Bettina Walch an: Sie brechen versiegelte Flächen auf und ersetzen sie durch durchlässige Beläge aus Sand, Splitt oder Kies. Das hat viele Vorteile: Regenwasser kann versickern, die Flächen heizen sich im Sommer nicht mehr so stark auf, und Insekten wie Wildbienen finden neue Lebensräume. Dabei geht es nicht darum, Parkplätze abzuschaffen – sie bleiben nutzbar, nur eben klima- und umweltfreundlicher. Übrigens: Über 90 Prozent der Parkplätze könnten entsiegelt werden.
Das Projekt der Asphaltknackerinnen bringt nicht nur mehr Grün in die Städte, sondern verbessert auch das Mikroklima und die Lebensqualität. Für Privatpersonen oder Firmen übernehmen sie die Koordination und machen den Umbau so einfach wie möglich. Ihr Motto: „Weniger Asphalt, mehr Leben!“
Gute Klima-Nachrichten von April bis Juni 2024
Bahnbrechendes Urteil: Klimaschutz ist Menschenrecht
Im April erzielten Klimaschützerinnen aus der Schweiz einen wichtigen Erfolg vor dem Gerichtshof für Menschenrechte. Das Urteil löste die Hoffnung aus, dass die Schweizer Regierung nun dazu gezwungen ist, besseren Emissionsschutz zu ergreifen und die Emissionsziele für 2030 anzupassen. Denn das Gericht sah die Rechte der klagenden KlimaSeniorinnen verletzt, vor Hitzewellen besser geschützt zu werden. Der Hintergrund: Besonders ältere Frauen haben ein erhöhtes Risiko, durch Hitzewellen gesundheitlich zu leiden und zu sterben.
Die Schweizer Regierung ließ später im Jahr verlautbaren, dass sie bereits die geforderten Maßnahmen erfülle, da das Gericht Gesetze, die kurz vor dem Urteil verabschiedet worden seien, nicht berücksichtigt habe. Eine ausführliche Analyse der Schweizerischen Klimagesetzgebung zeigt jedoch, dass es noch viel zu tun gibt.
Gute Klimakommunikation kann umweltfreundliches Verhalten fördern
Wenn an Weihnachten die ganze Familie zusammenkommt, prallen nicht selten Welten aufeinander. Wer sich fragt, wie er auf die üblichen Vorurteile gegen umweltfreundliches Verhalten reagieren kann, kann Rat bei einer App suchen. Anhand des Alters, des Geschlechts, des Bildungsgrads und noch einiger anderer Parameter des Gegenübers lässt sich herausfinden, welche Kommunikationsstrategie am erfolgversprechendsten ist: Bewusstmachen, dass der Klimawandel auch Menschen in Deutschland bereits schadet? Einen Brief an einen (imaginierten) Enkel schreiben? Bedrohungsszenarien zeichnen? Oder etwas ganz anderes?
Die App wurde wissenschaftlich untersucht und dabei stellte sich heraus: Mit Kommunikation lassen sich durchaus Einstellungen beeinflussen – allerdings nicht kurzfristig. Seien Sie deshalb nicht zu frustriert, wenn Onkel oder Tante Ihnen nicht sofort zustimmen. Sie ändern ihr Verhalten vielleicht trotzdem.
Naturschutz mitten in Jerusalem
Ausgerechnet in einer Region, die durch Terror und Krieg gebeutelt ist, kommen Menschen zusammen, um ihre gemeinsame Heimat klimaresilienter zu machen. Mitten im Stadtgebiet von Jerusalem errichten und pflegen jüdische und arabische Anwohner:innen gemeinsam Parks, in denen bedrohte Tierarten wie die Palästinensische Berggazelle einen Lebensraum finden. Unter anderem ein Sperrwall zum Westjordanland hindert die seltene Gazelle am Wandern. Sie ist auf das mitten in der Stadt liegende Habitat angewiesen, zwei Drittel des Parks sind für sie reserviert. Aber auch die Menschen selbst profitieren von der schattenspendenden, kühlenden Grünanlage des Gazelle Valley Parks. Ein Ort, der doppelt Hoffnung spendet.
