Hoffnung in der Klimakrise: Kraft zu notwendigen Veränderungen oder Selbstbetrug?
Appelle für mehr Hoffnung in der Klimakrise haben Hochkonjunktur. Gibt es gute Gründe, hoffnungsvoll zu sein? Oder ist Hoffnung nur eine Beruhigungspille? Das RiffReporter-Briefing des Recherchekollektivs Klima & Wandel.
„Negativrekorde und Hoffnungsmeldungen im Wochentakt – wie steht es denn nun wirklich um unser Klima?“ So fragte der Journalist Stefan Schmitt vor einigen Tagen in diesem Artikel bei der Wochenzeitung Die Zeit. Damit hat er bei mir einen Nerv getroffen. Denn mir fällt es angesichts der vielen widersprüchlichen Berichte schwer, den tatsächlichen Ist-Zustand unseres Planeten einzuschätzen. Ich vermute: Einigen von Ihnen geht es ähnlich. Vielleicht sind Sie sich – genau wie ich – noch dazu unsicher, ob es überhaupt berechtigte Gründe gibt, hoffnungsvoll zu sein.
Schmitt kommt gegen Ende seines Textes zu der Erkenntnis, dass es die eine und einzige Haltung, die zu allem passt, nicht geben kann. Es passiert zu viel Widersprüchliches gleichzeitig. Während die einen daran arbeiten, dass sich mit dem Verbrennen von fossilen Energieträgern weiterhin viel Geld verdienen lässt, machen andere gute Fortschritte bei der Nutzung erneuerbarer Energien und dem Schutz natürlicher Lebensräume. Schmitt schlägt deshalb vor, auf zwei Beinen zu stehen: Unter dem einen Fuß die Hoffnung und unter dem anderen die Empörung.
Die Philosophin Corine Pelluchon besteht in ihrem Buch Die Durchquerung des Unmöglichen – Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe darauf, dass wir Hoffnung klar von Optimismus trennen. Sie sagt sogar: „Hoffnung ist das Gegenteil von Optimismus.“ Und sie stellt fest, dass es uns an Hoffnung mangele. Das mache ihr Sorgen: „Ein Volk, das die Hoffnung verloren hat, ist in Gefahr“, schreibt sie.
Falsche Hoffnungen helfen nicht weiter
Niemand möchte falschen Hoffnungen anhängen und am Ende feststellen, dass es genau diese waren, die rechtzeitiges und effektives Handeln verhinderten. Falsche Hoffnungen sitzen an einem Tisch mit Verdrängungen, Illusionen und (aggressiver) Abwehrhaltung gegenüber unübersehbaren Tatsachen. Deshalb hat die Hoffnung auch eine politische Dimension und deswegen tun sich viele, denen der Zustand unseres Planeten sehr bewusst ist, ziemlich schwer mit der Hoffnung.
Mir geht es auch oft so. Ich bleibe skeptisch, selbst wenn mir eine Datenanalystin sehr plausible Gründe dafür nennt, warum ich jetzt schon auf eine erfolgreiche Transformation hoffen darf. Hannah Ritchies Buch Hoffnung für Verzweifelte hat mich dann auch nicht vollends überzeugt.
Corine Pelluchon hat dagegen bessere Karten bei mir. Ich habe ihr Buch noch nicht ganz durchgelesen, aber schon das Vorwort reichte, um ihr Recht zu geben: Es gibt gute Gründe zu hoffen. Was wäre denn die Alternative? „Zu verzweifeln ist leicht, Verzweiflung ist eine Versuchung“, schreibt Pelluchon darin. „Hoffnung ist eine überwundene Verzweiflung, sie ist eine Rückkehr zum Leben, die Gewissheit, dass trotz Enttäuschungen und verpassten Begegnungen, Verzögerungen und Rückschritten etwas geschieht, das dem Lauf der Dinge eine neue Wendung gibt und einen Fortschritt bewirkt.“
Machen wir uns etwas vor?
Die Klimakrise macht mir große Angst. Jede Nachricht von Überflutungen, Dürren, Waldbränden, überhitzten Meeren und dem Artensterben lässt meinen Mut sinken, dass es noch Chancen gibt, das Schlimmste zu verhindern. Doch der Ort, an den mich das alles führt, ist Verzweiflung. Das geht manchmal so weit, dass es mir schwer fällt, in den schon funktionierenden Klimaschutzmaßnahmen noch einen Sinn zu sehen. Dann erscheint es mir zwingend, dass wir aufhören, uns etwas vorzumachen und endlich anerkennen, dass es bereits zu spät ist, eine um drei Grad heißere Welt noch zu verhindern. Das wäre wenigstens ehrlich.
Corine Pelluchon kennt diesen Zustand. Und sie weiß: „Die Hoffnung taucht unerwartet am Ende eines langen Kampfes auf, bei dem man dachte, man würde sterben. (…) Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas bereits da ist, selbst wenn die Ereignisse jenen Menschen Unrecht zu geben scheinen, die einen Fortschritt verkünden …“. Ich wünsche mir, dass alle unsere Bemühungen, die Erderhitzung nicht weiter voranzutreiben, erfolgreich sind.
Ich wünsche es mir vor allem für diejenigen, die bereits jetzt darunter leiden, die schon jetzt aus ihrer Heimat vertrieben werden, die schon jetzt daran sterben. Und für meine Kinder. Vielleicht kennen Sie das: Für mich selbst wünsche ich es mir weniger als für andere. Ich möchte weder Zeugin der Katastrophe werden, noch sie an meine Nachkommen weiterreichen. Ob es mich selbst trifft, darüber denke ich kaum nach. Ich habe vielmehr Sorge, um Verlorenes trauern zu müssen. Ich fürchte mich vor dem kommenden Schmerz.
Warum Verzweiflung ein Zeichen der Hoffnung ist
Verzweiflung und Schmerz – ohne sie kann keine Hoffnung entstehen. Davon ist Corine Pelluchon überzeugt. Hoffnung entstehe nicht, weil man reiflich darüber nachdenke, welche Gründe dafür sprechen, hoffnungsvoll zu sein. Hoffnung sei etwas, zu dem man sich grundlos entschließe. Sie sei ein Wagnis, ein Moment der Loslösung und zugleich des Sich-Einlassens, betont die Philosophin. Sie erklärt, was sie damit meint, auch in diesem Radio-Beitrag.
„Paradoxerweise ist die Konfrontation mit einem radikalen Verlust der Schlüssel, um sich wieder mit anderen zu verbinden, der eigenen Fragilität einen Sinn zu geben und Produktions- und Konsummuster sowie Seinsweisen zu fördern, die das Vertrauen in sich selbst und die Zukunft wieder herstellen, “ sagt Corine Pelluchon.
Diese Sätze haben meinen Blick auf schlechte Nachrichten verändert. Sie helfen mir, mehr als eine Zukunft für uns und unsere Erde zu sehen. Hoffnung ist eine Superkraft im Kampf gegen die fortschreitende Erderhitzung. Wenn Sie Ihren eigenen Hoffnungstank weiter auffüllen wollen, lesen Sie am besten diese Kolumne von Elena Matera, in der sie fünf Bücher vorstellt, die Mut machen.
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