Gute Klima-Nachrichten von Juli bis September 2024
Das Renaturierungsgesetz tritt in Kraft
Im dritten Quartal dieses Jahres trat die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur in Kraft. Es bedeutet ein neues Paradigma in der Umweltpolitik und hat das Potenzial, gleichzeitig den Artenschutz und den Klimaschutz weit voranzubringen. Das zeigen auch die enthaltenen Zahlen: Drei Milliarden Bäume sollen gepflanzt werden, 25.000 Kilometer Flussläufe renaturiert werden. Nicht zuletzt entstehen neue, nachhaltige Einnahmequellen für die Landwirtschaft.
Diese fünf lokalen Klimaschutzprojekte geben Hoffnung
Wertvolle Entwicklungen im Klimaschutz beginnen häufig auf lokaler Ebene. Fünf Beispiele aus Deutschland veranschaulichen das: In gleich mehreren Orten haben ehrenamtliche Initiativen Bürgerbusse auf die Räder gestellt und so neben Klimaschutz auch die soziale Teilhabe verbessert. Die aus Asien stammende Idee der Tiny Forests bringt kleine Flecken Wildnis in Städte, etwa nach Gotha, wo die Bäume die Luft reinigen und kühlen, Tieren und Pflanzen Raum bieten und nebenbei CO₂ binden. Weitere Beispiele umfassen die Reaktivierung einer alten Schienenstrecke, Klimaschulen und kommunale Klimaschutzmanager.
Mutmacher in der Klimakrise: Fünf Bücher, die Hoffnung geben
Von optimistisch bis unterhaltsam: Bücher über die Klimakrise müssen nicht immer nur deprimieren. Fünf Beispiele, die sich insbesondere für lange Winterabende anbieten, zeigen, dass es auch anders geht. Der Klimaatlas etwa veranschaulicht das Thema von allen Seiten in Grafiken. Die Graphic Novel Bipolar Bear erzählt tragikomisch vom Schicksal des letzten Eisbären. Unlearn CO₂ zeichnet die Vision einer Welt ohne fossile Brennstoffe. Der Essay Landkrank ringt belletristisch mit der Verantwortung jedes einzelnen Menschen. Und Das Ende der Erschöpfung beschreibt eine Welt ohne das Dogma des unendlichen Wachstums.
Gute Klima-Nachrichten von September bis Dezember 2024
Was gegen Klimaangst und Ohnmachtsgefühle hilft
Die Psychologin Nele Dippel sagt. „Es ist okay und verständlich, Angst zu haben.“ Aber dann sei es wichtig, ins positive Handeln zu kommen, sich gemeinsam zu engagieren und aktiv zu werden. Sich die eigene Handlungsfähigkeit zu vergegenwärtigen hilft für den Umgang mit belastenden Situationen. So kann man sich beispielsweise dafür einsetzen, einen Bürger:innenrat zu gründen oder dafür, dass der Wohnort – oder auch einfach „nur“ der Nachbar –, auf erneuerbare Energien umsteigt.
Sechs australische Orte stellen das Gas ab
In Australien stiegen gleich hunderte Nachbarn gemeinsam um. Dort ist die australische Postleitzahl 2515 zur Chiffre für Umweltschutz von unten geworden. In den dazugehörigen Gemeinden stellten 500 Nachbarn ihre Haushalte von Gas auf hocheffiziente Elektrogeräte um. Ihre Begeisterung ist ansteckend: „Electrify 2515“ könnte auf dem ganzen Kontinent Schule machen.
Den Haag stoppt umfassende Werbung für fossile Brennstoffe – als erste Stadt weltweit
Die niederländische Stadt Den Haag ist die erste Stadt der Welt, die ein umfassendes Verbot von Werbung für fossile Brennstoffe beschlossen hat. Benzinautos, Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe – alles, was das Klima massiv schädigt, soll ab 1. Januar 2025 nicht mehr auf bunten Plakaten oder freistehenden Werbebildschirmen attraktiv dargestellt werden. Und auch in Deutschland bewegt sich ebenfalls etwas in die richtige Richtung: Die Volksinitiative „Hamburg Werbefrei“ möchte die Zahl der Werbeanlagen in der Stadt reduzieren sowie digitale Werbeanlagen ganz verbieten.
Dieses Briefing ist ein Gemeinschaftsprojekt der RiffReporter des Recherche-Kollektivs Klima & Wandel. Darin beleuchten Reporter:innen die Klimakrise und Klimaschutzmaßnahmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Denn es gibt nicht eine Lösung – sondern viele. Regelmäßig informiert werden? Newsletter hier bestellen!